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Kreativatelier Aarhus - Kleine Schritte, grosse Bereicherung

Die Menschen, die im Kreativatelier der Stiftung Aarhus in Grosshöchstetten arbeiten, sind in ihren Bewegungen stark eingeschränkt. In Teamarbeit stellen sie Girlanden, Taschen oder Karten her. Ein Einblick zeigt ein berührendes Miteinander und einfache Gespräche über das, was den Bewohnern besonders wichtig ist.

Cédi Jenzer und Atelierleiterin Valérie Wetzel in Teamarbeit. (Bilder: Annalisa Hartmann)
Das Atelier in der Aarhus-Stiftung in Grosshöchstetten.
Besondere Instrumente, die den Beeinträchtigten das Arbeiten ermöglichen.
Nicolas Slongo stanzt gerne. Ambra Rothenbühler unterstützt ihn dabei.

Atelier Aarhus Grosshöchstetten. Alles steht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den verschiedenen Wohngruppen bereit: Nähmaschinen, Stanzmaschinen, besondere, von der Ergotherapeutin entwickelte Scheren, Papier. Womit sie sich kreativ beschäftigen wollen, entscheiden sie selber. Es gibt eine breite Palette an Angeboten. "Im Moment sind wir häufig am Nähen", sagt Valérie Wetzel, Sozialpädagogin und Leiterin des Kreativateliers für Menschen mit schweren körperlichen und Mehrfachbehinderungen. "Girlanden, Einkaufstaschen für das Abfüllen von Obst und Gemüse."

 

Dass sie diese Aufgaben ausführen können, wirkt wie ein kleines Wunder. Die Mitarbeiter treffen nach und nach im Werkraum ein. Ganz leise, ohne viele Worte. "Nici". Mitarbeiter Nicolas Slongo sagt nur seinen Namen. Ambra Rothenbühler, die im Aarhus ihr Praktikum absolviert, fragt ihn, ob er stanzen möchte. Bald sind sie in ihre Teamarbeit vertieft. Slongo führt konzentriert ein Blatt nach dem anderen in die Stanzmaschine. Heraus kommen Schmetterlinge und Blumen für die Girlanden. Rothenbühler hilft ihm dabei.

 

Cédric Jenzer möchte nähen. Er sitzt im Rollstuhl, auch seine Hände sind in den Bewegungen sehr stark eingeschränkt. Cédi, wie er am liebsten genannt wird, ist sehr aufgeschlossen und freut sich über Besuch im Atelier. Das Pedal der Nähmaschine wird ihm auf den Tisch seines Rollstuhls gestellt, er bedient es mit der Hand. Valérie Wetzel führt den Stoff. Auch sie beide arbeiten in Teamarbeit. "Stopp!", ruft sie ab und zu. Sofort lässt Jenzer das Pedal los. "Eigentlich sieht er es auch selber, wann er stoppen muss. Er macht das sehr gut", sagt die Leiterin.

 

Wichtige Sätze über die Musik

In den Pausen, die zwischen dem Rattern der Nähmaschine entstehen, ergreift Jenzer immer wieder das Wort. Er spricht sehr langsam und undeutlich, selbst die Betreuerinnen haben ab und zu Mühe, ihn zu verstehen. Umso mehr fallen die wenigen Sätze ins Gewicht.

 

Musik. Das ist Jenzers Thema. Darüber spricht er gerne. Über seine Band, die Aarhus-Band "Space-Group". Und dass er Gitarre spielt. Nicht Gitarre im eigentlichen Sinn. Sondern mittels Soundbeam, einem Pedal, mit dem er Gitarrenklänge und Rhythmen steuern kann. Mit der Band ist er schon an verschiedenen Festen aufgetreten. Auf die Frage, wie es ihm vor Konzerten geht, antwortet Jenzer "zurückziehen". Umso mehr freut es ihn, zu erfahren, dass es selbst professionellen Musikern teilweise so geht.

 

Sprechen auf ihre Weise

Die Papiergirlanden und Taschen, an denen Jenzer und Slongo an diesem Nachmittag arbeiten, werden später im Flohmi-Laden der Stiftung Aarhus verkauft. Den Laden gibt es seit zwei Jahren. Er befindet sich gleich hinter dem Eingang des Neuhus-Parks. Hier gibt es gebrauchte Gegenstände zu kaufen, aber auch die Produkte aus den Kreativ-Ateliers.

 

Wenn Kunden in den Laden kommen, fragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ob sie helfen können. Sie tun es auf ihre Weise. Wenn sie nicht sprechen können, benutzen sie einen Kommunikations-Bildschirm und geben Zeichen. "Leider werden sie ab und zu gar nicht verstanden und die Kunden merken nicht, dass die Menschen, die im Rollstuhl sitzen, im Laden arbeiten", sagt Valérie Wetzel. Die Hemmschwelle für Kontakt und Gespräche sei immer noch gross. Genau aus dem Grund sei es dem Aarhus ein Anliegen, solche Begegnungen zu ermöglichen, Berührungsängste abzubauen. Die Bewohnerinnen und Bewohner mit schweren Beeinträchtigungen würden häufig unterschätzt.

 

"Nici." Zum Abschied nennt er noch einmal seinen Namen. Und strahlt über das ganze Gesicht. In dem Moment wird klar: Die Begegnung, auch ohne Worte, hat sich gelohnt.

 

[i] Die Produkte, die im Atelier entstehen, sind im Flohmi-Laden der Stiftung Aarhus, am Neuhausweg 6 in Grosshöchstetten und auch auf der Hompage erhältlich. Öffnungszeiten Flohmi-Laden: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag, 14.30 bis 17 Uhr.

 

Die nächsten Auftritte der Aarhus-Band Space-Group finden am 31. August am Sommerfest und am 9. November im kühltür statt.

 

www.aarhus.ch


Autor:in
Annalisa Hartmann, annalisa.hartmann@bern-ost.ch
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Erstellt: 12.08.2019
Geändert: 15.08.2019
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