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Justiz: Sein Geld hat ein Berner Banker verprasst

Quelle
Berner Zeitung BZ

Ein Direktor der Migros-Bank in Bern hat rund 3 Millionen Franken einer langjährigen Kundin veruntreut. Ihr Adoptivsohn kämpft nun um Entschädigung.

Antonello Moser Faraone vor der Migros-Bank in Bern. (Bild: Beat Mathys)

Wahrscheinlich glaubte der Bankdirektor (Name der Redaktion bekannt), bei dieser Kundin könne er sich unbemerkt bedienen. Sonja Carmeli Moser war bereits 83 Jahre alt, Witwe und kinderlos. Aufgewachsen in Arni, hatte sie geerbt, wurde Schauspielerin in Italien, heiratete den Opernsänger Boris Carmeli und lebte mit ihm seit Jahrzehnten in Rom.

 

Sie hatten verschiedene Bankkonten. Ihr Ehemann starb 2009. Ihr Kundenberater bei der Migros-Bank in Bern hat das hier deponierte Geld veruntreut: gegen 2 Millionen Euro und knapp 1 Million Franken.

 

Aufgeflogen ist das damalige Mitglied der Geschäftsleitung, das auch Leiter Premium Banking der Region Mittelland war, weil seine Kundin nach dem Tod des Ehemannes doch noch einen Erben bestimmte.

 

Sie adoptierte den langjährigen Freund und Nachbarn in Rom, Antonello Moser Faraone. Er half ihr schon seit geraumer Zeit bei der Haushaltsführung, ist Notar und begleitete sie ab Anfang 2015 bei ihren seltenen Besuchen bei der Migros-Bank in Bern.

 

Ein besonderer «Tresor»

Der Adoptivsohn schöpfte Verdacht, als der Banker von Geldern in einem «besonderen Tresor» sprach und Auszüge teils handschriftlich ergänzte. «Ich verlangte eine Zusammenstellung, auf der alle Vermögenswerte bestätigt werden», sagt Moser Faraone. Der Bankdirektor habe zwar mehrfach bestätigt, dass die Gelder noch vorhanden seien. Doch das war falsch, wie sich später herausstellte.

 

Wie genau lief der Betrug ab? Im Jahr 2013 überzeugte der Banker seine langjährige Kundin, wegen der anhaltend tiefen Zinsen keine weiteren Anlagen mehr zu halten. Sie solle die Gelder von ihrem Anlagespar- und vom Privatkonto sukzessive in einen besonderen Tresor übertragen, den die Migros-Bank angeblich ihren Kunden zur Verfügung stelle und der sich in Zürich befinde.

 

In der Folge stimmte Sonja Carmeli Moser sieben Transfers in den Tresor zu, die nach Angaben des Bankdirektors in Bargeld zu erfolgen hatten. Die grössten Bezüge waren 900000 Franken im September 2013 und 792'000 Euro im Mai 2014. Das geschah in den Räumlichkeiten der Stadtberner Filiale der Migros-Bank, wie ihr Adoptivsohn festhält.

 

Es sei nicht um Schwarzgeld gegangen, das Vermögen sei bei den italienischen Steuerbehörden deklariert gewesen, betont Antonello Moser Faraone. Umso erstaunlicher sei es, dass der Bankdirektor so grosse Summen in bar habe beziehen können. Offenbar konnte er die internen Prozesse wegen seiner hohen Position umgehen und Untergebene dazu drängen, die Barauszahlungen zu ermöglichen.

 

Sonja Carmeli Moser unterschrieb jeweils Auszahlungsbelege. Und sie vertraute darauf, dass ihr Kundenbetreuer die Gelder in ihrem Tresor deponiert. Dazu erhielt sie zum Beispiel nach der ersten grossen Abhebung von 900'000 Franken eine Dienstleistungsübersicht, auf der der Bankdirektor per handschriftliche Ergänzung bestätigte, dass ein Barvermögen in dieser Summe ebenfalls vorhanden sei.

 

Doch statt in einen angeblichen Tresor seiner Kundin in Zürich transferierte er das Geld in ein eigenes Depot bei der Migros-Bank in Bern, welches auf seinen eigenen Namen lautete.

