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Münsingen - Jungtalent, das fast niemand kennt
Der 20-jährige Thierry Roggen aus Münsingen ist einer der talentiertesten Kontrabassisten der Welt. Es stört ihn nicht, dass ihn hier zu Lande fast niemand kennt. Mühe hat er aber mit den Klischees über Musiker aus der Klassikszene.
Wäre er ein Sportler oder ein Schauspieler, würde die breite Öffentlichkeit ihn kennen: Denn der junge Mann aus Münsingen ist mindestens so talentiert wie Fabian Cancellara oder Bruno Ganz. Doch Thierry Roggen ist Kontrabassist und spielt in der unpopulären, klassischen Musikszene. Sie gilt bei vielen als abgehoben und massenuntauglich.
Bereits mit vier Jahren verfasste der heute 20-jährige Musiker seine erste Komposition. Vor kurzem gewann er beim renommierten Johann-Sperger-Wettbewerb in Deutschland als jüngster Finalteilnehmer den «Silberbogen».
Kontrabass nicht dabei
Beim Treffen im Café wirkt der Musiker anfänglich ausgelaugt. Mit bleichem Gesicht lässt er sich in den Sessel fallen. «Zwei Wochen Ferien. Zum Glück. Der Herbst war sehr intensiv», sagt er. Zuerst sei er eine Woche lang am Johann-Sperger-Wettbewerb «unter Strom gestanden», dann 13 Stunden Auto gefahren, um in Tschechien an einem Wettbewerb teilzunehmen, und schliesslich, zurück in der Schweiz, habe er mit seinem Spiel versucht, das Migros-Stipendium zu ergattern. «Das war alles andere als Spass und Muse.»
Seinen Kontrabass hat Roggen im Café nicht dabei. Dieser ist in Freiburg im Breisgau geblieben, wo er seit 2006 an der Musikhochschule in der Klasse des berühmten Kontrabassprofessors Bozo Paradzik studiert.
Zwei Wochen ohne üben, liegt das drin? «Auf jeden Fall», sagt Roggen, «denn ich habe jetzt Ferien.» Auch sonst sei der Übungsaufwand unterschiedlich gross: «Wenn schwierige Konzerte anstehen oder Wettbewerbe, dann kann es vorkommen, dass ich bis zu acht Stunden am Tag übe. Ansonsten tun es drei oder zwei Stunden manchmal auch.»
Thierry Roggens Nähe zur Musik kommt nicht von ungefähr: 1988 wurde er in eine klassische Musikerfamilie hineingeboren. Vater Dominique ist Dirigent und Dozent an der Hochschule für Künste in Bern. Mutter Barbara ist Geigerin und Musiklehrerin an der Musikschule Region Thun. Hobbymässig musiziert auch seine jüngere Schwester Annique.
Das Kontrabassspiel beigebracht hat ihm sein Onkel, der Kontrabassist Yves Roggen. Eine Musikschule hat der junge Virtuose nie besucht. «Ich weiss nicht, warum mich der Kontrabass schon so früh faszinierte», sinniert er. Seine Eltern hätten ihm erzählt, dass er bereits als Zweijähriger immer nach dem archaischen Instrument gegriffen habe. «Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich weiss nur, dass der Kontrabass mich bis heute nicht loslässt.»
Ein wenig Glück
Durch eine «zufällige und glückliche Begegnung», wie es Roggen nennt, lernte er den grossen Maestro des Kontrabassspiels, Gary Karr, kennen. Dessen Assistent, Emanno Ferrari, nahm ihn daraufhin unter seine Fittiche. Das Gymnasium Hofwil für Künstler und Sportler liess Roggen 2001 nach einem Jahr sausen und absolvierte stattdessen die Aufnahmeprüfungen für die Hochschule der Künste in Bern. Die Aufnahmeprüfung war erfolgreich: Roggen erhielt nur Sechser. Im März 2006 schloss der damals 17-jährige in der Klasse von Bela Szedlak sein Grundstudium ab.
«Keine elitärer Spinner»
Als Genie sieht sich Roggen nicht. Nach langem Überlegen sagt er: «Vielen Menschen fällt irgendetwas leicht im Leben. Ich habe einfach einen speziellen Zugang zur Musik. Es ist, als ob ich sie lesen könnte.»
