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Nach fast 20 Jahren: Bibliothekarin Gaby Jakob geht in Pension

Morgen Mittwoch sitzt sie zum letzten Mal hinter der Ausleihe in der Mediothek von Oberdiessbach, danach geht Gaby Jakob in Pension. Uns hat sie erzählt, was sie am meisten vermissen und womit sie die neu gewonnene Freizeit füllen wird.

Gaby Jakob an ihrem Arbeitsplatz, der Ausleihe in der Mediothek Oberdiessbach. (Bilder: Anina Bundi)
Mit einem ausgehängten Brief verabschiedet sie sich von den Kund*innen.
Ebenfalls zum Abschied: Ein Gestell voller Lieblingsbücher zum Ausleihen.
Noch mehr Lieblingsbücher.
Lieblingsfilme.
Mehr Lieblingsfilme.

Seit fast 20 Jahren leitet Gaby Jakob die ehemalige Schul- und Gemeindebibliothek, die heutige Mediothek von Oberdiessbach. In dieser Zeit hat sich einiges geändert. Nicht nur wuchs die Bibliothek von 4000 auf über 10'000 Titel an. Mit dem Umzug 2002 vom Dorf ins Sekschulhaus kamen auch neue Medien dazu – und verschwanden wieder. Für Musik-CD’s zum Beispiel geht niemand mehr in die Bibliothek. Dafür kamen allmählich die Hörbücher auf. „Das sind immerhin noch Bücher“, sagt dazu Gaby Jakob.

 

Vieles war Gratis-Arbeit von ihr und ihren drei Mitarbeiterinnen. „Ich habe immer auf ein engagiertes Team zählen können“, sagt Jakob. „Aber für all unsere Aktivitäten und um den Medienbestand à jour zu halten, dazu reichen die Stellenprozente nicht.“ Das sei generell so bei kleineren und mittleren Bibliotheken. „Das wird akzeptiert, eben weil es ein Frauenberuf ist und sich die Frauen nicht genügend wehren.“

 

„Die Schutzkonzepte werde ich nicht vermissen“

Nun, mit 65 Jahren, wird sie pensioniert. Am 23. Dezember wird sie zum letzten Mal hinter dem Ausleihe-Pult sitzen. Soweit der Plan. Denn im Corona-Jahr ist alles ein bisschen anders. Ausser ihrem eigenen hat es zum Beispiel keine Stühle in der Bibliothek, oder Sitzkissen für die Kleinen: Sitzen und schmökern verboten. Das Gespräch mit BERN-OST findet auf dem Balkon statt, wo noch Stühle vorhanden sind. „Die Schutzkonzepte werde ich nicht vermissen“, stöhnt Gaby Jakob. Ebensowenig wie die Statistiken, die sie zuhanden des statistischen Amtes und der Gemeinde erstellen muss.  

 

Gegen Zwang

Vor allem wenn sie zeigen, dass von den Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule viel weniger Jugendbücher gelesen werden. Für Jakob ist aber klar: Förderung ja – Zwang nein. „Für manche ältere Schüler*innen ist das Lesen ein Müssen.“ Das Pultbuch zum Beispiel. In diesem müssen sie lesen, wenn sie mit anderem fertig sind und Zeit haben. „Damit werden die Schüler sozusagen bestraft, wenn sie schnell sind. Besonders für schwächere Schüler*innen ist das nicht schön.“ Leseratten gebe es zwar auch immer noch, sie seien aber weniger geworden. Die Primarschulkinder decken sich in der Schulbibliothek ihres eigenen Schulhauses ein. Dass sie zu diesen damit nur wenig Zugang habe, sei schade, sagt Jakob. Auch deshalb habe sie sich im Rahmen der Schulraumplanung immer wieder für eine Fusion der beiden Bibliotheken eingesetzt. „Das war ein grosser Wunsch von mir.“  

 

„Ein Grossteil unserer Ausleihen sind Bilderbücher für die Kleinen. Ein weiterer ist die Literatur für Erwachsene.“ Diese Ausleihzahlen steigen erfreulich. Letztere sei fast ihre liebste Zielgruppe, sagt Jakob. „Das fägt zum Einkaufen.“  

