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Jürg Neuenschwander: Der letzte Ton ist verklungen

Quelle
Berner Zeitung BZ

Völlig unerwartet muss die reformierte Kirchgemeinde von ihrem treuen Organisten Abschied nehmen: Der in Worb wohnhafte Jürg Neuenschwander ist am Wochenende nach einer Hirnblutung verstorben.

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Jürg Neuenschwander und die Orgel: Das war für die Kirchgänger und Konzertbesucher ein gewohntes Bild. (Bild: Urs Baumann)

Wenn am kommenden Sonntag in der Burgdorfer Stadtkirche Pfarrer Manuel Dubach den Gottesdienst hält, wird jemand fehlen. Jemand, der seit 35 Jahren Predigten, Trauer- und Hochzeitsfeiern mit viel Feingefühl musikalisch umrahmt hat: Organist Jürg Neuenschwander. Vollkommen überraschend ist er vor wenigen Tagen in seinem 67. Lebensjahr verstorben.  Er ist am späten Samstagabend nach der Rückkehr von einem Konzert zu Hause zusammengebrochen. Am Sonntagnachmittag ist er im Berner Inselspital an einer Hirnblutung gestorben.

        

Jürg Neuenschwander hinterlässt eine grosse Lücke. Nicht nur in seinem privaten Umfeld, sondern auch in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Burgdorf. Denn er war keiner, der sich mit der Rolle begnügte, die Kirchenlieder zu begleiten.  Nein, Jürg Neuenschwander war Organist mit Leib und Seele. Einer, der sich leidenschaftlich dafür einsetzte, dass die Kirche auch ausserhalb der Gottesdienste mit Leben und Musik erfüllt war. Er spielte aber nicht nur in «seiner» Stadtkirche, er war an ungefähr 50 Wochenenden pro Jahr als Organist unterwegs, auch im Ausland. Bis vor wenigen Jahren war er Klavier- und Orgellehrer im Gymnasium Hofwil in Münchenbuchsee.

        

Jürg Neuenschwander war auch  künstlerischer Leiter des Konzertzyklus an der Stadtkirche Burgdorf. Und in dieser Rolle beschritt er immer wieder neue Wege, sprengte Grenzen.

        

Der Jodel und die Orgel

        

Unvergessen bleibt etwa, wie er die Volksmusik im Allgemeinen und den Jodel im Speziellen in die Kirche brachte und für die Orgel adaptierte. Besonders die Lieder des bekannten Jodelkomponisten Adolf Stähli hatten es ihm angetan; diese adaptierte er immer mal wieder für die Orgel. Mit Stähli verband ihn bis zu dessen Tod 1999 auch eine Freundschaft. Mit diesem musikalischen Spagat und dem Ausflug in die Volksmusik gelang Jürg Neuenschwander Erstaunliches: Er schaffte es, das Image der Orgel als reines Kircheninstrument zu entstauben und diese Musik einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Es war nicht zuletzt dieser Passion und Kreativität geschuldet, dass Jürg Neuenschwander im Jahr 2012 mit dem Burgdorfer Kulturpreis ausgezeichnet wurde.

        

«Wir sind bestürzt»

        

Wolfgang Klein, Präsident der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Burgdorf, spricht wohl für die gesamte Kirchgemeinde, wenn er sagt: «Wir sind sehr bestürzt.» Der menschliche und musikalische Verlust sei immens. Besonders traurig finde er, dass Jürg Neuenschwander mitten aus dem Leben gerissen worden sei. «Er war so voller Pläne.»  Mitte September hätte Neuenschwander in der Stadtkirche sein 250. Konzert gespielt. «Wir werden die Nachfolge regeln müssen», sagt Wolfgang Klein. «Zuerst müssen wir das aber verdauen.»

        

Zäch: «Werde ihn vermissen»

        

Burgdorfs Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch kannte Jürg Neuenschwander seit Jahrzehnten. «Er war Teil meines jungen Erwachsenenlebens. Ich habe ihn als junge Journalistin im Radiostudio in Bern  kennen gelernt, damals machte er spezielle Musiksendungen.» Sie habe ihn sehr gemocht, man habe mit ihm lachen, aber auch ernsthaft diskutieren können. «Ich bin einfach traurig und werde ihn vermissen.» Auch für die Redaktorinnen und Redaktoren dieser Zeitung ist der Tod von Jürg Neuenschwander ein Verlust. Über die Jahre entstand ein angenehmer, persönlicher Kontakt. Seit jeher rief er im Vorfeld von Konzerten in der Stadtkirche bei der Redaktion an oder kam selber vorbei, um für die Veranstaltungsrubrik die Daten durchzugeben. Und ist der BZ einmal ein falsches Datum ins Blatt gerutscht, reagierte er stets freundlich und verständnisvoll. Nachtragend war er nie.


Autor:in
Philippe Müller, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 25.03.2014
Geändert: 25.03.2014
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