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Margrit Zürcher Marti: Zeit für Reisepläne ohne Terminkalender
Margrit Zürcher Marti hat nach 36 Jahren ihr Amt als Gemeindeschreiberin weitergegeben. Sie kam eher aus Zufall nach Landiswil, blieb dann aus Freude und wurde quasi zur Seele der Gemeindeschreiberei. Im Frühsommer ist sie in den Ruhestand getreten. Die Frau mit dem feinen Gespür für Menschen blickt zurück und nach vorne: Sie freut sich, Neues anzupacken.
Noch gut erinnert sich Margrit Zürcher Marti, 65, an ihren ersten Arbeitstag als Landiswiler Gemeindeschreiberin: An ihr Büro, das sich damals noch im Erdgeschoss der alten Gemeindeschreiberei am Dorfplatz befand. An die elektrische Schreibmaschine und die Aktenablagen. «Das Sitzungszimmer der Gemeinde befand sich im Schulhaus, und für die Ratssitzungen mussten die Unterlagen dorthin gebracht werden», erzählt sie. Eigentlich sei schon länger klar gewesen, dass es dort zu eng würde.
Der grosse Umzug
Das Haus mitten im Dorf bot jedoch keinen Platz für einen Anbau, und so fasste die frisch angestellte Gemeindeschreiberin kurzum die Aufgabe, gemeinsam mit dem Architekten und der Beratungsfirma die neuen Büros zu planen. Das gefiel ihr, und als im Februar 1992 alles fertig war, half sie, all die Kisten zu packen und die Gemeindeschreiberei mit Sack und Pack in die neuen Räumlichkeiten beim Schulhaus zu zügeln. Dort sind sie noch heute.
Eine Reihe von glücklichen Zufällen
Dass Margrit Zürcher überhaupt in Landiswil landete, war vor allem einer Reihe von glücklichen Zufällen zu verdanken. Und dass sich dabei ihr grosser Berufswunsch erfüllte, sei der glücklichste Zufall von allen gewesen: «Nach der Primarschule und einem Haushaltungslehrjahr im Welschland bin ich in eine KV-Ausbildung in einem Textilfabrikationsbetrieb in Melchnau hineingerutscht.»
Wo auch immer Landiswil liegt ...
Und das Glück begleitete sie weiter. Ihre zweite Stelle nach Abschluss der Ausbildung führte sie nach Walkringen, just in die Gemeindeschreiberei. Und dort kam sie ihrem Traum schon ganz nah: Bald fing sie eine Weiterbildung als Gemeindeschreiberin an, und noch während der Ausbildung stiess sie auf eine Stellenausschreibung als Gemeindeschreiberin. Ohne zu zögern, bewarb sie sich, «und dabei wusste ich nicht einmal genau, wo Landiswil eigentlich liegt!».
Vier Gemeindepräsidenten und keine Präsidentin
Damals ahnte sie noch nicht, dass es ihr in diesem 630-Seelen-Dorf «hinter dem Hoger» so gut gefallen würde, dass sie dort hängenblieb. Inzwischen hat Margrit Zürcher in ihrer 36-jährigen Amtszeit vier Gemeindepräsidenten erlebt, «aber leider keine Gemeindepräsidentin», wie sie augenzwinkernd bemerkt. Das sei nicht immer einfach gewesen: Jeder Präsident und auch jedes neue Gemeinderatsmitglied habe jeweils eine neue Dynamik mitgebracht. «Da muss man sich immer wieder neu einstellen und herausfinden, wie alle ticken.»
Ein Glücksfall – für alle Seiten
Ihr gelang das immer gut. «Ich sehe es als Glücksfall, dass wir immer zusammen den Rank gefunden haben.» In den letzten Jahren gelang das besonders gut, das betonte auch der aktuelle Gemeindepräsident Samuel Wittwer in seiner Abschiedswürdigung: «Margrit hatte immer für alle Sorgen der Bevölkerung ein offenes Ohr. Ihr Einsatz ging weit über das Übliche hinaus», lobt er. Sie habe «trotz oft harter Materie immer Wärme und Menschlichkeit ausgestrahlt», sei nie auf harten Paragrafen herumgeritten, sondern habe immer gerechte Lösungen für alle angestrebt. Er findet: «Für uns war sie ein Glücksfall.»
Zwischen Stapeln …
Auch Margrit Zürcher war mit ihrer Arbeit glücklich: Sie liebte die Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen, und ihr gefiel, dass es in einer kleinen Gemeinde wie Landiswil keine Abteilungen gibt. «Die Palette ist breit, der Alltag oft überraschend, und man weiss nie, was als Nächstes kommt.» Zugleich heisst das aber auch: «Wenn eine Lösung gefunden ist, bleibt keine Zeit zum Verschnaufen, denn schon wartet der nächste Stapel.»
… und Ortsplanung und Baukommission
Schnell übernahm sie immer wieder neue Aufgaben: Beim Bau des Mehrzweckgebäudes 1994/95 rutschte sie kurzerhand ins Baukommissionssekretariat und machte sich in diesem Gebiet kundig. Auch als die Bauvorschriften strenger wurden und Landiswil zwischen 2008 und 2013 erstmals eine klare Ortsplanung erhielt, war Margrit Zürcher mittendrin und half beim Planen. «Das war eigentlich die grösste Veränderung in der Gemeinde zu meiner Amtszeit», sagt sie heute.
