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Mühle Hunziken - Nachhaltiger als seine Streitlust war sein Fördergeist

Quelle
Thuner Tagblatt

Vom Selbstversorgungsbiotop zur Berner Institution mit internationaler Ausstrahlung: Mit der Mühle Hunziken hat Peter Burkhart etwas Grossartiges geschaffen. Würdigung seines Lebenswerks.

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Nachdem er die Mühle abgegeben hatte, wanderte Peter Burkhard alias «Mühli-Pesche» nach Südfrankreich aus. (Bild: Urs Baumann)

Offizier war er und als Bauingenieur zuständig für die Planung von Autobahnanschlüssen. Doch eines Tages zerschnitt Peter Burkhart seine militärische Galauniform, webte einen Teppich daraus, kaufte eine Mühle und lernte das Müllern. Burkhart gehörte zu einer Generation, die sich Mühe gab, ein unverkrampfteres Verhältnis zum Leben zu pflegen, als das die Generationen vor ihr getan hatten.

Lust und Liebe waren in ihren Augen nicht mehr zwingend verbunden, Geld verdienen nicht mehr das Höchste aller Dinge – aber auch nicht unwillkommen. Die WG in der alten Futtermühle in Rubigen, einem Haus, das 1480 erstmals erwähnt ist und in der heutigen Form seit 1837 existiert, wurde nach und nach vom Selbstversorgungsbiotop zur Berner Institution.

Seit 1976 läuft dort ein Kulturbetrieb, der mehr war als eine regionale Attraktion, der national und gar international ausstrahlte. Die Liste der Weltstars aufzuführen, die in Rubigen auftraten, würde mehr Platz brauchen, als hier zur Verfügung steht. Chet Baker, Cesaria Evora, Dave Brubeck, Astor Piazzola, Wolf Biermann, Georges Moustaki, Sapho und Sun Ra sind nur die klingendsten Namen. Namen, die für «Mühli-Pesche» besonders viel bedeuteten. «Grossartig!», pflegte er solch exklusive Anlässe anzukündigen. Nach dem Konzert lautete die Standardfrage: «Isch öpper mit em Zug cho?» Der Gastgeber organisierte auch Mitfahrgelegenheiten für sein Publikum. 

Anders als die andern

Dass sein Kulturbetrieb anders war als die andern, war für Burkhart selbstverständlich. Es war sein Programm, er sagte, wo es langging, er verhandelte direkt mit den Künstlern. Schriftliche Verträge waren unerwünscht, reguläre Vorverkaufsstellen ebenso. So wählte, wer eine Veranstaltung besuchen wollte, zwecks Reservation direkt die Telefonnummer des Lokals – wo der Hausherr selber ranging.

«Mühli Hunzike, Burkhart», lautete die Begrüssung, deren persönlicher Touch einzig durch den Nachsatz «Tschou, du ghörsch mi ab Tonband» relativiert wurde. Nach der traditionellen Sommerpause reiste das Stammpublikum nicht zuletzt darum an, zu erfahren, welchen neuen Umbau der Chef und sein Familienteam getätigt und welche Antiquitäten diesmal den Weg von einer Pariser Puce nach Rubigen gefunden hatten.

Ruhelos und streitlustig

Doch wer im «Heimatmuseum» (O-Ton eines Veranstalterkollegen) ein «bluemets Trögli» und ausnahmslos «Love & Peace»-Insignien erwartete, geriet an die falsche Adresse. Burkhart war auch ein Ruheloser und ein Streitlustiger, der polarisierte. Gerne ärgerte er sich über 68er, die nicht wie er zu Unternehmern geworden waren, sondern den Marsch durch die Institutionen angetreten hatten und als (Kultur-)Politiker staatliches Manna verteilten.

Dass die Mühle Hunziken in den Augen des «Establishments» bloss «die letzte Insel vor der Autobahn» (Eigenwerbung Burkhart) blieb, machte ihm zu schaffen, obschon er selber – fast – ohne Subventionen durchkam. Daran änderten auch einige späte Anerkennungen von Stadt, Kanton und gar der grosse Kulturpreis der Burgergemeinde Bern nichts.

Immer wieder legte sich Burkhart mit Autoritäten an, auch weil er dezidiert auf seine eigene pochte – sei es mit den Behörden, sei es mit Grössen der Berner Kulturszene, mit denen er sich verkrachte oder die er gar mit Hausverbot belegte. Doch nachhaltiger als seine Streitlust war sein Fördergeist. Die Berner Musikszene hatte in seinem Lokal einen Stammplatz. Zahlreiche in der Mühle aufgenommene Liveplatten zeugen davon. Für die Beteiligten war das eine Win-win-Situation: Burkhart hatte volles Haus, und die Bands spielten in einem der schönsten Konzertlokale Europas – nicht erst, wenn sie in Bern weltberühmt waren.

Wie viele seiner Generation flirtete Burkhart auch mit dem Tod. Er drapierte Totenschädel im Lokal und zelebrierte den mexikanischen «dia de los muertos». «…und weg!» : So wie sein Freund Ringsgwandl es auf der Bühne beschrieben hatte, würde er am liebsten gehen, liess Burkhart im Gespräch verlauten. Nun ist er weg. Traurig, dass dem schnellen Abgang eine lange, schmerzhafte Trennung vorangehen musste. Eine Mühle ohne Peter Burkhart konnte man sich schwer vorstellen. Einen «Mühli-Pesche» ohne die Mühle aber wird es nie geben.

[i] Siehe auch News-Artikel "Mühle Hunziken: "Mühli-Pesche" gestorben" vom 26.12.2014

 

 

Autor:in
Samuel Mumenthaler, Thuner Tagblatt
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Erstellt: 27.12.2014
Geändert: 27.12.2014
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