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Münsingen - «Ein Ambulatorium für Notfälle wäre toll»

Der Saal im Ochsen Münsingen war voll. Gegen 80 Personen kamen, um einen Verein zu gründen, der die medizinische Versorgung rund um Münsingen verbessern will. Im Publikum sassen Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, Pflege und aus verschiedenen Gemeinden von Münsingen bis Walkringen.

Der Verein will kein Spital und keine Gesundheitsversorgung selbst betreiben, aber die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. (Foto: Rolf Blaser)
Katharina Baumann: «Wenn wir ein Gesundheitszentrum hätten, in welchem Tagesnotfälle abgedeckt werden könnten, wäre das sehr gut.» (Foto: Rolf Blaser)
Arzt Marc Mettler: «Wenn alle in die Insel geschickt werden, ist diese überlastet.» (Foto: Rolf Blaser)
Hans Jörg Rüegsegger (stehend) leitete zügig durch die Versammlung. (Von links: Fabian Zulliger, Bruno Riem, Katja Riem, Karin Berger-Sturm.) (Foto: Rolf Blaser)

«Die Schliessung des Spitals Münsingen war ein Schock», mit diesen Worten eröffnete Nationalrat Hans Jörg Rüegsegger (SVP) die Versammlung. Die Protestaktion vor dem Spital kurz vor dessen Schliessung war der Startschuss für eine Gruppe von Politikerinnen und Politiker, um tätig zu werden. Danach hätten Gespräche mit Gemeinden, Fachpersonen und Hausärzten stattgefunden.

 

So nicht!

Der Tenor schien klar: «Es kann so nicht weitergehen, die nächsten Spitalschliessungen werden folgen», so Rüegsegger. Ein Blick in andere Regionen zeige, dass es möglich sei, eine medizinische Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Vorstösse einreichen und Forderungen stellen allein reiche nicht. Darum wurde an diesem Mittwochabend dieser Verein gegründet.

 

SVP-Dominanz

Zügig wurden die vorbereiteten Statuten angepasst, eine Mitgliedergebühr festgesetzt und verabschiedet. Aus dem Plenum wurde die Zusammensetzung des Vorstands hinterfragt, es sässen da vorwiegend SVP-Politiker. Es sei aber stets die SVP, welche im Grossen Rat den Rotstift im Gesundheitswesen ansetze. Rüegsegger parierte den Einwand: «Es geht jetzt nicht um eine politische Diskussion. Die Gesundheitskosten steigen, eine Patentlösung hat niemand. Wir sind zusammengesessen und der Meinung, dass etwas passieren muss.»

 

Mehr Ärztinnen gewünscht

Aus dem Plenum wurde kritisiert, dass die Hausärzte im Vorstand besser vertreten sein müssten. Diese seien im Vorfeld kontaktiert worden, wendete Rüegsegger ein, aber es sei noch nicht klar, wer sich zur Verfügung stelle. Dies soll an der ersten Vorstandssitzung mit der Wahl eines Mitglieds aus der Ärzteschaft nachgeholt werden. Dasselbe gelte für das Pflegepersonal.

 

Vorstoss bereit

Der neu gegründete Verein zur Förderung der medizinischen Grundversorgung im Raum Aaretal wird von Katharina Baumann (EDU) präsidiert. Diese hat am Donnerstag eine Motion im Grossen Rat einreicht. Der Vorstoss wurde vom Rat für dringlich erklärt, muss also bereits in der Frühjahrssession diskutiert werden.

 

Regierung in die Pflicht nehmen

Auch bei Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg (SVP) habe Baumann schon vorgesprochen und ihm den Vorstoss vorgestellt. Schnegg schien laut Baumann nicht rundum begeistert, da der Vorstoss verlangt, dass die Räume des ehemaligen Spitals für eine medizinische Nutzung zur Verfügung gestellt werden müssten. Sollte die Motion im Frühling angenommen werden, wäre Schnegg also in der Pflicht.

 

Woher Personal nehmen?

Katharina Baumann sagte zu einer möglichen Lösung fürs Aaretal: «Wenn wir ein Gesundheitszentrum hätten, in welchem Tagesnotfälle abgedeckt werden könnten, wäre das sehr gut.» Dies brauche aber Zeit und ein klares Bekenntnis der Politik. Einen Raum für ein Ambulatorium zu finden sei nicht das Schwierigste, wendete Marc Mettler ein.

 

Mettler war langjähriger Chefarzt der Chirurgie im Spital Münsingen. Das Problem sei: «Dass man Leute findet, die das betreiben. Das hat man in Boltigen gesehen, man findet kaum mehr Leute, die eine Hausarztpraxis übernehmen. Junge Ärzte wollen regelmässige Arbeitszeiten, das schmerzt und verschärft den Mangel.»

 

Druck aufbauen

Die Aufbruchstimmung war an diesem Mittwochabend im Säli des Ochsen Münsingen zu spüren. Es gehe nicht um Münsingen, sondern ums gesamte Aaretal und die Region von Oberdiessbach bis Walkringen, sagte der Münsinger Gemeindepräsident Beat Moser: «Dieser Verein kann den nötigen Druck auf den Regierungsrat aufbauen.» Moser war der erste, der die Beitrittserklärung des Vereins ausgefüllt dem Podium übergab. Das nächste Kapitel um das Spital Münsingen kann geschrieben werden. 

 

[i] Die eingereichte Motion fordert den Aufbau einer medizinischen Grundversorgung im Aaretal. Der Regierungsrat wird beauftragt, die notwendigen Schritte zum Erhalt einer medizinischen Grundversorgung in die Wege zu leiten. Mit ambulanten Versorgungsnetzwerken können unnötige Wartezeiten und Mehrfachuntersuchungen vermieden werden. Weiter fordert die Motion: «Durch entsprechende Instruktion der Spital Netz Bern Immobilien AG, zu 100 Prozent im Eigentum des Kantons, ist sicherzustellen, dass Gebäude und Infrastruktur des ehemaligen Spitals Münsingen soweit benötigt auch weiterhin für eine medizinische Nutzung zur Verfügung stehen.»

 

[i] Der Verein zur Förderung der medizinischen Grundversorgung im Raum Aaretal wird von Katharina Baumann (EDU) präsidiert. Zum Vize-Präsident wurde Ueli Augsburger (SVP, Gerzensee) gewählt. Weitere Mitglieder des Vorstands sind: Susanne Bähler (SVP), Alt-Gemeinderätin Münsingen, Cornelia Tschanz (FDP), Parlamentspräsidentin Münsingen, Fabian Zulliger (SVP), Gemeinderat Gerzensee, Christoph Bangerter, ehemaliger Hausarzt, Sigriswil.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 01.12.2023
Geändert: 01.12.2023
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