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Kathrin Wullschleger-Reinhard aus Bantigen: "Und dann einfach mal loslegen"
Keine Ausreden mehr nach den Eisheiligen: Wer eine Gartenoffensive starten will, muss es jetzt tun. Damit sie auch gelingt, erläutert Bio-Gärtnerin Kathrin Wullschleger zentrale Punkte und verrät exklusiv ein paar Tricks.
Frau Wullschleger, Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia zeigten sich von Mittwoch bis Pfingsten von ihrer nasskalten Seite. Aber jetzt, wo die kalte Sophie, die letzte der fünf Eisheiligen, hinter uns liegt, gibt es in Sachen Garten kein Halten mehr. Richtig?
Fast. Mit Stangenbohnen wäre ich noch etwas vorsichtig. Die sind empfindlich.
Seit unserem ersten Gespräch sind zwei Monate vergangen. Wer damals in einer Saatschale Tomaten oder andere Gemüse ansäte, hat nun Setzlinge. Wie pflanzt man die jetzt?
Bleiben wir bei den Tomaten. Die Setzlinge sind jetzt etwa 15 Zentimeter hoch. Man gräbt ein Loch und pflanzt sie mitsamt den ersten fünf Zentimetern des Stängels in die Erde. Zu jedem Setzling gehört ein Stecken, an den man die Pflanze später laufend anbinden kann. Ist der Boden locker, kann man von Hand pflanzen; ist er schwer, nimmt man eine Kelle. Das Pflanzloch muss etwas grösser sein als der Wurzelballen, damit er genug Platz findet und lockere Erde um sich hat.
Gilt dieses Schema generell?
Im Prinzip ja, ausser was die Setztiefe anbelangt. Und die meisten Gemüse benötigen auch keine Kletterhilfen. Kohl, Kabis, Blumköhli und Brokkoli setzt man deutlich weniger tief als Tomaten, aber doch so, dass der Wurzelballen im Boden verschwindet. Man häuft die Erde sogar noch ein wenig an, um die Standfestigkeit zu verbessern. Bei Salat, Fenchel oder Kohlrabi muss der oberste Teil des Ballens knapp sichtbar bleiben; so erhält man schönes Gemüse.
Aber nach den Eisheiligen kann man Gemüse auch direkt aussäen?
Klar. Rüebli, Randen, Buschbohnen, Erbsen, Kefen, Kresse, Radieschen, Schwarzwurzeln, Chicorée, Spinat oder Nüssler sät man direkt in die Beete.
Und bei welchen Gemüsen benötigt man Setzlinge?
Zum Beispiel bei Blumenkohl, Brokkoli, Chinakohl, Kabis, Kopfsalat, Lauch, Peperoni, Sellerie, Tomaten, Auberginen oder Zuckerhut. Und dann gibt es Gemüse, wo beide Methoden gebräuchlich sind – etwa bei Bohnen, Zucchetti, Zuckermais oder Küchenkräutern.
Was setzt man am besten wo?
Das ist ein wichtiges Thema: Die verschiedenen Gemüse benötigen unterschiedlich viele Nährstoffe. Pflanzen, die viel aufnehmen, nennt man Starkzehrer. Dann gibt es Mittel- und Schwachzehrer.
Was heisst das für die Planung?
Am besten teilt man den Garten in drei Bereiche ein. So ergibt sich über die Jahre hinweg eine Rotation.
In welche Richtung wird rotiert?
Von schwach nach stark. Die Schwachzehrer kommen somit im Folgejahr in den Bereich, wo die Mittelzehrer waren.
Aber dann ist der Boden nach drei Jahren komplett ausgelaugt.
Nein. Es ist so, dass Leguminosen, die in der Gruppe der Schwachzehrer vorhanden sind, wie etwa Bohnen, Kefen oder Erbsen, Stickstoff aus der Luft nehmen und dem Boden zurückgeben. Das ist gewissermassen Gratisdünger, der sich an ihren Wurzeln ansammelt. Wichtig ist deshalb, dass man die Pflanzen im Herbst nicht mitsamt der Wurzeln ausreisst, sondern sie bloss abschneidet.
