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Gemeinderat Bowil: Am Ende sprangen zwei in die Bresche
Bis am Dienstag stand Bowil vor einem Führungsproblem: Zwei Sitze im Gemeinderat mussten neu besetzt werden, doch es fehlte an Freiwilligen. Bei der Gemeindeversammlung zeigte sich, wie schwer es ist, solche Ämter zu besetzen.
«Gnietig» ist ein berndeutsches Wort. Es beschreibt, wenn etwas nicht so läuft wie es sollte, wenn es nur harzig vorwärts geht. Bis die beiden freien Gemeinderatssitze besetzt waren, war so eine Situation. Lange meldete sich niemand, doch am Ende zogen zwei Frauen den Karren aus dem Sumpf.
Zwei Personen gesucht
Es ist schon länger bekannt, die noch amtierende Gemeindepräsidentin Claudia Jaussi Inäbnit verlässt aus gesundheitlichen Gründen Ende Jahr den Gemeinderat (BERN-OST berichtete). Mit ihr zusammen auch Markus Kolly, auch er aus gesundheitlichen Gründen. Bis am Dienstagabend gingen auf der Gemeindeverwaltung keine Wahlvorschläge ein, niemand meldete sich für die beiden freien Sitze. Es mussten also an der Gemeindeversammlung zwei Personen erkoren werden.
Reges Interesse in der Bevölkerung
Die Turnhalle im Schulhaus Bowil war gut besetzt an diesem Dienstagabend. 101 stimmberechtigte Personen wollten wissen, wer neu in den Gemeinderat gewählt wird. Kandidatinnen oder Kandidaten hielten sich aber vornehm zurück.
Jemand muss es machen
«Wir können nächstes Jahr nicht zu dritt weitermachen, das geht nicht», appellierte der frisch gekürte Gemeindepräsident Manuel Lüscher an die Versammlung. Lüscher war zuvor in stiller Wahl ins Präsidium gewählt worden. Sichtlich gerührt freute er sich über den Applaus zur Wahl. Er machte klar, wem er dies zu verdanken habe: «Ohne meine Frau, die mir den Rücken freihält, wäre dies nicht möglich.» Mit dem Blick nach vorne wendete sich Lüscher an die Bowilerinnen und Bowiler: Ob sich jemand freiwillig melde oder ob jemand eine Person zur Wahl in den Gemeinderat vorschlage. Stille im Saal.
Kandidatin aus der Schulkommission
Da sich niemand meldete, schlug der neu gewählte Gemeindepräsident eine Person vor: «Stephanie Lanzilao Hauser ist Mitglied der Schulkommission und würde sich zur Verfügung stellen, sofern sich niemand meldet.» Kurzes Aufatmen im Saal, danach wird die abwesende Lanzilao Hauser mit einem Applaus still gewählt.
Sonst übernimmt der Kanton
Es musste noch ein weiterer Sitz im Gemeinderat besetzt werden, worauf der ehemalige Gemeindepräsident Moritz Müller aufstand und sich an die versammelten Bowilerinnen und Bowiler richtete: «Ihr müsst euch bewusst sein, wenn der Gemeinderat zu viert weitermacht und jemand ausfällt, dann ist er nicht mehr beschlussfähig und der Kanton würde sich einschalten. Wollt ihr das? Also, reisst euch zusammen.» Eine zehn-minütige Pause sollte Besserung bringen. Einige nutzten den Moment zum Gang nach draussen, kurz auf die Toilette, ein wenig plaudern, eine rauchen.
«Ich würde die Wahl nicht annehmen»
Nach der Pause schlägt ein Mann aus dem Publikum eine Person vor. Doch der Genannte schüttelt den Kopf und sagt: «Ich werde eine Wahl nicht annehmen.» Er sei zu viel unterwegs, ihm fehle die Zeit für das Amt. Ein weiteres Mal fragt Gemeindepräsident Lüscher nach Wahlvorschlägen. Im Saal herrscht betretenes Schweigen, einige schauen zu Boden, ja nicht auffallen. Eine Szene, die oft beobachtet werden kann, wenn Freiwillige gesucht werden.
Schüpbach machts
Gemeinderat Beat Lehmann bricht die Stille: «Ursula Schüpbach hat mir gesagt, wenn sich niemand meldet, würde sie es machen.» Die Köpfe drehen sich nach hinten, in der hintersten Reihe steht die ehemalige Finanzverwalterin von Bowil, Ursula Schüpbach, auf und sagt: «Ihr wisst, Bowil liegt mir am Herzen. Aber ich rede nicht gerne vor Leuten», sie legt eine kurze Pause ein, schluckt und sagt: «Aber wenn es niemand machen will, dann mache ich das.»
Zwei Frauen holen in Bowil die Kohle aus dem Feuer, sie stellen sich zur Verfügung, ihre Wahl wird mit lautem Beifall bestätigt. Die Suche nach diesen zwei Gemeinderätinnen war eine «gnietige» Sache, am Ende des Abends war der Gemeinderat komplett.
Aus dem Nichts in den Gemeinderat
Sie habe es erst in der Pause während der Gemeindeversammlung erfahren, sagt die eben gekürte Gemeinderätin. Viele Leute gratulieren ihr zur Wahl und zum Engagement, klopfen ihr auf die Schulter. «Ich konnte mir noch keine Gedanken darüber machen. Klar, ich weiss, was ein Gemeinderat zu tun hat, aber ich bin jetzt schon ein wenig überrumpelt worden.» So das frisch gewählte Mitglied des Gemeinderats Ursula Schüpbach nach der Wahl. Sie kennt die Gemeinde gut, hat während 30 Jahren auf der Gemeindeverwaltung von Bowil als Finanzverwalterin gearbeitet, seit letztem Herbst arbeitet sie auf der Verwaltung in Mirchel.
Zwei Frauen und drei Männer
Mit der Wahl von Ursula Schüpbach und Stefanie Lanzilao Hauser ist der Gemeinderat wieder vollständig. Beide Frauen zeigen, wie wichtig persönlicher Einsatz in einer kleinen Gemeinde ist, auch wenn das Amt mit Herausforderungen verbunden ist. Der Ablauf der Gemeindeversammlung von Bowil zeigt, wie schwierig es geworden ist, freiwillige Helferinnen und Helfer für öffentliche Ämter zu finden – und wie entscheidend solche Momente für das Funktionieren der lokalen Demokratie sind.
[i] So präsentiert sich der Gemeinderat von Bowil ab Januar: Manuel Lüscher (Gemeindepräsident), André Hofer (bisher), Beat Lehmann (bisher), Stephanie Lanzilao Hauser (neu) und Ursula Schüpbach (neu)
[i] Alle vier traktandierten Geschäfte wurden mit deutlichem Mehr angenommen. Das Budget, welches ein Defizit von 98'236 Franken vorsieht. Die privaten Hauszuleitungen für das Schmutzwasser werden ab nächstem Jahr etappenweise kontrolliert. Ein Teilstück des Moosweg wird zu Eigentum und Unterhalt an die Firma Timberhome AG abgetreten und ab Schuljahr 2025/2026 wird ein Schülertransportdienst eingeführt.
Erstellt:
27.11.2024
Geändert: 27.11.2024
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