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Münsingen: Streng, aber geduldig - Der Abschied von Hans Gafner

Hans Gafner ist ein Musiker mit einer pädagogischen Ader. 54 Jahre lang konnte das Orchester Münsingen davon profitieren. Nun steht das letzte Konzert mit ihrem langjährigen Dirigenten bevor. Für seinen Abschied hat Gafner sich ein anspruchsvolles Programm vorgenommen.

Mitte Dezember gibt er den Taktstock ab: Hans Gafner leitete das Orchester Münsingen über 50 Jahre lang. (Bilder: zvg)

"Lächelnd haben wir uns gefragt: Wie haben wir es nur so lange miteinander ausgehalten?" Hans Gafner bezieht sich auf die Musikerinnen und Musiker des Orchesters Münsingen, das er seit 54 Jahren leitet. Tatsächlich sei es aber kein Aushalten gewesen, sondern eine schöne und harmonische Zeit, in der man miteinander vertraut geworden sei. Im Orchester habe es während dieser ganzen Jahre kein einziges "Gstürm" gegeben.

 

Die Zeit mit dem 30-köpfigen Streichorchester neigt sich nun dem Ende zu. Gafner ist dabei, sein Abschiedskonzert vorzubereiten. Dieses findet am 11. Dezember im Schlossgut-Saal in Münsingen statt. "Natürlich sind alle traurig", sagt der Dirigent. Aber dies sei eben der Lauf der Zeit. Pensioniert ist Gafner schon seit 18 Jahren. Dem Orchester hat er schon vor zwei Jahren vermittelt, dass es der richtige Zeitpunkt wäre, einen Nachfolger zu suchen. Dieser ist mit Joel Zeller nun gefunden. Gafner kann sich guten Gewissens verabschieden.

 

Werke von emotionaler Bedeutung

Das Orchester Münsingen ist das letzte seiner Ensembles, die der 83-Jährige noch behalten hat. Das Jugend-Sinfonieorchester Arabesque, den Kirchenchor Münsingen und den Gabrieli-Chor Bern hat er schon eher abgegeben.

 

Zum Abschluss hat Gafner sich ein anspruchsvolles Programm vorgenommen: Die Orchestersuite Nr. 1 von Johann Sebastian Bach, das Klavierkonzert Nr. 2 von Sergej Rachmaninoff und die 3. Sinfonie von Johannes Brahms. Jedes dieser Stücke hat eine persönliche Bedeutung für ihn. "Bach ist der bedeutendste Mitarbeiter in meinem Leben", begründet Gafner seine Auswahl. 40 Jahre lang war er als Organist in Münsingen tätig und hat immer wieder Bachwerke aufgeführt. Mit dem Kirchenchor hat er regelmässig Bachkantaten aufgeführt. Das Klavier dagegen sei ihm als Instrument "am Nächsten", wie er sagt. Das zweite Konzert von Rachmaninoff habe für ihn auch eine emotionale Bedeutung. Und die 3. Sinfonie von Brahms? Dies sei eines der anspruchsvollsten Werke, die das Orchester Münsingen jemals gespielt hat. Die Früchte jahrelanger harter Arbeit. Er habe den Schwierigkeitsgrad der Stücke laufend gesteigert, sagt Gafner. Das Orchester hat unter anderem die 1. Sinfonie von Tschaikowsky aufgeführt, die 5. Sinfonie von Beethoven, zahlreiche sinfonische Werke und Chorwerke.

 

Wie immer bei den Sinfoniekonzerten im Winter wird der Dirigent auch beim Abschlusskonzert zum Streichorchester professionelle Bläser zuziehen. "Viele von ihnen sind auch schon jahrelang dabei", sagt Gafner. Dies sehe er als positives Zeichen, dass es auch den Profis gebe, die gerne mit dem Orchester spielen.

 

Klasse lässt ihren Musiklehrer nicht los

So unterschiedlich die Projekte und Ensembles waren, die Gafner in seinem Leben geleitet hat - jahrelang war er zudem Musiklehrer am Freien Gymnasium Bern und Leiter der Musikschule Münsingen - etwas zieht sich durch die ganze musikalische Laufbahn hindurch: Sein Herz für Laienensemble und sein pädagogisches Geschick. "Ich habe das Pädagogik-Gen in mir", sagt der Musiker. Er sei immer sehr gerne Lehrer gewesen. In der Vermittlung der Musik habe er seine Berufung gefunden. "Meine ganze musikalische Qualität habe ich in die Pädagogik gegeben." Eine solistische Karriere habe er nie angestrebt. "Es hat mir nichts ausgemacht, den Quartanern immer wieder die Moll-Tonleitern beizubringen."

 

Ein Erlebnis ist ihm in besonderer Erinnerung geblieben: Eine Klasse, die er am Gymnasium unterrichtete und die nach der Tertia darauf bestand, ihn als Klassenlehrer zu behalten und weiter von ihm Musikunterricht zu erhalten, obwohl das eigentlich im Stundenplan nicht vorgesehen war. Die Klasse setzte sich durch. Nach der Matur war es aber immer noch nicht genug. Die Schülerinnen und Schüler drängten ihren Musiklehrer, weiter mit ihnen zu musizieren. Gafner gründete daraufhin - im Jahr 1974 - den Gabrieli-Chor, der bis heute besteht.

 

Ohne Druck

Ja, er sei ein strenger Dirigent, sagt Gafner von sich selbst. Streng in dem Sinn, dass er sich nicht mit dem erstbesten Resultat zufrieden gibt. Er verfolgt klare musikalische Ziele. Diese zu erreichen, traut er seinen Musikerinnen und Musikern zu. Aber das bedeutet oft harte Arbeit. "Aber: Ich habe auch viel Geduld", sagt Gafner. Es sei ihm wichtig, keinen Druck auszuüben, sondern die Musiker zu motivieren, weiterzumachen, wenn ein Stück noch nicht gelingt. Dies war sein Erfolgskonzept in den letzten Jahren. es hat dazu geführt, dass einerseits die Stimmung im Orchester immer gut war und andererseits viele schöne Momente entstanden sind, die den Musikerinnen und Musikern unvergesslich bleiben.

 

Besondere und berührende Auftritte seien die Konzerte mit den international erfolgreichen Solistinnen Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta gewesen. Aber auch regionale Grössen sind mit dem Orchester aufgetreten. Und schliesslich hat Gafner auch die Jugendförderung nicht vergessen und immer wieder Schülerinnen und Schüler der Musikschule mit dem Orchester auftreten lassen. "Das war eine wichtige Chance." Gafner hofft, dass nun auch wieder Junge nachrücken und das Orchester Münsingen erhalten bleibt.

 

[i] Das Abschiedskonzert von Hans Gafner mit dem Orchester Münsingen findet am Mittwoch, 11. Dezember um 19.30 Uhr im Gemeindesaal Schlossgut in Münsingen statt. Aufgeführt werden die Orchestersuite Nr. 1 von Johann Sebastian Bach, das zweite Klavierkonzert von Rachmaninoff und die dritte Sinfonie von Brahms.

 

Orchester Münsingen


Autor:in
Annalisa Hartmann, annalisa.hartmann@bern-ost.ch
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Erstellt: 26.10.2019
Geändert: 26.10.2019
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