Und was ist mit elterlichem Ehrgeiz? «Das kenne ich nicht. Ich durfte immer machen, was ich wollte. Meine Eltern haben mich nie gezwungen zu üben», sagt der Kontrabassist. Dies sei eines der vielen Klischees, die es über Musiker aus der klassischen Szene gebe. «Dabei ist das Problem des elterlichen Ehrgeizes vor allem bei Musikliebhabern zu suchen, nicht bei den professionellen Musikern», stellt Roggen klar.
Nun wird der Künstler lebendiger, seine Stimme stärker und die Gestik akzentuierter. «Wir sind auch keine elitären Spinner, die den ganzen Tag nur an Musik denken und in einer Traumwelt leben», ergänzt er. Zu Hause in Münsingen werde nie gemeinsam musiziert. Klassischer Musiker zu sein sei zwar ein sehr schöner Beruf, aber es gebe auch Tage, wo es einem einfach verleide. Trotzdem sei es eine angenehme Art, sein Geld zu verdienen.
«Nicht alles ist Kunst»
Neben klassischer Musik hört sich das Jungtalent auch andere Musik an. Vor allem im Radio während langen Autofahrten, in Restaurants oder in Geschäften zur Unterhaltung. Dass klassische Musik in der Gesellschaft nicht die ihr angemessene Anerkennung findet, bedauert Roggen zwar, beklagt sich aber nicht darüber. Mühe hat er, wenn gewisse Stars der Pop/Rock-Welt als «grosse Künstler» bezeichnet werden. «Ich habe nichts gegen diese Musik, und ich höre sie mir auch an. Aber was soll dabei Kunst sein, wenn man in ein Mikrofon Schlampe brüllt?»
Schade findet Roggen, dass viele Leute nicht wissen, dass die Basis der Mainstreamhits die Klassik ist. «Natürlich wird die Struktur stark vereinfacht. Sogar die Schlachtgesänge an Fussballmatches lassen sich aus italienischen Opern ableiten.»
Am Schluss des Gesprächs erwähnt der Münsinger noch, dass er im Sommer sein Studium abschliessen werde und dann gerne am Solistendiplom arbeiten möchte. Allerdings sei die Konkurrenz für einen der wenigen Plätze ziemlich stark. Und dann will er an seiner Fantasygeschichte weiterschreiben. Diese soll dereinst drei Bücher und drei Opern umfassen. Komponieren wird er diese selber. Die Zeit drängt, Roggen ist noch mit seiner Freundin verabredet. Sie ist auch Musikerin, spielt Harfe. «Wir sprechen nur ganz selten über Musik«, sagts und verschwindet in der Menschen-masse.
Steile Musikkarriere eines Virtuosen
Thierry Roggen spielt seit seiner frühesten Kindheit Kontrabass. Das Jungtalent hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen.
Mit zwei Jahren entdeckte Thierry Roggen seine Affinität zum Kontrabass. Mit vier verfasste er bereits seine erste Komposition. Mit zwölf Jahren gewann Roggen mit seinem Kontrabassspiel den ersten Preis beim Solothurner Musikpreis. Ein Jahr später errang er den Bärenreiterpreis und den ersten Preis mit Auszeichnung am Finale des Schweizer Jugendmusikwettbewerbs. 2004 ging er in Rotterdam als Gewinner des internationalen ESTA Student of the Year Award hervor.
Vor wenigen Wochen erreichte Roggen in Ludwigslust (Deutschland) am Johann-Matthias-Sperger-Wettbewerb seinen grössten Triumph. Der Wettbewerb gilt weltweit als bedeutendster Wettstreit für Kontrabassisten. Von 68 Teilnehmern schaffte er es nach einer Woche neben zwei weiteren Mitstreitern in die Finalrunde. Am Ende reichte es für den ausgezeichneten «Silberbogen». Als Solist tritt Roggen mit dem Kontrabasskonzert von Domenico Dragonetti sowie den beiden virtuosen Konzerten in fis-Moll und h-Moll von Giovanni Bottesini mit verschiedenen Orchestern auf zuletzt in Bottesinis «Grand Duo concertant» mit dem Zürcher Kammerorchester unter Howard Griffith. Dieses Jahr führte ausserdem das Schweizer Armeespiel seine Sinfonietta für Brass-Band auf.
