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Häutligen - Rätsel um ein Verbot

Quelle
Berner Zeitung BZ

Für wen gilt nun dieses Fahrverbot? Die Frage stellt sich so mancher, nachdem die Gemeinde Häutligen Einsprache erhoben und es so ausser Kraft gesetzt hat. Der Experte warnt: Erlaubt sind nur offizielle Fahrten.

Ende der Reise: Nur wer in offizieller Mission für Häutligen unterwegs ist, darf hier weiterfahren. (Bild: pd)

Das Fahrverbot. Seit ein paar Wochen steht es unvermittelt an der schmalen Strasse, die von Häutligen über die Wolfmatt nach Stalden und Konolfingen führt. Es setzt der Fahrt ins Nachbardorf ein abruptes Ende. Das beige­fügte richterliche Verbot un­­ter­streicht die Botschaft nur noch: Untersagt sei «insbesondere das unbefugte Befahren, das Parkieren und Abstellen von Fahrzeugen und Gegenständen aller Art», steht auf dem Schild an der Grenze zur privaten Parzelle, zu der die Strasse ab hier als integraler Bestandteil gehört.

 

Wer nicht eine Busse von bis zu 2000 Franken riskieren will, lässt das Auto also stehen. Zu Fuss dagegen kann die Reise problemlos weitergehen. Denn das hält die Tafel ebenfalls fest: Das alte, im Grundbuch eingetragene öffentliche Fusswegrecht ist vom neuen Verbot nicht betroffen.

 

In offizieller Mission

Es gibt noch mehr Ausnahmen, wie die Behörden an der Gemeindeversammlung von Häutligen klarmachten. «Wir haben Einsprache erhoben», informierte Präsident Peter Gäumann. Und deshalb gelte das Verbot für die Gemeinde nicht.

 

Was das genau heisst, konkret, ob nun jeder in Häutligen gemeldete Einwohner hier munter weiterfahren darf, blieb indes offen. Mit gutem Grund, denn gesetzliche Bestimmungen, die die Details regeln, oder zumindest eine richterliche Praxis gibt es für diesen Fall gar nicht, so Daniel Kettiger, Rechtsanwalt und Experte in diesem Fachgebiet.

 

Unbestritten ist, was bei einem von privater Seite erwirkten gerichtlichen Verbot stets gilt: Wer Einsprache erhebt, setzt es für sich persönlich ausser Kraft. Um diesen Schritt rückgängig machen zu können, müsste der Verbotsnehmer beim Zivilgericht Klage einreichen, und dieses entscheidet erst dann, ob das Verbot für den Einsprecher wirklich gilt. Oder eben nicht, weil die Einwände zu stichhaltig sind.

 

Weit unklarer ist dagegen, was all das konkret heisst, wenn die Einsprecherin eine Gemeinde ist. Ihm sei aus den einschlägigen Kommentaren kein solcher Fall bekannt, fährt Kettiger fort – um doch eine Einschätzung vorzunehmen: Die Einsprache setze das Verbot für all jene ausser Kraft, die im Dienste der Gemeinde un­terwegs seien. Für den Gemeindeschreiber etwa, der an eine Sitzung fahre, oder für den Wegmeister, der in diesem Gebiet eine Arbeit zu verrichten habe. Wenn aber der Gemeindeschreiber oder der Wegmeister in privater Angelegenheit hier vorbeikämen, gelte es nach wie vor.

 

Zufahrt im Notfall

Für die Gemeinde ist die schmale Strasse von Bedeutung, weil sie als einzige Zufahrt ins Dorf nicht durch einen Wald führt. Wie wichtig sie ist, erlebte Häutligen vor bald zwanzig Jahren nach dem Orkan Lothar, als die anderen Strassen durch umgefallene Bäume blockiert waren. Experte Kettiger stellt aber klar, dass in einem solchen Fall das Verbot ohnehin seine Bedeutung verlöre: In einer ausserordentlichen Lage könne der zuständige Krisenstab die Strasse für alle öffnen.

 

Dagegen sträuben sich die Besitzer der Parzelle gar nicht. Offen lassen sie durchblicken, dass sie das gerichtliche Verbot aus einer gewissen Enttäuschung heraus veranlasst haben. Immerhin haben sie, nicht zuletzt auf Bitten der Feuerwehr, den Weg in einer heiklen Passage verlegt, ohne dafür von der öffentlichen Hand entschädigt worden zu sein. Die regelmässigen Ausbesse­rungs­ar­beiten nehmen sie genauso wie die Schneeräumung ebenfalls auf ihre Kappe.

 

Ihren Namen möchten die Besitzer nicht in der Zeitung lesen. Sie betonen nur noch, ihnen gehe es nicht darum, jemanden zu schikanieren. Solange sie aber für den laufenden Unterhalt nichts bekämen, bleibe das Fahrverbot stehen. 


Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 18.06.2018
Geändert: 18.06.2018
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