Und das Konzept mit Brachflächen. Gibt es das im Gartenbau auch?
Wer Platz genug hat, kann die Fruchtfolge tatsächlich auf vier Jahre ausdehnen und im vierten Jahr zum Beispiel Phacelia ansäen. Die Phacelia ist eine Pflanze, die sehr viel Nektar produziert und zur Bienenweide wird. Zudem ist sie eine sogenannte Gründüngungspflanze. Sie nutzt Nährstoffvorräte gut aus und lässt nach ihrer Verrottung Nachfolgepflanzen davon profitieren.
Kommen wir zur Frage des Giessens.
Wichtig: Ist es heiss und trocken, muss man ein Beet nach dem Bepflanzen ausgiebig giessen.
Was heisst ausgiebig?
Damit meine ich zwei bis drei Giesskannen pro Quadratmeter.
Stimmt es, dass man nicht tagsüber giessen soll?
Ja. Am besten giesst man am Morgen früh. So können die Pflanzen am Tag abtrocknen. Das Risiko von Pilzkrankheiten wird minimiert. Giesst man aber am Abend, erhöht es sich, weil die Pflanzen nachts nicht gut abtrocknen können.
Und warum tagsüber nicht?
Erstens läuft es auf eine Verschwendung von Wasser hinaus, weil ein Teil gleich verdunstet. Zweitens besteht die Gefahr von Verbrennungen auf den Blättern.
Verbrennungen durch Wasser?
Tropfen, die auf Blättern haften, wirken wie Lupen und bündeln die Sonnenstrahlen. Beim Salat ist das ein Problem.
Ein Problem sind auch Schnecken.
Ja, die Schnecken. Wichtig ist, um die Beete herum kein Gras wachsen zu lassen, wo sie sich verstecken können. Unsere Gemüsefelder halten wir deshalb so sauber wie möglich.
Wie gehen Sie im Hausgarten gegen Schnecken vor?
Da sammle ich sie ein und übergiesse sie mit kochendem Wasser. Mit dieser Methode sind sie sofort tot. Es gibt Leute, die werfen sie in kaltes Wasser. Das ist aus meiner Sicht keine gute Lösung. Entweder verenden sie kläglich, oder dann schaffen es einige doch wieder heraus.
Und mit Salz bestreuen?
Niemals. Das muss für sie eine Qual sein.
Was halten Sie von der Idee, die Schnecken einzusammeln und sie in einen Wald zu verfrachten – oder in die Nachbargemeinde?
Wenn Sie genug Zeit dafür haben und das wollen – nur zu. Aber für mich hört die Tierliebe irgendwo auch auf.
Der liebevoll gepflegte Garten wird ja nicht nur von Schnecken bedroht. Läuse sind doch auch ein Thema?
Sie sind der Klassiker. Bei gestressten Pflanzen sind Läuse rasch zur Stelle. Bohnen sind besonders gefährdet.
Sie haben bestimmt ein Gegenmittel.
Schmierseife funktioniert recht gut.
Einfach mit der Giesskanne drüber?
Nein. Man verwendet am besten eine kleine Sprühflasche, wie man sie fürs Fensterreinigen braucht. Eine andere Methode besteht darin, frische Brennnesseln in einem Zuber in Wasser einzulegen und ein paar Tage gären zu lassen. Diese Brennnesseljauche kann man im Verhältnis 1 zu 10 verdünnen und mit der Giesskanne anwenden. So werden die Pflanzen natürlich gestärkt.
Dann stellen Sie als Biogärtnerin im Grunde genommen Spritzmittel her?
Ja, aber solche, die nicht giftig sind. Die Zwischentriebe der Tomaten, die man ausbricht, die sogenannten Geiztriebe, kann man ebenfalls zerquetschen und im kaltem Wasser drei Stunden ziehen lassen. Man nimmt zwei Hände voll Blätter und Geiztriebe auf zwei bis drei Liter Wasser. Das ergibt ein Spritzmittel gegen Schmetterlinge und Raupen des Kohlweisslings. Um eine gute Wirkung zu erzielen, muss man zur Flugzeit der Kohlweisslinge die Pflanzen alle zwei Tage mit der unverdünnten Brühe übergiessen. Oder nehmen Sie frische Salbeiblätter und kochen Sie damit Tee. Dieser eignet sich für die Bekämpfung von Wurzelschädlingen und stärkt die Pflanze ganz allgemein. Im Bio-Gartenbau gibt es viele Möglichkeiten, Probleme ohne Chemie zu lösen. Und manche Methoden sind auch noch ganz raffiniert.