Ein Artikel aus der
www.thierryroggen.ch
www.muensingen.ch
Bereits mit vier Jahren verfasste der heute 20-jährige Musiker seine erste Komposition. Vor kurzem gewann er beim renommierten Johann-Sperger-Wettbewerb in Deutschland als jüngster Finalteilnehmer den «Silberbogen».
Kontrabass nicht dabei
Beim Treffen im Café wirkt der Musiker anfänglich ausgelaugt. Mit bleichem Gesicht lässt er sich in den Sessel fallen. «Zwei Wochen Ferien. Zum Glück. Der Herbst war sehr intensiv», sagt er. Zuerst sei er eine Woche lang am Johann-Sperger-Wettbewerb «unter Strom gestanden», dann 13 Stunden Auto gefahren, um in Tschechien an einem Wettbewerb teilzunehmen, und schliesslich, zurück in der Schweiz, habe er mit seinem Spiel versucht, das Migros-Stipendium zu ergattern. «Das war alles andere als Spass und Muse.»
Seinen Kontrabass hat Roggen im Café nicht dabei. Dieser ist in Freiburg im Breisgau geblieben, wo er seit 2006 an der Musikhochschule in der Klasse des berühmten Kontrabassprofessors Bozo Paradzik studiert.
Zwei Wochen ohne üben, liegt das drin? «Auf jeden Fall», sagt Roggen, «denn ich habe jetzt Ferien.» Auch sonst sei der Übungsaufwand unterschiedlich gross: «Wenn schwierige Konzerte anstehen oder Wettbewerbe, dann kann es vorkommen, dass ich bis zu acht Stunden am Tag übe. Ansonsten tun es drei oder zwei Stunden manchmal auch.»
Thierry Roggens Nähe zur Musik kommt nicht von ungefähr: 1988 wurde er in eine klassische Musikerfamilie hineingeboren. Vater Dominique ist Dirigent und Dozent an der Hochschule für Künste in Bern. Mutter Barbara ist Geigerin und Musiklehrerin an der Musikschule Region Thun. Hobbymässig musiziert auch seine jüngere Schwester Annique.
Das Kontrabassspiel beigebracht hat ihm sein Onkel, der Kontrabassist Yves Roggen. Eine Musikschule hat der junge Virtuose nie besucht. «Ich weiss nicht, warum mich der Kontrabass schon so früh faszinierte», sinniert er. Seine Eltern hätten ihm erzählt, dass er bereits als Zweijähriger immer nach dem archaischen Instrument gegriffen habe. «Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich weiss nur, dass der Kontrabass mich bis heute nicht loslässt.»
Ein wenig Glück
Durch eine «zufällige und glückliche Begegnung», wie es Roggen nennt, lernte er den grossen Maestro des Kontrabassspiels, Gary Karr, kennen. Dessen Assistent, Emanno Ferrari, nahm ihn daraufhin unter seine Fittiche. Das Gymnasium Hofwil für Künstler und Sportler liess Roggen 2001 nach einem Jahr sausen und absolvierte stattdessen die Aufnahmeprüfungen für die Hochschule der Künste in Bern. Die Aufnahmeprüfung war erfolgreich: Roggen erhielt nur Sechser. Im März 2006 schloss der damals 17-jährige in der Klasse von Bela Szedlak sein Grundstudium ab.
«Keine elitärer Spinner»
Als Genie sieht sich Roggen nicht. Nach langem Überlegen sagt er: «Vielen Menschen fällt irgendetwas leicht im Leben. Ich habe einfach einen speziellen Zugang zur Musik. Es ist, als ob ich sie lesen könnte.»
Und was ist mit elterlichem Ehrgeiz? «Das kenne ich nicht. Ich durfte immer machen, was ich wollte. Meine Eltern haben mich nie gezwungen zu üben», sagt der Kontrabassist. Dies sei eines der vielen Klischees, die es über Musiker aus der klassischen Szene gebe. «Dabei ist das Problem des elterlichen Ehrgeizes vor allem bei Musikliebhabern zu suchen, nicht bei den professionellen Musikern», stellt Roggen klar.
