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Milchbäuerin: "Für einen Liter kriegen wir 72 Rappen"

Wir sitzen in der Küche des Bauernhofs Lochmatt ob Biglen. Als mir Beatrice Eichenberger einen Kaffee anbietet und ich den schwarz wünsche, meint sie, das sei schon falsch. Da müsse Milch rein, sagt sie lachend. Schon sind wir beim Thema. Es geht um Milch.

Beatrice Eichenberger: "Jede Kuh hat ihren Charakter." (Bilder: Rolf Blaser)
"Wir schauen gut zu den Tieren, denn nur so produzieren die Kühe feine Milch."

Auf Eichenbergers Hof kümmert sich Beatrice um die Milchkühe, ihr Mann Jürg besorgt die Feldarbeit. Die Kühe werden morgens um halb sechs und abends um fünf von ihr per Maschine gemolken.

 

BERN-OST: Wie viele Kühe haben Sie?

Beatrice Eichenberger: Wir haben 35 Milchkühe. Momentan haben wir noch fünf Kälber, acht Guschti sind auf einem anderen Betrieb, weil uns der Platz fehlt.  

 

Ab wann wird aus einem Kalb ein Guschti?

Ein Kalb ist während sechs Monaten ein Kalb. Zwischen sechs und 24 Monaten ist es ein Guschti. Wenn das Guschti (oder Deutsch: Rind) erstmals gekalbert hat, wird es zur Kuh.

 

Warum halten Sie Milchkühe?

Das war schon immer so. Auch der Vater und Grossvater von Jürg hatten Milchkühe. Wir brachten die Milch immer nach Biglen in die Chäsi. Seit drei Jahren wird in Biglen nicht mehr gekäst. Nun holt die Eyweid AG aus Zäziwil unsere Milch ab.

 

Was passiert mit der Milch?

Die wird von der Käserei Eyweid verkäst. Sie und Jumi vermarkten den Käse.

 

Welcher Käse wird davon hergestellt?

Das Eyweid- und das Jumi-Team sind begeisterte Käser, das sind Freaks, sie sind innovativ und haben Freude am Käsen. Die Käsi Biglen produzierte aus unserer Milch vor allem Emmentaler Käse. Seit der Aufhebung der Milchkontingentierung hat sich das verändert. Viele Emmentaler Käsereien mussten schliessen. Die Käserei Eyweid produziert viele verschiedene Käsesorten wie Aarewasser, Appenberger Käse oder Weichkäse. Der Käse wird von Jumi vermarktet. Auf dem Märit in Bern und sogar international. Sie betreiben auch Käseläden in London und Wien.

 

Und in der Käserei nehmen sie nicht jede Milch?

Käsereimilch ist und war immer Milch aus silofreier Produktion.

 

Sie sprechen von den plastikverpackten Silo-Heuballen?

Ja, das Grundfutter für viele Kühe ist Silofutter. Das Siloheu oder Silage ist gegärtes Gras. Unsere Kühe fressen im Sommer Gras auf der Weide, im Winter kriegen sie Heu, nie Silo. Zudem kriegen unsere Kühe auch Kraftfutter.

 

Was ist das?

Kraftfutter ist eine Mischung aus Getreide, Soja, Spurenelementen, Mais und Mineralstoffen. Wir haben eine Station, dort können die Kühe davon fressen.

 

Wohin geht die Silomilch?

Diese geht in den Industriekanal und wird von Emmi, Cremo oder Elsa verarbeitet.

 

Spürt man einen Unterschied zwischen Milch aus Silage oder Gras/Heu?

Ich denke schon, echtes Heu riecht gut. Da riecht man die Kräuter. Beim Silo ist das Ganze vergärt. Aber es muss für jeden Betrieb stimmen, wie er die Milch produziert. Es braucht Käse, Milch und die verschiedenen Milchprodukte. Der Preis macht am Ende den Unterschied.

 

"Sie können den Unterschied gerne probieren." Eichenberger steht auf und füllt ein Glas mit Milch aus dem Kühlschrank. "Diese Milch wurde heute Morgen gemolken, frischer geht es nicht." Ich oute mich als Milchmoudi, der jeden Morgen einen halben Liter Milch mit Schokopulver trinkt. Aber die stammt von Migros oder Coop. Erstmals in meinem Leben trinke ich frische Kuhmilch. Leider merke ich keinen Unterschied. Vielleicht ist sie dickflüssiger als die UHT-Drink Milch, kann sein, dass sie ein wenig mehr Geschmack hat. Um das zu vergleichen, sollte man blind aus zwei Gläsern kosten. Da Beatrice Eichenberger keine Coop Milch hat, lassen wir das.

 

Wieviel erhalten Sie für einen Liter Milch?

Der Käsereimilchpreis lag im letzten Jahr durchschnittlich bei 72 Rappen. Im Gegensatz dazu gab es für einen Liter Industriemilch 58 Rappen, für Biomilch 82 Rappen. Die grossen Milchverarbeiter bestimmen in der Schweiz den Preis. Bei uns kleineren Produzentinnen herrscht ein anderes Verhältnis. Ich will gute Milch produzieren und Glauser in Zäziwil will mir einen fairen Preis bezahlen.

 

Wie viele Liter Milch gibt eine Kuh pro Tag?

Wir haben keine Hochleistungskühe. Im Schnitt gibt eine Kuh 8'300 bis 8'500 Liter im Jahr. Unser Ziel ist eine gesunde, robuste Kuh zu haben, die einmal im Jahr kalbert.

 

Wie lange gibt eine Kuh Milch?

Ich denke, dass unsere Kühe im Schnitt etwa während sieben Jahren Milch produzieren. Wenn eine Kuh weniger Milch gibt, schauen wir, was mit der Kuh ist. Es kann sein, dass sie verletzt ist oder eine Entzündung hat. Wenn es nicht mehr geht, wird die Kuh "gmetzget".

 

[i] Der Hof Lochmatt ob Biglen, wird von Beatrice und Jürg Eichenberger betrieben. Sie halten Milchkühe, betreiben Futter-, Ackerbau, Lohnarbeiten und Schweineproduktion. Zudem halten sie Hühner für den Eigenbedarf. Beatrice Eichenberger (BDP/Mitte) wurde 2018 in den Grossrat gewählt. Davor war sie während zwölf Jahren Gemeinderätin in Biglen.

 

[i] Chäsi Eyweid AG, Zäziwil

[i] Jumi Käse, Boll

 


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 04.09.2021
Geändert: 04.09.2021
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