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Münsingen: Zwei Väter kämpfen um Fussgängerstreifen
Zwei Väter setzen sich dafür ein, dass der Fussgängerstreifen auf der Tägertschistrasse bleibt. Einmal mehr geht es um ein bekanntes Thema. Nach der Sanierung soll vom Kreisel beim Coop Richtung Tägertschi, Tempo 30 gelten. In 30er Zonen sind grundsätzlich keine Fussgängerstreifen vorgesehen. Dagegen setzen sich die beiden Väter ein.
Dominic van der Zypen und Linus Schärer wohnen mit ihren Familien in Münsingen. Beide haben Kinder im Schulalter. Jeden Morgen müssen die Schulkinder die Tägertschistrasse queren. Heute gilt dort Tempo 50, es hat zwei Fussgängerstreifen und eine Ampel. Wenn aus der Tägertschistrasse eine 30er-Zone wird, könnte dies anders aussehen und deshalb setzen sie sich bereits jetzt für einen sicheren Schulweg ein.
Schwierige Situation
«Für die Kinder ist das Überqueren der Strasse ohne Fussgängerstreifen sehr schwierig», sagt Dominic van der Zypen. Wer in einer 30er-Zone zu Fuss unterwegs ist, sollte Blickkontakt zu den Autofahrern aufnehmen. Wenn sich die Blicke treffen, Abstand und Tempo passen, kann man die Strasse überqueren. Das funktioniert für Erwachsene, die gut zu Fuss sind in den meisten 30er Zonen. Auf der Tägertschistrasse herrschen jedoch andere Verhältnisse.
Wie Blickkontakt herstellen?
Autos und Lastwagen, die von Konolfingen kommen, rollen zügig den Stutz runter. Wenn die Sonne spät nachmittags tief steht, ist die Sicht eingeschränkt. «Wie soll ein Kind mit einem Lastwagenfahrer Blickkontakt herstellen?», fragen die beiden Väter rhetorisch. Es dürfte für Schulkinder auch schwierig sein, Blickkontakt mit Autofahrern herzustellen. «Kinder lernen: Das Rad steht, Kind geht», so van der Zypen. Neu soll plötzlich etwas anderes gelten, eine schwierige Situation, nicht nur für Kinder.
Neulich beim Kreisel
Beim Coop-Kreisel in Münsingen sei es in der letzten Zeit zu gefährlichen Situationen mit Kindern gekommen. «Ich beobachtete neulich, wie ein Auto bremst, das Kind zögert, es weiss nicht, ob es jetzt die Strasse überqueren soll. Dann geht das Kind über die Strasse, gleichzeitig fährt das Auto wieder an, weil dieser wohl dachte, das Kind wartet. Nur dank einer Vollbremsung konnte ein Unfall vermieden werden.» Bei einer Lösung mit Fussgängerstreifen bestehe diese Gefahr nicht, da der Vortritt klar geregelt ist.
Mit Sehbehinderung wirds schwierig
Dies gelte nicht nur für Kinder, sondern auch für Leute mit einer Geh- oder Sehbehinderung. Eine Frau schrieb uns folgendes: «Das Konzept der gegenseitigen Rücksichtnahme funktioniert nicht wirklich. Am besten überquert man die Strasse im Rudel oder schliesst sich jemandem mit Kinderwagen an, da nehmen die Autofahrer Rücksicht. Besonders schwierig sind solche Zonen für Leute mit einer Sehbehinderung. Einen normalen Fussgängerstreifen kann ich ohne weissen Stock überqueren, deshalb umgehe ich die Tempo-30-Zone geflissentlich.»
