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Gemeindewahlen Wichtrach: Ein Ballönli mit Regula Ramseyer

Wer folgt auf Gemeindepräsident Hansruedi Blatti? Wir gehen mit den drei Kandidierenden in den Feierabend, um ihnen auf den Zahn zu fühlen. Heute ist unser Redaktor Adrian Kammer mit Powerfrau und SVPlerin Regula Ramseyer im Restaurant Bahnhöfli in Wichtrach.

Mit dem Gemeindepräsidium will Regula Ramseyer noch einen drauf setzen. (Bild: Adrian Kammer)

Regula Ramseyer zelebriert gerne den Feierabend, allerdings nicht unbedingt in einer Beiz. Für uns springt sie über ihren Schatten, und wir treffen sie im Bahnhöfli Wichtrach. Ich nehme ein Panache und die Gemeinderätin bestellt ein Wasser und ein Ballönli. "Normalerweise geniesse ich den Feierabend in ruhiger Atmosphäre zuhause auf dem Hof", erzählt die Bauersfrau. "Nachdem ich meinem Mann im Stall geholfen habe, sitze ich draussen am Tisch und blicke auf die Berge. Dann wird mir wieder bewusst wie schön wir es hier haben", führt Ramseyer weiter aus.

 

Einzige Frau im Rat

Regula Ramseyer ist nicht nur die erste und einzige Frau im Wichtracher Gemeinderat, sondern auch das jüngste Mitglied in der momentanen Konstellation. Seit acht Jahren leitet sie das Ressort Infrastruktur, welches ihr sehr gefällt. "Ich habe da mit Büetzern zu tun und die sprechen eine ähnliche Sprache wie wir Bauern", so Ramseyer. Zudem ist sie stolz auf das bisher Erreichte: "Ich freue mich jedes Mal, wenn ich am neuen Werkhof vorbeifahre. Es war nicht immer einfach, aber für das Resultat hat sich die Arbeit gelohnt."

 

2016 übernahm Regula Ramseyer das Vizepräsidium von Daniel von Rütte. Dabei habe sie das eigentlich gar nicht gewollt, sagt die SVP-Frau. Die Partei habe beschlossen, dass ein Mitglied der SVP das Amt innehaben sollte. Das Argument war, dass die SVP mit 3 Personen die am stärksten vertretene Partei im Gemeinderat war und deshalb ein Anrecht auf die Position habe. Der einzige SP-Vertreter Daniel von Rütte gab das Amt dann auch freiwillig ab. "Die beiden anderen SVP-Gemeinderäte Fritz Steiner und Rudolf Schüpbach lehnten ab. Dann habe ich es halt gemacht", so Ramseyer. Dass die Partei sich für die kommenden Wahlen in Stellung bringen wollte, streitet sie nicht ab. Allerdings glaubt sie auch nicht, dass das Vizepräsidium ihr einen Vorteil für die Präsidentschaftswahl beschert.

 

Neue Herausforderung

"Ich bin kürzlich 50 geworden. Das ist eine gute Zeit für eine neue Herausforderung", begründet Regula Ramseyer ihre Kandidatur. Falls sie gewählt werden sollte, werde sie wohl einen etwas anderen Ton anschlagen als der bisherige Gemeindepräsident Hansruedi Blatti. "Ich schätze ihn sehr. Er hat ein riesiges Wissen. An den Sitzungen und Versammlungen behält er immer die Ruhe, auch wenn Dinge zu Tode diskutiert werden. Da bin ich schon anders", so Ramseyer. Sie sei halt die Temperamentvollste im Rat. Sie mag es, wenn es vorwärts geht. Andernfalls könne sie manchmal "sternsmoreveruckt" werden. Insgesamt sei der Umgang im Gemeinderat laut Regula Ramseyer respektvoll. Die Zusammenarbeit funktioniere gut und Parteizugehörigkeit spiele keine Rolle.

 

Die Politik wurde Regula Ramseyer quasi schon in die Wiege gelegt. Vater Ernst Wiedmer war jahrelang Grossrat und Gemeindepräsident von Oppligen. Auch er SVPler, eine andere Partie käme für ihn nicht in Frage. Am Familientisch wurde viel politisiert. Trotzdem hat sich eine politische Karriere für Regula nicht abgezeichnet. Sie war noch nie zuvor in einer Kommission tätig, als sie vor acht Jahren vom abtretenden Gemeinderat "Bidu" Ryser für die SVP-Liste angefragt wurde. Und prompt wurde sie gewählt. Ihre Entscheidung bereute Regula Ramseyer seither nie - im Gegenteil: "Es ist extrem interessant. Klar kann man es nicht allen Recht machen. Damit kann ich umgehen. Ich weiss auch, dass mich nicht alle im Dorf gern haben."

 

"Ich bin wie ich bin"

"Ich bin wie ich bin und ich mag mich nicht ändern oder anpassen." Diesen Satz höre ich in Variationen an diesem Abend im Bahnhöfli öfters von Regula Ramseyer. Sie scheint sich wohl zu fühlen in der Rolle der direkten Büetzerfrau, die bei anderen auch mal aneckt. "Als ich meinen Job antrat, konnte mein Chef anfangs nicht fassen, wie ich mit den Kunden gesprochen habe. Halt ungefiltert und gerade heraus", erzählt Ramseyer lachend. Sie arbeitet 80 Prozent für die Schädeli Treuhand AG in Münsingen. Obschon als Bauerntochter aufgewachsen, kam für sie nicht in Frage den ganzen Tag zuhause auf dem Hof zu sein.

 

Treuhänderin, Politikerin, Bauersfrau. Wie sie das alles unter einen Hut kriegt? So richtig erklären kann es Regula Ramseyer auch nicht: "Man macht es halt einfach und dann geht es auch." Zwischendurch hat es sogar auch Platz für Freizeit. Die geniesst sie gerne mit der Familie oder Freunden. Meistens stehen Ausflüge in die Schweizer Berge auf dem Programm: Im Winter skifahren an der Lenk und im Sommer wandern im Wallis. Dann kann die Powerfrau auch gut runterfahren und geniessen. "Ich bin nämlich ein Gmüetscheib. Ich mag gutes Essen oder ein Glas Wein in guter Gesellschaft", sagt Ramseyer von sich.

 

Wir plaudern noch ein bisschen und tauschen sogar ein wenig Privates aus, bevor wir den Kellner nach der Rechnung fragen. Als Journalist sollte man sich nicht einladen lassen. Das könnte einem dann als Bestechung angerechnet werden. Regula Ramseyer besteht darauf, mein Panache zu übernehmen. Nach kurzer Gegenwehr gebe ich mich geschlagen. Jetzt kann Regula Ramseyer wenigstens den Rest des Feierabends gemütlich auf dem Hof verbringen.


Autor:in
Adrian Kammer, adrian.kammer@bern-ost.ch
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Erstellt: 14.08.2019
Geändert: 22.08.2019
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