Beruflich und privat viel los
Es sei spannend gewesen, aber sehr streng: Gleichzeitig bauten sie und ihr Mann Hans Marti privat ihr Haus in Walkringen, und heute fragt sie sich manchmal, wie sie alles geschafft hat. Auch die Belastung bei der Arbeit wuchs, nach dem Bau des Mehrzweckgebäudes spitzte sich ein finanzieller Engpass in der Gemeinde zu. Ein neu eingesetzter Gemeindeverwalter sollte die Verantwortung übernehmen – und Margrit Zürcher wurde das Ganze zu viel: Sie kündigte und verliess Landiswil für zwei Jahre.
Landiswil wollte sie zurück
Doch das Modell der Gemeindeverwaltung funktionierte nicht, Landiswil wollte wieder seine Gemeindeschreiberin zurück. Und Margrit Zürcher kam. Die Arbeit auf dem Regierungstatthalteramt Langenthal habe ihr ohnehin nicht besonders gefallen: «Zu lange und sture Wege», sagt sie, und es sei schön gewesen, wieder zurück zu sein bei den Landiswilerinnen und Landiswilern. Seit Januar 2000 war sie wieder offiziell Gemeindeschreiberin, zuletzt noch im 60-Prozent-Pensum.
Der Mensch im Mittelpunkt
Als «Neun-bis-Fünf-Job» sah Margrit Zürcher ihre Arbeit als Gemeindeschreiberin aber nie: «Es war eine Aufgabe, ein Engagement, und manchmal auch eine Herausforderung», sagt sie. Am schönsten war für sie immer der direkte Kontakt mit der Dorfbevölkerung. Aber sie freute sich auch, wenn sie Projekte vorwärtsbringen und Hindernisse aus dem Weg räumen konnte – «das hat mich erfüllt».
Von der Schreibmaschine zur EDV
Besonders freute sie, wenn die Teamarbeit funktionierte, wenn sie Qualitäten kombinieren konnte. «Der Austausch mit Menschen trägt mich.» Ihre Arbeit jedoch wandelte sich: Die Schreibmaschine machte dem Computer Platz, und mit der Digitalisierung wurde alles immer schneller. Sie schmunzelt: «EDV-Probleme und Bau-Sachbearbeitung werden mir nicht fehlen.» Solche Aufgaben hat sie seit dem Frühjahr gerne an ihren Nachfolger Antonio Corvaglia abgegeben.
Kein Kind aus Rumänien …
Wie bei der Arbeit erlebte Margrit Zürcher in all den Jahren auch privat Höhen und Tiefen. In eine grosse persönliche Krise geriet sie, als das Adoptionsverfahren mit einem Kind aus Rumänien scheiterte. Das ist jetzt über zwanzig Jahre her, aber es berührt sie immer noch, als sie von der grossen Hoffnung und noch grösseren Enttäuschungen erzählt. Gemeinsam mit ihrem Mann konnte sie dann die Kurve nehmen: Das Paar unternahm lange Reisen nach Chile und suchte zusammen einen neuen Weg.
… dafür Ferienkinder aus Frankreich
Und tatsächlich fanden sie eine schöne Möglichkeit: 2007 übernahmen die Zürcher Martis bei Kovive eine Ferienpatenschaft für ein französisches Zwillingspaar. «Die beiden – Bruder und Schwester – verbrachten ihre Ferien bei uns, wir unternahmen mit ihnen Velotouren oder brachten ihnen das Schwimmen bei», erzählt sie. Der Kontakt ist bis heute geblieben, erst kürzlich besuchte sie ihren Gastsohn im französischen Lille.
«Dann kommst du heim!»
Auch sonst war ihr Mann ihr immer eine wichtige Stütze: Beispielsweise, wenn sie vor einer Gemeinderatssitzung Stress hatte und sich fragte, ob sie wirklich an alles gedacht habe. Er sei ihr Anker gewesen, sagt sie heute, und habe sie immer aufgemuntert und gesagt: «Wenn sie blöd tun, kommst du einfach wieder heim.» Seit seinem Tod vor vier Jahren hat sie sich angewöhnt, vieles allein zu unternehmen, aber sie vermisst ihn und seinen Rückhalt sehr.
Langweilig wird ihr nicht
Längst ist Margrit Zürchers Abschiedsfest vorbei. Und was kommt jetzt? Sie lacht und zählt auf: Krimis lesen, Musikhören, vielleicht wieder mit Tanzen anfangen, mit der Schwester und dem Schwager Velofahren. Langweilig, soviel ist klar, wird ihr keinesfalls. «Und ich möchte wieder regelmässig im See schwimmen gehen, sogar bei 14 Grad – nur werde ich dann nicht gerade einen Kilometer schwimmen!»
Gemeinderatssitzungen ohne sie
Vor allem freut sich Margrit Zürcher auf Zeit und auf Freiheit. Flugreisen in teure Ferienresorts mag sie nicht, aber sie überlegt, ob sie demnächst einmal nach Portugal, Spanien oder in den Norden reisen könnte. «Ich bin gern mit Zug und Fähre unterwegs.» Sie nickt und schmunzelt: «Ja, vielleicht könnte ich auch einmal länger nach Apulien reisen – diesmal ganz ohne Rückreisedatum wegen einer Gemeinderatssitzung.»
Erstellt:
08.08.2025
Geändert: 08.08.2025
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