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Jo-Gubert Jossi: Ein Worber Urgestein wandert aus

Er war lange Jahre Bio-Bauer auf der Mänziwilegg, hat dort ein Kinderheim geleitet und bereits zwei Mal im Ausland gelebt. Nun zieht es Jo-Gubert Jossi (65) erneut in die Ferne. Gemeinsam mit seiner Ehefrau lebt er künftig in deren Heimat Kamerun, um dort Landwirtschaft zu betreiben und ein Entwicklungsprojekt zu lancieren – und somit das zu tun, was ihm schon immer wichtig war.

Wird auch in Kamerun der Landwirtschaft verbunden bleiben: Jo-Gubert Jossi in der Hoschtet an seinem bisherigen Wohnort Ried... (Bilder: Eva Tschannen)
... und auf dem Läubli des denkmalgeschützten Spychers.

Vielen aus Worb und Umgebung mag Jo-Gubert Jossi ein Begriff sein. Sein Anblick, wie er mit zusammengebundenen Haaren sowie einem Lächeln auf dem Gesicht vor dem Medien-Center sitzt und einen Kaffee – oder je nach Jahreszeit ein Glas Rosé oder Rotwein trinkt – oder ins Poschi Richtung Ried steigt, vertraut. „Das Medien-Center und die Chauffeure werde ich vermissen“, gesteht er, während er an diesem sonnigen Tag auf der Laube vor seiner Wohnung steht. Mit Blick auf die Bergkette. Und im Innern des denkmalgeschützten Spychers, in dem er in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Ehefrau Jeannette (61) gelebt hat, bereits die gepackten Koffer.

 

Vom Schweizer Gemüse zum Maniok

Lediglich vier Koffer nimmt das Ehepaar mit nach Ebolowa, ihren neuen Wohnort. Die Möbel bleiben zurück. Ein alter Bus mit Hausrat und Material folgt in einigen Wochen per Schiff, ein weiterer PW mit Werkzeug ist bereits unten. „Ich werde dort machen, was ich immer gemacht habe“, sagt Jossi, während er durch die Hoschtet hinter dem alten Spycher geht. „35 Jahre lang habe ich Gemüse in die Brauibeiz gebracht.“ Erst als Bio-Landwirt auf der Mänziwilegg, wo er gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin Gemüse anbaute, Schafe und Schweine hielt und zugleich ein Kleinheim für Kinder und Jugendliche leitete. Und anschliessend aus eigenem Anbau von seinem jetzigen Wohnort.

 

In Kamerun ist es zwar nicht mehr die Brauibeiz – und auch die Gemüsesorten sind andere. „Statt in die Braui bringe ich das Gemüse zu Jeannette“, sagt Jossi. Die gelernte Konditorin und Patissiere wird in ihrem Heimatdorf ein eigenes Restaurant führen. Der gebürtige Grindelwaldner hingegen wird einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Maniok, Mais und Zuckerrohr und Schweinen führen und dabei in Form eines Entwicklungs-Projekt Jugendlichen eine Perspektive bieten.

 

Der Schweinestall steht bereits

Der Anfang dazu ist bereits gemacht. Anhand von Plänen, die das Ehepaar im Frühling zeichnete und via Whatsapp nach Kamerun schickte, haben die Dorfbewohner einen Schweinestall gebaut. Und mit dem nachgesandten Geld auch bereits sechs „Söili“ gekauft, wie der 65-Jährige begeistert berichtet. „Es mues eifach fäge“, erklärt er seinen Antrieb, in diesem Alter noch etwas Neues aufzubauen. „In der Schweiz bleibt uns nicht viel anderes als Fernsehen zu schauen. Mir macht jedoch alles Freude, was sinnvoll ist.“

 

Dies wirkt mehr als glaubhaft, wenn Jossi auf sein Leben zurückblickt. So nutzte er als Heimleiter die wenigen Tage Ferien pro Jahr mehrmals dazu, sich auf den Pilgerweg zu begeben. Und auch nach einem schweren Unfall ging er bis zur Pensionierung täglich zur Arbeit. „Das Leben ist ein Geschenk, man sollte etwas daraus machen. Und möglichst rasch anfangen, authentisch zu sein“, rät der zweifache Familienvater auf Nachfrage hin denn auch jüngeren Personen.

 

Authentisch, vielseitig und „gwundrig“

Authentisch wirkt er auch selber – wie auch vielseitig interessiert. So fliesst ins Gespräch etwa ein Max Frisch-Zitat ein, er erläutert kurz einen politischen Sachverhalt oder den Mix aus Kulturen, den er Anfang der 1980er Jahre in Britisch Honduras erlebte. „Weisch wie hani das gnosse“, erinnert er sich zufrieden lächelnd. Nach einer Reise quer durch Amerika landete er damals via Mexiko und Guatemala im heutigen Belize.

 

Gemeinsam mit seiner damaligen Frau war er auch dort als Landwirt tätig. Als sie schwanger wurde kehrten die Beiden zurück – „nur mit einem Seesack“, wie er verrät – und übernahmen wenig später den Hof auf der Mänziwilegg.

 

„Ein Kreis schliesst sich“

„Mich nimmt immer alles 'wunder'“, fasst Jossi seine Lebenseinstellung zusammen. Aus diesem Antrieb heraus reiste er beispielsweise in den 70ern nach Finnland, blieb ein Jahr lang und kochte in einer WG für verschiedenste Nationalitäten. Und so erstaunt es nicht, dass er seine jetzige Frau auf für seine Generation eher ungewöhnlichem Weg kennenlernte – via Internet.

 

Das Leben in einer anderen Kultur bereitet dem 65-Jährigen denn auch keine Bedenken. Dies obschon er den künftigen Wohnort und Jeannettes Familie erst via Facebook kennengelernt hat. „Ein Kreis schliesst sich“, freut er sich. „Während meiner KV-Lehre bei Blaser Kaffee Ende der 60er Jahre habe ich jeweils Telexe nach Kamerun geschickt, um ein Kilogramm Kaffee einen halben Rappen 'runter zu märten'. Nun wandere ich dorthin aus.“

 

Und sobald er in seiner neuen Heimat landen wird, wird sich ein weiterer Kreis schliessen. Der Worber wird das jüngste Familienmitglied kennenlernen – seinen Enkel und Namensvetter Jo-Gubert Jossi. „Darauf freue ich mich sehr.“


Autor:in
Eva Tschannen, eva.tschannen@bern-ost.ch
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Erstellt: 17.11.2018
Geändert: 19.11.2018
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