 

Verzögerungstaktik

Anfang 2017 wollte Antonello Moser Faraone die Gelder aus dem «Tresor» auf die alten Konten seiner Mutter zurücktransferieren lassen, weil er immer misstrauischer geworden war.

 

Der Bankdirektor habe darauf mit einer Verzögerungstaktik reagiert: Zuerst erklärte er, es könnten nur 100'000 Franken auf einmal transferiert werden. Das tat er zwar mit dem Transfer von 45'000 Franken und 45'000 Euro. Dann ging aber länger nichts mehr.

 

Antonello Moser Faraone hakte nach. Und er erhielt die Antwort, dass «aus Gründen der Compliance» die Konten in den nächsten Tagen gesperrt werden müssten. Es habe Probleme mit den Namen gegeben, es müsse deshalb eine neue Bankbeziehung eröffnet werden. Bis für die Kontoeröffnung die Unterlagen eintrafen, vergingen Wochen, trotz mehrmaligen Nachfragens.

 

Mosers retournierten dann die unterschriebenen Unterlagen umgehend. Nach einigen Wochen informierte sie ihr langjähriger Kundenberater, dass die Migros-Bank «aus rechtlichen Gründen» keine neue Kundenbeziehung für sie eröffnen könne, und kündigte an, die bestehende Geschäftsbeziehung aufzulösen.

 

Antonello Moser Faraone schaltete daraufhin einen Anwalt ein. So erfuhren er und seine Mutter dann vom Vorgesetzten ihres Bankkundenberaters, dass gar kein Tresor existierte und es auch keine Vermögenswerte ausser den ausgewiesenen gebe.

 

Die Bank nehme den Fall aber sehr ernst. Drei Wochen später, im September 2017, teilte die Migros-Bank den beiden mit, dass sie nach eingehender Prüfung keine Unregelmässigkeiten festgestellt habe. Der Bankdirektor sollte kurzum frühpensioniert werden.

 

Mosers reichten Strafanzeige gegen ihn ein. Der zuständige Berner Staatsanwalt für Wirtschaftsdelikte fuhr schweres Geschütz auf und eröffnete sogleich ein Strafverfahren wegen qualifizierter Veruntreuung.

 

Er nahm den Bankdirektor in Untersuchungshaft, liess dessen Haus am Bielersee durchsuchen, beschlagnahmte verschiedene Vermögenswerte – darunter mehrere teure Autos – und sperrte auch dessen Konten und Tresorfächer.

 

Das Geständnis

Der Bankdirektor legte in der Einvernahme ein umfassendes Geständnis ab: Er habe die Gelder seiner Kundin für persönliche Bedürfnisse verwendet und vollständig aufgebraucht, sagte er gemäss Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen.

 

Nach seinem Geständnis wurden auch seine Pensionskassengelder von über 1 Million Franken beschlagnahmt. Und der Grundbucheintrag seines Hauses am Bielersee wurde gesperrt, sodass er es nicht einfach verkaufen oder Angehörigen verschenken kann.

 

Antonello Moser Faraone fordert eine Entschädigung: 985000 Franken plus rund 1,4 Millionen Euro zuzüglich Zinsen von 5 Prozent ab den angeblichen Transfers der Gelder in den «Tresor». Denn für diese Summen liegen Auszahlungsbelege vor.

 

Etwa eine halbe Million Euro ist darüber hinaus verschwunden. Zahlen solle die Migros-Bank, die stets Vertragspartnerin gewesen sei, fordert Antonello Moser Faraone. Es sei dann an der Bank, Regress auf ihren fehlbaren Direktor zu nehmen, sagt der 64-Jährige. Womöglich gebe es noch weitere Opfer.

 

Migros-Bank schweigt

Diese Zeitung hat die Migros-Bank und deren Anwalt um Stellungnahme zu der Klage und der Frage nach ihrer Mitschuld gebeten. Nach mehreren Anfragen hiess es einzig: «Wir nehmen zu allenfalls laufenden Verfahren keine Stellung.»

 

So kommt es zum Verhandlungstermin vor Handelsgericht am 20. August. Sonja Carmeli Moser erlebt dies nicht mehr. Sie ist Anfang 2019 verstorben.


Autor:in
Julian Witschi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 15.07.2019
Geändert: 15.07.2019
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