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Fissco in Worb stellt Teil der Produktion ein: «Nicht lustig, aber nötig»
Die Worber Filz-Firma Fissco richtet sich neu aus. Der Bereich Nadelfilz wird auf Ende Jahr runtergefahren. Geschäftsführer Niklaus Sägesser (62) spricht von einem logischen Schritt – auch mit Blick auf seine Pensionierung. Die Firma bleibt bestehen, aber mit Fokus auf rentablere Produkte.
Eine Halle mit jahrzehntealten Maschinen, Stapel von Rohmaterial, Spulen, die ratternd durch Filzbahnen gleiten. Was wie ein Industrie-Idyll wirkt, verändert sich Schritt für Schritt. Der Nadelfilz ist bald Geschichte. Die Fissco AG, die traditionsreiche Filzproduzentin in Enggistein, fährt auf Ende Jahr ihre Nadelfilz-Produktion runter. «Das ist nicht lustig, aber nötig», sagt Geschäftsführer Niklaus Sägesser. «Der Maschinenpark ist alt, die Marge klein, das Risiko gross.»
Kein Risiko eingehen
Sägesser spricht Klartext. Seit 15 Jahren leitet er die Firma, die Filz in alle Welt liefert – daneben stellt die Firma Fisolan Dämmstoffe, Lärmschutz, Dichtungen und Gartenbauprodukte her. Nadelfilz war für ihn stets der schwierigere Bereich. «Wir produzieren dort die grösste Menge, haben aber die kleinste Wertschöpfung. Wenn bei den alten Maschinen aus den 60er Jahren etwas bricht, steht die Produktionsstrasse still. Eine Erneuerung des Maschinenparks würde drei bis vier Millionen Franken kosten und wäre am aktuellen Standort nicht umsetzbar – das machen wir nicht.»
Fokus auf das, was funktioniert
Der Umbau sei kein Kahlschlag, sondern eine Neuausrichtung, betont Sägesser. Wollfilz, Fugenzopf, Dämmung und Gartenbauprodukte laufen gut – und werden ausgebaut. «Ich will keine Quersubventionen», sagt Sägesser. «Jeder Bereich muss sich selber tragen.» Die Marke Fisolan, unter der die obgenannten Produkte aus Schweizer Schafwolle laufen, soll künftig noch stärker werden.
Gleichzeitig denkt der Unternehmer auch an den nächsten Schritt – seinen eigenen. In drei Jahren kommt er ins Pensionsalter. «Wie lange ich danach noch weiterfahre oder ob ich einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin einsetze, wird sich zeigen.» Einen Verkauf der Firma schliesst er langfristig nicht aus – sofern sich ein seriöser Nachfolger findet. «Aber in der Schweiz sehe ich keine Firma, die bei uns einsteigen könnte.»
Abbau ohne Drama
Die Schliessung des Nadelfilz-Bereichs betrifft sieben bis neun Angestellte – zumindest auf dem Papier. Der Abbau sei verkraftbar, sagt Sägesser. «Von den sieben gehen ohnehin vier bald in Pension. Einige haben sich schon umorientiert, sind sich am Bewerben. Ich bin überzeugt, dass alle etwas finden. Und sonst helfen wir aktiv beim Suchen.»
Integration und Asylzentrum
Als er die Firma vor fünfzehn Jahren übernahm, habe er allen damaligen Angestellten versprochen, dass sie unter ihm pensioniert werden. «Das habe ich eingehalten», so Sägesser nicht ohne Stolz. Die Firma sei damals überaltert gewesen, heute stehe sie gut da. Sägesser legt grossen Wert auf Eingliederung. Ausländischen Mitarbeitern stellt er einen Deutschkurs zur Verfügung. «Wer sich integrieren will, muss unsere Sprache sprechen», sagt er.
Gleichzeitig ist ein Teil des Gebäudes seit 2016 an den Kanton vermietet – als Asylunterkunft für 16 Flüchtlinge. Die Sonderbewilligung läuft noch bis Ende nächsten Jahres. Ein weiterer Einnahmeposten, der künftig wegfällt: «Dieses Geld fehlt dann schon für dieses Gebäude, aber schauen wir, wie wir den Gebäudeteil nutzen können.»
Sägesser, der Macher
Niklaus Sägesser ist kein Theoretiker, er sagt von sich: «Ich bin ein Macher.» Aufgewachsen in Huttwil, hat er Schreiner gelernt, war Instruktions-Offizier in der Armee, Gemeinderat in Schüpfen, Spitex-Präsident im Seeland und lange Zeit Geschäftsführer bei einer Galenica-Tochter. 2010 übernahm er die überschuldete Fissco in Enggistein. Heute steht sie – gemäss seinen Angaben - stabil da, trotz Herausforderungen.
Schwieriger Wechsel-Kurs
«Als ich begann, war der Euro bei 1.50, heute kriege ich noch 93 Rappen.» 85 Prozent der Nadelfilz-Produkte verkauft er ins Ausland. «Wir konnten den sinkenden Euro-Franken-Kurs lange ausgleichen, aber jetzt korrigieren wir das.»
Der Nadelfilz fällt weg, dafür soll die Produktpalette der Fisolan ausgebaut werden. Würde er rückblickend die Firma nahe am Konkurs nochmals übernehmen? Sägesser lacht und sagt: «Ja, sicher würde ich das nochmals machen. Das waren die spannendsten Jahre meines Lebens.»
Die Zukunft
Wie seine beiden Firmen, die Fissco und Fisolan AG in zehn Jahren aussehen werden? «Anders. Sicher gibt es die Firma noch, einfach ohne mich. Aber mit einem guten Produktemix und Leuten, die anpacken.»
[i] Die Fissco AG in Enggistein wurde 1841 gegründet. 2010 übernahm Niklaus Sägesser die Firma, als sie kurz vor dem Konkurs stand. Danach gründete er die Fisolan AG. Die Firmen verarbeiten rezyklierte PET-Flaschen zu Nadelfilz für die Stahlindustrie. Weiter stellt die Firma Filze für Dichtungen, Filze zum Polieren von künstlichen Hüftgelenken, Fugenzöpfe, Flies oder Schnur her.
Erstellt:
23.07.2025
Geändert: 23.07.2025
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