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"Ich lebe meinen Traum": Vivienne Décorvet, Schlittenhundeführerin und Schweizermeisterin
Seit sie als kleines Mädchen an der Lenk erstmals ein Schlittenhunderennen sah, wollte die Bolligerin selber einmal Huskys halten und an besagtem Rennen im Berner Oberland auf dem Podest stehen. Mittlerweile sind es 11 Hunde – und Vivienne Décorvet ist seit Kurzem Schweizermeisterin in der Köngisklasse.
Das Zuhause von Vivienne Décorvet (34) und ihrem Partner Alain Hauert liegt nur wenige hundert Meter von der Hauptstrasse zwischen Bolligen und Krauchthal entfernt. Und doch scheint man hier im Bantigental in eine andere Welt einzutauchen. Das Navigationsgerät verabschiedet sich kurz nach dem Abzweigen auf die Zubringerstrasse, Natelempfang gibt es keinen und – beim Haus angekommen – wird der fremde Besuch von elf Huskys laut bellend angekündigt.
«Sobald es losgeht, werden sie ruhig»
«Vor den Rennen tönt es jeweils ähnlich», erklärt die amtierende Schweizermeisterin während sie das Tor zum Hof öffnet und die Hunde mit besonnenen Worten und Gesten rasch beruhigt. «Kurz vor dem Start heulen sie. Sobald es losgeht, werden sie jedoch ruhig und dann hört man nur noch das Keuchen.» So auch vor drei Wochen, als Décorvet an der Lenk mit zehn Huskys in der sogenannten Königsklasse startete. Bereits nach dem ersten Renntag führten sie und ihr Gespann mit über sechs Minuten Vorsprung auf die Konkurrenz. Und trotz starkem Schneefall konnten sie am Sonntag die Führung verteidigen und damit nicht nur den Sieg, sondern auch den damit verbundenen Schweizermeistertitel feiern.
Für die gebürtige Ostermundigerin ein ganz besonderer Erfolg. Und ein emotionaler Moment, wie sie bei einer Tasse Kaffee in der warmen Stube, erzählt. «Als ich ein Kind war, ist mein Idol, der bekannte Schweizer Musher (Schlittenhundeführer, Anm. der Red.) Iwan Schmid, an eben diesem Rennen vom Podest gestiegen und hat mir seinen Pokal geschenkt», erinnert sie sich. Den Pokal bewahre sie immer noch auf. Gerne hätte sie auch Schmid angerufen und ihm diesen Sieg gewidmet. «Leider ist er jedoch vor einigen Jahren verstorben.»
Ein «Tausch» für den Traum
Der für einen kurzen Moment getrübte Blick beginnt wieder zu leuchten, als sie die zweifache Vize-Schweizermeisterin im Bike- und im Skijöring (siehe dazu [i]) an den Moment erinnert, als sie als Siebenjährige von der «Sucht Schlittenhund» gepackt wurde. «Als Kind waren wir an den Wochenenden und in den Ferien meist an der Lenk, da wir dort ein Ferienhaus hatten.» Dort habe sie erstmals ein Schlittenhunderennen gesehen und sei so fasziniert gewesen, dass sie unbedingt einen eigenen Husky wollte. «Ich ging sogar zu den Schlittenhundeführern und bot ihnen einen unserer beiden Boxer zum Tausch an», erzählt sie lachend.
Seither dreht sich ein grosser Teil ihres Lebens um die Hunde. Nachdem sie bereits als Kind Kurse zum Umgang mit diesen besuchte und Juniorenrennen fuhr, schaffte sie sich vor rund zehn Jahren – als sie ihre erste eigene Wohnung bezog – ihren ersten Husky an. Mittlerweile sind es elf geworden und auch ihr Lebenspartner wurde von der «Sucht» gepackt. Vor zweieinhalb Jahren kauften die Beiden das Haus im Bantigental - mit 1500m2 Umschwung für die Vierbeiner und einer separaten Küche im Erdgeschoss, in der sie abends jeweils 2 kg Rohfleisch für die Huskys vorbereiten.
Abenteuer Husky
«Ich lebe meinen Traum», sagt Vivienne Décorvet. Ihr Arbeitspensum als Haustechnik-Planerin hat sie mittlerweile auf 60 Prozent reduziert. Und auch wenn es kaum Preisgelder gebe und für Reisen, Tierarzt und Futter rund 1'000 bis 2'000 Franken pro Jahr und Hund anfallen würden: «Ich musste noch nie auf etwas verzichten, das mir wichtig ist. Mit den Hunden draussen in der Natur zu sein ist einfach unglaublich schön. Und manchmal auch ein Abenteuer.» Etwa, wenn beim Training mit dem «Wägeli» kurzfristig elf Huskys an einen Baum gebunden werden müssen, um ein Hindernis aus dem Weg zu räumen.
Ein Abenteuer und ein Traum der in Erfüllung geht, wird auch das nächste Projekt, das die 34-Jährige und ihr Lebenspartner angehen. Kurz nach dem Gespräch machten sie sich in einem Transporter mit all ihren elf Schützlingen auf nach Schweden. An die Weltmeisterschaft im Schlittenhunderennen, die Ende dieser Woche dort stattfindet.
[i] Bei den Schlittenhunderennen unterscheidet man zwischen Sprint- (bis ca. 20 km/Tag), Mitteldistanz- (bis 70km/Tag) und Langstreckenrennen (bis 200km/Tag) in verschiedenen Kategorien. Beim sogenannten Nome-Style werden die Hunde paarweise vor den Schlitten gespannt. Die Anzahl Hunde variiert dabei von zwei in der kleinsten Klasse bis zu maximal 16 vorgespannten Schlittenhunden. Beim Skijöring hingegen ist der Musher auf Langlaufskiern unterwegs und wird vom Hund, mittels einer am Bauchgurt befestigten Leine, gezogen. Beim Pulkasport werden bis zu vier Hunde eingespannt, zwischen dem Musher und den Tieren befindet sich dabei zusätzlich eine schlittenähnliche Wanne, die Pulka. In der schneefreien Zeit zwischen Frühling und Herbst finden zudem Rennen im Bike- und Scooterjöring, Canicross (Joggen mit Hund) oder mit Hundewagen statt.
Erstellt:
08.03.2018
Geändert: 08.03.2018
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