Nun wird der Künstler lebendiger, seine Stimme stärker und die Gestik akzentuierter. «Wir sind auch keine elitären Spinner, die den ganzen Tag nur an Musik denken und in einer Traumwelt leben», ergänzt er. Zu Hause in Münsingen werde nie gemeinsam musiziert. Klassischer Musiker zu sein sei zwar ein sehr schöner Beruf, aber es gebe auch Tage, wo es einem einfach verleide. Trotzdem sei es eine angenehme Art, sein Geld zu verdienen.
«Nicht alles ist Kunst»
Neben klassischer Musik hört sich das Jungtalent auch andere Musik an. Vor allem im Radio während langen Autofahrten, in Restaurants oder in Geschäften zur Unterhaltung. Dass klassische Musik in der Gesellschaft nicht die ihr angemessene Anerkennung findet, bedauert Roggen zwar, beklagt sich aber nicht darüber. Mühe hat er, wenn gewisse Stars der Pop/Rock-Welt als «grosse Künstler» bezeichnet werden. «Ich habe nichts gegen diese Musik, und ich höre sie mir auch an. Aber was soll dabei Kunst sein, wenn man in ein Mikrofon Schlampe brüllt?»
Schade findet Roggen, dass viele Leute nicht wissen, dass die Basis der Mainstreamhits die Klassik ist. «Natürlich wird die Struktur stark vereinfacht. Sogar die Schlachtgesänge an Fussballmatches lassen sich aus italienischen Opern ableiten.»
Am Schluss des Gesprächs erwähnt der Münsinger noch, dass er im Sommer sein Studium abschliessen werde und dann gerne am Solistendiplom arbeiten möchte. Allerdings sei die Konkurrenz für einen der wenigen Plätze ziemlich stark. Und dann will er an seiner Fantasygeschichte weiterschreiben. Diese soll dereinst drei Bücher und drei Opern umfassen. Komponieren wird er diese selber. Die Zeit drängt, Roggen ist noch mit seiner Freundin verabredet. Sie ist auch Musikerin, spielt Harfe. «Wir sprechen nur ganz selten über Musik«, sagts und verschwindet in der Menschen-masse.
Steile Musikkarriere eines Virtuosen
Thierry Roggen spielt seit seiner frühesten Kindheit Kontrabass. Das Jungtalent hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen.
Mit zwei Jahren entdeckte Thierry Roggen seine Affinität zum Kontrabass. Mit vier verfasste er bereits seine erste Komposition. Mit zwölf Jahren gewann Roggen mit seinem Kontrabassspiel den ersten Preis beim Solothurner Musikpreis. Ein Jahr später errang er den Bärenreiterpreis und den ersten Preis mit Auszeichnung am Finale des Schweizer Jugendmusikwettbewerbs. 2004 ging er in Rotterdam als Gewinner des internationalen ESTA Student of the Year Award hervor.
Vor wenigen Wochen erreichte Roggen in Ludwigslust (Deutschland) am Johann-Matthias-Sperger-Wettbewerb seinen grössten Triumph. Der Wettbewerb gilt weltweit als bedeutendster Wettstreit für Kontrabassisten. Von 68 Teilnehmern schaffte er es nach einer Woche neben zwei weiteren Mitstreitern in die Finalrunde. Am Ende reichte es für den ausgezeichneten «Silberbogen». Als Solist tritt Roggen mit dem Kontrabasskonzert von Domenico Dragonetti sowie den beiden virtuosen Konzerten in fis-Moll und h-Moll von Giovanni Bottesini mit verschiedenen Orchestern auf zuletzt in Bottesinis «Grand Duo concertant» mit dem Zürcher Kammerorchester unter Howard Griffith. Dieses Jahr führte ausserdem das Schweizer Armeespiel seine Sinfonietta für Brass-Band auf.
Ein Artikel aus der

www.thierryroggen.ch
www.muensingen.ch
Autor:in
Dominik Knubel, Berner Zeitung BZ
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Erstellt:
30.12.2008
Geändert: 30.12.2008
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