Woran denken Sie?
Wie man Nützlinge gegen Schädlinge ins Feld führen kann. Zum Beispiel Marienkäferlarven gegen Läuse.
Wie funktioniert das?
Die Larven kann man im Internet bestellen. Sie werden in Brieflein geliefert. Bevor die Larven sich dann verpuppen, fressen sie ziemlich viele Läuse. Und die erwachsenen Marienkäfer legen dann wieder dort Eier, wo es Läuse gibt.
Dann ist der Bio-Gärtner fast so etwas wie ein kleiner Armeechef.
Es gibt viele Nützlinge, die man auf diese Weise ausbringen kann. Will man diese Methoden anwenden, muss man seinen Garten aber gut beobachten. Es ist wichtig schon dann zu reagieren, wenn ein Problem noch nicht allzu gross ist.
Übers Jäten müssen wir noch reden. Auch das ist ein ewiges Thema.
Am besten ist es, wenn man sich immer ein bisschen Zeit dafür nimmt. Wir gehen alle 14 Tage mit dem Hackgerät durch die Pflanzungen, sofern der Boden trocken ist. Gewinnen die Unkräuter die Oberhand, wird es schwierig. Dann beginnen sie, die Nutzpflanzen zu konkurrenzieren, was den Ertrag schmälert. Ein klein wenig Unkraut dagegen schadet nicht, es hilft dem Boden sogar. Nährstoffe werden weniger ausgewaschen und die Erosion wird verringert.
Wie lautet nun Ihr wichtigster Tipp für einen gelungenen Gartenstart?
Sich für die Gemüsesorten entscheiden, die man gern isst, sich im Klaren sein, ob es Schwach-, Mittel- oder Starkzehrer sind – und dann einfach mal loslegen.
Informationen zu Nährstoffbedarf, Saattechnik und Gärtnerin
Gemüsepflanzen werden in drei Kategorien eingeteilt, je nachdem wie viele Nährstoffe sie dem Boden entziehen. Starkzehrer sind: Kohlarten, Gurken, Kartoffeln, Lauch, Sellerie, Kürbis, Zucchini, Tomaten, Rhabarber. Mittelzehrer sind: Zwiebeln, Möhren, Fenchel, Salate, Spinat, Schwarzwurzeln, Kohlrabi, Paprika, Melonen. Schwachzehrer sind: Kresse, Radieschen, Knoblauch, Nüssler, Steckzwiebeln, Bohnen und Erbsen (Leguminosen), Kräuter.
Für das Direktaussäen – die Samen werden direkt ins Beet ausgebracht – gibt es drei Methoden. Breitsaat: Die Samen werden verstreut (z. B. Nüssler, Radieschen). Reihensaat: Die Samen werden in Furchen gelegt, die man mit dem Finger oder einem Werkzeugstil ins Beet zieht (z. B. Randen: Abstand zwischen den Samen – eine Daumendicke. Abstand zwischen den Reihen – 20 Zentimeter). Tellersaat: Bei Stangenbohnen werden zirka zwölf Samen in einem Kreis um die Stange herumgesät. Für die Bedeckung der Samen mit Erde gibt es eine Faustregel. Die Bedeckung soll anderthalb mal so dick sein wie der Durchmesser der Samen.
Kathrin Wullschleger-Reinhard führt in Bantigen einen Bio-Bauernhof. Die 31-Jährige ist gelernte Staudengärtnerin und Bäuerin. Auf über 13 Hektaren baut sie mit ihrer Familie und Teilzeitangestellten Gemüse, Getreide, Obst und Blumen an. Verkauft wird direkt ab Hof und jeweils am Mittwochmorgen in Bolligen an einem Marktstand.
Erstellt:
17.05.2016
Geändert: 17.05.2016
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