  

Bücherbeigen und Lesekisten

Gaby Jakob und ihr Team konnten in den vielen Jahren diverse Projekte realisieren. Zum Beispiel, bei dem die Oberdiessbacher*innen gemeinsam eine Bücherbeige von der Höhe des Kirchturms erlasen. Geschichtennachmittage für die Kleinen. Oder die Lesekisten bei den Bänkli im Dorf zum 800. Geburtstag der Gemeinde. Und natürlich Lesungen: Pedro Lenz war da, Franz Hohler, Bänz Friedli, Esther Pauchard und viele mehr. 

 

Dass sie selber im Bibliothekswesen landete, war eher Zufall. „Eigentlich wollte ich Bühnenbildnerin werden. Aber das ist ein sehr langer Werdegang, bei dem man auch ins Ausland muss, das wollte ich so nicht.“ Da sie schon als Kind sehr gerne und viel las, absolvierte sie eine Ausbildung als Buchhändlerin, später als Bibliothekarin. In Oberdiessbach wurde sie zuerst Schulsekretärin und übernahm dann zusätzlich die Bibliothek.  

 

„Ich versuche, dass es nicht überhand nimmt mit den Büchern“

Vermissen werde sie den Kontakt mit den Kund*innen, das Glücksgefühl, wenn eine Empfehlung ins Schwarze getroffen hat, sagt Jakob. Und auch die Bücher selber. „Aus dieser Bücherfülle zu schöpfen, wird mir fehlen.“ Als sie vor einem Jahr mit ihrem Mann nach 29 Jahren in Oberdiessbach wieder nach Bern zog, aus einem 7 1/2-Zimmer-Haus in eine 3 1/2-Zimmer-Wohnung, musste sie den eigenen Bestand radikal ausmisten und vieles ins Bücher-Brockenhaus bringen. „Ich versuche, dass es nicht überhand nimmt mit den Büchern zuhause“, sagt sie. Das Gestell sei aber schon wieder voll, gibt sie zu.  

 

Nebst dem Lesen werde sie nach der Pensionierung Bern auf eine andere Art neu entdecken, so Jakobs Plan. Mit Tram und Bus von Endstation zu Endstation die Vielfalt der Stadt erkunden. Sie hofft, vermehrt ihre drei erwachsenen Kinder und die zwei Enkelkinder zu sehen.  "Lisme" werde sie und endlich wieder der gestalterischen Kreativität mehr Raum geben. Zum Beispiel in Schuhschachteln kleine Wunderwelten gestalten. Und ins Theater gehen, Ballettaufführungen besuchen - wenn das dann wieder möglich ist. In Bern, wo sie schon früher mal gewohnt hatte, kenne sie viele Leute, für die sie wieder mehr Zeit haben werde. „Aber ich bin auch sehr gern allein.“  

 

Der letzte Termin: Im März auf dem Spielplatz

Zum Abschied von Oberdiessbach hat Gaby Jakob in der Mediothek ihre Lieblingsbücher und ihre Lieblingsfilme ausgestellt. „Ich mag zeitgenössische Literatur, gern ein wenig schräg auch“, beschreibt sie ihren Stil. Ihr letztes Projekt in Oberdiessbach wird im März eröffnet: Ein Bücherschrank zum Tauschen auf dem Generationenspielplatz. 

 

Lieblingsbücher (vier von vielen):  

Borger & Straub: Katzenzungen  

Klara Obermüller: Die Glocken von San Pantalon 

Wolfgang Herrndorf: Tschick 

Sarah Kuttner: Kurt

 

Lieblingsautor*innen:  

Daniela Krien  

Joachim Meyerhoff  

Helge Timmerberg

 

Lieblingsfilme:  

Troubled water

Fliegende Fische

Pina

 

[i] Alle Infos zur Mediothek

 

[i] Dieser Artikel erschien zuerst auf der Gemeindewebsite von Oberdiessbach.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 22.12.2020
Geändert: 22.12.2020
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