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Grosshöchstetten: Die ENGH und der umgekehrte Spinat-Effekt

An der Gemeindeversammlung Grosshöchstetten zeigte sich: Die Energie Grosshöchstetten AG ENGH wird ihren ramponierten Ruf nur harzig wieder los – fast so, wie der Spinat seinen unberechtigt guten Ruf hartnäckig bewahrt. Die Debatte um den Kredit für den Anschluss zweier Schulhäuser zeigte: Einige werden einfach nicht warm mit der Fernwärme. Das Abstimmungsergebnis überraschte dann.

Gemeinderat Magnus Furrer und die anderen Gemeinderät:innen hielten ein wenig den Atem an, bevor das Resultat feststand. (Foto: cw)

Irgendwie drängt sich der Eindruck auf, dass mit der Energie Grosshöchstetten AG ENGH etwas Ähnliches passiert ist wie mit dem Spinat – nur im negativen Sinn: Der Spinat erlangte seine Berühmtheit als toller Eisenspender durch einen Rechenfehler*, der zwar 1930 entdeckt und publik gemacht wurde. Dennoch glauben viele Leute hartnäckig, Spinat sei besonders eisenreich.

 

Das gegenteilige Spinat-Prinzip …

Das gleiche Prinzip mit umgekehrten Vorzeichen spielt offenbar bei der ENGH. Hier war es allerdings kein Rechenfehler, der falschen Ruhm begründete, sondern missglückte Kommunikation, die der ENGH und ihrem Wärmeverbund von Anfang an viel Misstrauen einbrachte. Das zeigte sich einmal mehr an der Gemeindeversammlung, als es um den Verpflichtungskredit ging, damit die beiden Schulhäuser Schulgasse und Alpenweg an die Fernwärme Neuhuspark angeschlossen werden können.

 

… hält sich hartnäckig

Passiert ist der Schaden wohl in den grossen Turbulenzen rund um die Absetzung des ehemaligen ENGH-Verwaltungsrats und die von aussen gesehen überstürzte Einrichtung der Fernwärmezentrale: Den Beteiligten gelang es offenbar nicht, von Anfang an die Zusammenhänge klar aufzuzeigen. Deshalb hat sich bei einigen Bürgerinnen und Bürgern die Überzeugung festgesetzt: Vonseiten der ENGH werde gemischelt, getrickst, mit gemeinen «Bubentrickli» überlistet und missbräuchlicherweise Geld aus dem Stromgeschäft für die Fernwärme abgezweigt.

 

Hängen blieb wohl ein Kommunikationsfehler

Da konnten ENGH-Verwaltungsratspräsident Magnus Furrer und sein Verwaltungsrat später an Info-Anlässen noch so sachlich argumentieren und erklären, dass alles rechtens ablaufe und dass es in einer Firma üblich und legal sei, ein gemeinsames Firmenkonto für die verschiedenen Sparten zu führen: «Der Mist ist geführt», wie der Volksmund sagt, und jetzt wird die ENGH ihren angeschlagenen Ruf ebenso harzig los wie der Spinat seinen unbegründeten Ruhm.

 

Ölheizungsersatz war unbestritten …

Zwar leuchtete an der Gemeindeversammlung allen ein, dass die höchst veralteten Heizkessel der Ölheizung in den beiden Schulhäusern Schulgasse und Alpenweg ersetzt werden müssen. Und dass ökologische Gründe klar gegen die kostengünstigste Variante «neue Ölheizung» sprechen.

 

… und die Vollkostenberechnung klar …

Auch die Vollkostenberechnung der verschiedenen ökologischen Varianten von Erdwärme bis Fernwärme, erstellt und erläutert von Pascal Peter vom Energieplanungsbüro Gunep AG, sprachen eine klare Sprache: Fernwärme vom Neuhuspark würde laut Tabelle 23.3 Rappen pro Kilowattstunde kosten und damit deutlich weniger als eine Luftwärmepumpe (29.7 Rappen pro Kilowattstunde), und immer noch weniger als eine Pelletheizung (23.6 Rappen pro Kilowattstunde).

 

… aber die Vorbehalte blieben …

«Je schneller der Anschluss an den Wärmeverbund realisiert werden kann, desto sicherer ist die Finanzierung», schloss Gemeinderätin Caroline Devaux, Ressort Finanzen, ihre Präsentation. Und sorgte damit prompt wieder für Verwirrung, wie eine kritische Anmerkung aus dem Publikum zeigte: «Jetzt haben wir doch den Vier-Millionen-Kredit abgelehnt – wieso sollen wir der ENGH denn trotzdem Geld geben?» Die Antwort, hier gehe es um Strombezug für eine Gemeindeliegenschaft, und das habe nichts mit einem Kredit zu tun, befriedigte offenbar nur halbwegs.

 

… und auch die kritischen Stimmen

Man solle «dem Schrecken ein Ende setzen und stattdessen eine Wärmepumpe einsetzen», verlangte deshalb ein Votant. Ein anderer beschwerte sich, dass wiederum die Sparte Wärme durch die Sparte Elektro finanziert werde – «und diese pfeift aus dem letzten Loch», sie könne weder Leitungsbau noch Übergabestation finanzieren. Und überhaupt, warum man sich für ein bevorstehendes Baugesuch verpflichten solle, wenn man doch gar nicht wisse, ob es die ENGH mit der Sparte Wärme zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch gebe.