Strasse mit Mittelstreifen
In einem ersten Bericht schreibt das Tiefbauamt, wie die Einmündung Tägertschistrasse/Krankenhausweg geplant ist: «Der Strassenraum wird aufgeteilt in beidseitige Trottoirs, zwei Fahrbahnen sowie – dort wo die Strasse breit genug ist – einem in der Mitte der Fahrbahnen angeordneten Mehrzweckstreifen. Letzterer dient dem Queren für Fussgängerinnen und Fussgänger. Wichtigstes Element der Strassenraumgestaltung sind die Querungszonen mit quer zur Fahrbahn laufenden blauen Linien.»
Angst um Fussgängerstreifen
Linus Schärer, der für die SP im Gemeindeparlament von Münsingen politisiert und Dominic van der Zypen haben letztes Jahr Unterschriften für Tempo 30 gesammelt (BERN-OST berichtete). «Durch die Gespräche mit den Leuten kriegten wir mit, dass der Fussgängerstreifen das grössere Thema ist als das Tempo. Das gab uns zu denken.» Einige Leute hätten damals nicht für Tempo 30 unterschrieben, weil sie nicht wollten, dass der Fussgängerstreifen wegfällt. Bevor das Projekt ein zweites Mal öffentlich aufgelegt wird, wenden sie sich jetzt an die Medien.
Probleme in Stettlen und Worb
Fehlende Fussgängerstreifen in 30er-Zonen sind in vielen Gemeinden ein Thema. In Stettlen haben Eltern beim Gemeinderat Unterschriften eingereicht, damit auf dem Schulweg die Fussgängerstreifen erhalten bleiben. In Worb reichte ein Komitee eine Volksmotion mit 500 Unterschriften ein, worauf bei der Schule ein Fussgängerstreifen eingerichtet wurde.
Wichtrach und Rubigen machens vor
Auch auf der Hauptstrasse durch Wichtrach gilt Tempo 30, dort gibt es nach wie vor zwei Fussgängerstreifen. In Wichtrach handelt es sich aber nicht um eine 30er-Zone, sondern lediglich um Tempo 30. Die Gemeinde habe sich diesbezüglich früh eingebracht, die Fussgängerstreifen seien nie zur Disposition gestanden, erklärt Geschäftsleiter Andreas Stucki auf Nachfrage.
In der 300 Meter langen 30er-Zone in Rubigen hat es sogar drei Fussgängerstreifen. Dazu sagt das Tiefbauamt des Kantons Bern: «Die Thunstrasse in Rubigen hat einen anderen Querschnitt und ist nach einem anderen Konzept gestaltet. In Rubigen gibt es weder einen Mittelbereich noch Querungshilfen.»
Nächste Mitwirkung folgt
Eine erste Mitwirkung zur Sanierung und Neugestaltung der Tägertschistrasse fand im Herbst 2022 statt. Fast 60 Prozent befürworteten Tempo 30 zwischen dem Coop-Kreisel und dem Schöneggweg. Bei den Eingaben zur Mitwirkung wurde angemerkt, dass «der Verlust der Ampel die Eltern sehr verunsichert». Das Tiefbauamt sah ursprünglich eine Ampel nur für den Busverkehr vor. Es kam aber zum Schluss, dass dies nochmals vertieft betrachtet werden muss. Eine zweite öffentliche Mitwirkung findet voraussichtlich diesen Herbst statt.
[i] Nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen ist die Anordnung von Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen unzulässig. Es dürfen jedoch Fussgängerstreifen angebracht werden, wenn besondere Vortrittsbedürfnisse für Fussgänger dies erfordern, namentlich bei Schulen und Heimen.
[i] In einer Tempo-30-Zone gilt Rechtsvortritt, Fussgängerinnen und Fussgänger dürfen die Strasse queren, Fahrzeuge haben Vortritt.
Im Gegensatz dazu auf Hauptstrassen mit Tempo 30 (ohne 30er-Zone): Bei Kreuzungen gilt kein Rechtsvortritt. Fussgängerinnen benützen die bestehenden Fussgängerstreifen. (Quelle: Beratungsstelle für Unfallverhütung)
Erstellt:
10.04.2024
Geändert: 10.04.2024
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