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Fischen in der Aare: "Beissen sie?"
In der Aare kann man nicht nur baden, sondern auch fischen. Fabio Fusa weiss anhand der Farbe des Flusses, ob Forellen zu finden sind – und gewisse Fragen mag er nicht mehr hören.
Fabio Fusa wäre nicht schon "ging gärn e Fischer gsi", wie es Büne Huber so wehmütig besingt – er war schon immer einer. Der 51-Jährige ist zwar kein Berufsfischer, verbringt aber so viel Zeit am Wasser, wie er kann. Schon als Kind frönte Fusa seinem späteren Hobby: Damals ging es aber gar nicht so sehr um den Fang, sondern darum, den Wettkampf mit Kollegen zu gewinnen, so weit wie möglich auswerfen zu können.
Vierzig Jahre später wird bei dem Treffen mit dem Angler in Münsingen klar: Er ist zum Fischen hier, nicht zum Plaudern. Routiniert mustert er den Fluss und nutzt die teils künstlichen, teils natürlichen Einschnitte, um seine Angel auszuwerfen.
Trotz der Nähe zum Wasser ist es auch am Abend noch heiss. Das Aarewasser, das neben dem Münsinger Parkbad vorbeiströmt, hat ein tiefes Blaugrün und sieht leicht milchig aus. "Das ist Schmelzwasser", sagt Fusa mit Kennerblick. Damit wird ein Fang unwahrscheinlich, wie er erklärt: Für den Fischer gibt es wegen des höheren Wasserstandes weniger Möglichkeiten, im Wasser zu stehen – wie meistens im Sommer. Gerade Bachforellen sind nicht in der Strömung zu finden, sondern in den ruhigeren Stellen beim Ufer, wo sie auf ihre eigene Beute warten.
Der Selbstversuch zeigt: So einfach ist die Auswerferei nicht. Der Trick ist, den Faden im richtigen Moment loszulassen guten Schwung beim Werfen zu schaffen, und dann die Angel im korrekten Winkel zum Wasser zu halten. Die ersten Versuche scheitern kläglich. Tröstlich ist, dass auch Fusa nicht jeder Wurf gelingt. Bei einem zu grosszügigen Versuch bleibt der Köder in einem Baum hängen und die Schnur reisst. Fusa zuckt mit den Schultern. "Das passiert." Mit überraschender Geschicklichkeit knüpfen seine breiten Hände einen neuen Köder an.
Den Fisch überlisten
Letztlich beissen aber vor allem die Mücken die Angelnden – und nicht die Fische den Köder. Fabio Fusa ist sich das gewöhnt: Dank Faktoren wie der Klimaerwärmung geht derzeit der Stand der Bachforellen in der Aare massiv zurück (siehe unten).
"Fischen ist für mich in erster Linie Erholung", sagt er, der im Berufsleben beim Waffenhersteller Ruag für die Lasertechnik verantwortlich ist. Die Herausforderung seines Hobbys sei nicht, das Abendessen zu fangen. "Es geht darum, den Fisch mit dem Kunstköder zu überlisten", sagt er. Der Köder, Wobbler genannt, ist im wesentlichen ein kleiner Plastikfisch mit Haken daran. Dessen Wackeln imitiert einen kleineren kranken Fisch. Wenn die Forelle dann am Haken ist, gehe es um den "Kampf um den Fisch". Denn: "Wenn sich das Tier richtig anstrengt, kann es sich auch wieder lösen."
"Beissen Sie?", fragt ein vorbeifahrender Velofahrer den Fischer. Dieser grinst nur müde. "Diese Frage kommt immer." Man merke, ob jemand selbst fische. "Dann fragen die Leute eher: Hast du was gespürt?"
Fusa fischt nicht nur, er ist auch ehrenamtlich als freiwilliger Fischeriaufseher aktiv. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Kontrolle seiner Fischerkollegen, ob sie etwa mit Widerhaken arbeiten. Letztere sind in der Schweiz verboten, da sie als Tierquälerei gelten, bei einem Verstoss wird eine Busse fällig. Häufig komme dies nicht vor. "98 Prozent der Fischer, denen ich begegne, sind anständig", sagt Fusa. "Über die restlichen zwei Prozent rede ich lieber nicht.»"
[i] Fischbestand in der Aare - Schwere Zeiten für kälteliebende Fische
Der Bestand an Bachforellen und Äschen geht stetig zurück. Grund dafür ist die Klimaerwärmung – und die Verbauungen am Fluss.
Die beliebtesten Fangfische in der Aare unterhalb des Thunersees sind in erster Linie Äschen und Bachforellen. Eine der beiden an den Haken zu bekommen, wird aber immer schwieriger: Seit den 1990er-Jahren ist bei beiden Arten die Zahl gefangener Fische massiv zurückgegangen – bei den Forellen um geschätzte 80 Prozent, wie das Projekt Gewässerzustand Aaretal 2013 zeigte.
Fische fühlen sich unwohl
Eine der Hauptursachen dafür dürfte der Klimawandel und damit die Wassererwärmung sein, wie Christoph Küng, Leiter Fischereiwirtschaft bei der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion, auf Anfrage sagt. Denn die einheimischen Fischarten sind sogenannt wechselwarm: Ihre Temperatur entspricht der Umgebungstemperatur. Und da insbesondere für Bachforellen und Äschen diese Temperatur heutzutage im Sommer mehrheitlich höher liegt als deren «Wohlfühltemperatur», schwindet ein ganzer Bestand, und damit auch die Anzahl gefangener Tiere.
Der See als "Temperaturpuffer"
Einzelne kühlere Sommer machen für die Aare keinen grossen Unterschied mehr aus. Hauptgrund dafür ist der Thunersee, der als riesiger "Temperaturpuffer" wirkt, wie Küng erklärt. Auch bei einem Temperatursturz, wie es ihn letzte Woche gab, dauert es lange, bis sich das Oberflächenwasser des Sees, das die Aare unterhalb des Thunersees speist, abkühlt. Und in einem heissen Sommer kompensiert das warme Oberflächenwasser des Thunersees das Gletscherwasser, das vom Oberland herunterfliesst. Aktuelle Zahlen zum Fischbestand in der Aare gibt es zwar nicht, doch laut Christoph Küng von der Volkswirtschaftsdirektion besteht bezüglich Bachforellen und Äschen eine hohe Korrelation mit der gesamtschweizerischen und teilweise auch europäischen Entwicklung, die ebenfalls rückgängig ist. "Es wäre eine Illusion anzunehmen, dass sich der Bestand der Bachforellen im Kanton Bern so erholen kann", sagt Küng.
Neben der Wassererwärmung seien aber auch Verbauungen und Begradigungen der Aare sowie fehlende Ausweichmöglichkeiten in kühlere Zuflüsse ein Nachteil für die Tiere: Es gibt laut dem Leiter Fischereiwirtschaft weniger natürliche Tiefen in der Aare, in denen die Fische dem warmen Wasser ausweichen können. Nur negativ ist das wärmere Wasser allerdings nicht. Denn während der Bestand der Äschen und Bachforellen zurückgeht, wächst derjenige der wärmeliebenden Fische, wie zum Beispiel Alet und Barben.
Erstellt:
19.07.2016
Geändert: 19.07.2016
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