 

Dann kam der Rückweisungsantrag …

Die Antworten auf die Publikumseinwürfe, mehrheitlich und gut verständlich von Energiefachmann Pascal Peter präsentiert, mochten offenbar nicht zu überzeugen. Aus dem Saal hörte man murmeln, das sei «ein Geschäft, bei dem sich die Katze in Schwanz beisst», dann stellte der Votant einen Rückweisungsantrag für die beiden Verpflichtungskredite: «Die Sinnhaftigkeit der ENGH wurde bereits mehrfach in Frage gestellt.»

 

… und die grosse Gretchenfrage …

Irgendwann hatte Livia Howald, Präsidentin Freie Wählergruppe Grosshöchstetten und Mitglied der Bildungskommission, offensichtlich genug. Sie erhob sich und stellte die zentrale Frage an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger im Saal: «Wie würdet ihr alle denn abstimmen, wenn es nicht um die ENGH ginge, sondern um einen neutralen Anbieter?»

 

…ob es ein persönliches Problem sei

Der Gemeinderat habe viel Zeit investiert, argumentierte sie, er habe alles durchgerechnet und komme jetzt mit einem neuen Vorschlag: «Ich glaube, hier geht es um ein persönliches Problem mit der ENGH.» Dieses aber habe hier nichts zu suchen: «Die Frage ist, wie wollen wir die Schulliegenschaften heizen, sonst nichts!» Beifälliges Murmeln im Publikum und leichtes Nicken hier und da: Damit hatte Livia Howald den Nagel wohl auf den Kopf getroffen.

 

Schliesslich die Ablehnung …

Die Diskussion war zwar damit noch nicht beendet, einige blieben standhaft dagegen. Aber ab diesem Zeitpunkt kamen vermehrt unaufgeregte Fragen nach Kapazitäten und Kostendetails. Schliesslich wurde der Rückweisungsantrag von den Anwesenden klar abgelehnt, ein zweiter Rückweisungsantrag – anders formuliert, aber faktisch eine Verdoppelung des ersten – war damit ebenfalls vom Tisch.

 

... und die Abstimmung ...

Und plötzlich, so schnell wie ein Gewittersturm sich verzieht, war die Aufregung vorbei, und es ging an die Abstimmung. Gemeinderat Magnus Furrer, der auch Verwaltungsratspräsident der ENGH ist, hielt wohl vorübergehend den Atem an.

 

… und das Aufatmen

Nach zweimaligem Nachzählen war das Ergebnis klar – und doch ein bisschen überraschend nach dem teils heftigen Gegenwind: Beide Verpflichtungskredite wurden deutlich angenommen. Und Verwaltungsratspräsident Magnus Furrer konnte erleichtert weiteratmen.

 

Jetzt also zwei Aufgaben für die ENGH

Die Schulhäuser können also künftig von der Fernwärme Neuhuspark beheizt werden – sofern diese bis zum nötigen Zeitpunkt liefern kann. Angepeilt wird der 1. Dezember 2026. Das heisst, die ENGH hat den Auftrag sicherzustellen, dass sie zu diesem Termin dann auch liefern kann. Und idealerweise gelingt es ihr eines Tages, den «Umgekehrten-Spinat-Effekt» zu überwinden und bei den Zweifler:innen neues Vertrauen zu schaffen.

 

*1890 untersuchte Gustav von Bunge, Facharzt für Physiologie, den Nährwert von Spinat und entdeckte, dass dieser sagenhafte 35 Milligramm Eisen pro 100 Gramm Spinat enthält. Nur: von Bunge hatte Spinatpulver untersucht anstatt frischem Spinat, der jedoch zu neun Zehnteln aus Wasser besteht. Rechnet man also das Ganze mit frischem Spinat, enthalten 100 Gramm nur noch rund drei Milligramm Eisen.

 

[i] Die Aula im Schulhaus Grosshöchstetten war nur zu knapp Dreivierteln voll, als Gemeindepräsidentin Christine Hofer 73 Anwesenden zur Gemeindeversammlung begrüsste – das sind knapp zweieinhalb Prozent der 3043 Stimmberechtigten. Sie dankte jenen, die erschienen, «statt am heissen Sommerabend Balkon und Bier zu geniessen».

 

[i] Die Jahresrechnung 2024 wurde grossmehrheitlich angenommen.

 

[i] Der einmalige Verpflichtungskredit für das Schulhaus Schulgasse über 195'000 Franken sowie der jährlich wiederkehrende Verpflichtungskredit über 52'000 Franken wurde mit 44 zu 24 Stimmen angenommen; der einmalige Verpflichtungskredit für das Schulhaus Alpenweg über 205'000 Franken Anschluss sowie der jährlich wiederkehrende Verpflichtungskredit über 61'000 Franken mit 43 zu 21 Stimmen.

 

[i] Auch die beiden Verpflichtungskredite «Sanierungsprojekt Dorfstrasse Schlosswil (Wasserleitung, Kantonsstrasse, behindertengerechte Bushaltestellen Kreuz)» und «Wasserversorgung, Anschaffung Smart-Meter Wasserzähler» wurden grossmehrheitlich angenommen.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 21.06.2025
Geändert: 22.06.2025
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