• Kultur

Oberdiessbach - Eine sagenhafte Wanderung

Quelle
Thuner Tagblatt

Andreas Sommer machte sich mit 20 Neugierigen an der Rotache auf den Weg, um Feen und Zwerge aufzuspüren.

73d1f9fc57c5562c596e3c86cea80192.jpg
73d1f9fc57c5562c596e3c86cea80192.jpg
Andreas Sommer erzählt an der Rotache vom Gold, das Brenzikofen einst reich gemacht haben soll. (Bild: Markus Hubacher)

Es dämmert schon leicht, als die Teilnehmer der Sagenwanderung am Bahnhof Brenzikofen eintreffen. Die Gruppe setzt sich aus Frauen, Kindern und vereinzelt Männern zusammen, die gespürt haben mussten, dass das gleichzeitig stattfindende Schweizer Fussballspiel nicht die Faszination dieser Wanderung ausstrahlen würde. Mit seinem wallenden Umhang und langen Wanderstock sieht Andreas Sommer ganz so aus, als sei er per Du mit magischen Geschöpfen. Durch die beeindruckende Landschaft zwischen Brenzikofen und Oberdiessbach gehts, vorbei an geschichtsträchtigen Höfen. Das Interesse des Sagenwanderers an der Welt der Sagen wurde nicht hierzulande geweckt. Andreas Sommer verbrachte nach der Matura mehrere Jahre bei den Tuareg in der Sahara. In dieser Zeit hat er dort den Stellenwert von erzählten Geschichten erkannt. Als Sommer nach einigen Jahren zurück zu seinen Wurzeln fand – er ist in Niederscherli aufgewach-sen –, machte er sich auf die Suche nach hiesigen Erzählungen.

        

Zwergengold aus der Rotache

        

«Mich interessiert, wie eine Geschichte auf den Zuhörer wirkt. Dabei spielen die Umgebung und die Launen der Natur eine wesentliche Rolle.» Das Erleben einer mündlichen Erzählung lässt sich intensivieren, wenn man die Geschichte an ihrem Schauplatz hört. Die Sagenwanderer sind an der umwaldeten Rotache angekommen. Der Bach ist ein bizarrer Ort voller Baumwurzeln, wo einzelne Sonnenstrahlen noch gegen die Dämmerung ankämpfen. Gespannt wird der Geschichte vom Zwergengold gelauscht, das Brenzikofen einst reich gemacht haben soll. Jemand flüstert: «Hier habe ich auch schon Gold gefunden…»

        

Zugang zu magischer Welt

        

Den Menschen Zugang zu einer anderen, magischen Wirklichkeit zu verschaffen und ihre Vorstellungskraft anzuregen, ist Andreas Sommers grösstes Anliegen. «Anderswelt» nennt er dies in seinem Buch über sagenhafte Wanderungen am Gantrisch. «Universelle Werte wie Liebe, Treue, Verrat, Feindschaft, Versöhnung oder Trauer treten in Sagen auf der ganzen Welt auf. Bloss die Bilder, mit denen sie dargestellt werden, unterscheiden sich», erklärt Sommer. Das Schema sei oft gleich: «Es gibt von alters her einen Bund zwischen den Menschen und der Natur. Sobald der Bund aufgebrochen wird, fallen die Menschen in Einsamkeit und Isolation und werden gestraft.» Ungewöhnlich schweigsam für eine 20-köpfige Gruppe gehts weiter in Richtung Wald. Eine weitere Sage über einen Oberdiessbacher Pfarrer trägt Andreas Sommer mit schauspielerischem Talent vor. Beichten der Dorfbewohner benutzte der Pfaffe zum eigenen Vorteil, und sein Weinfass im Keller war stets gefüllt. Das liederliche Leben rächte sich, als er auf dem Weg zum Weinfass die Treppe hinunterfiel und sich das Genick brach. Ewige Ruhe fand er nicht. Ob er heute noch im Dorf herumgeistert?

 

www.animahelvetia.ch


Autor:in
Christina Burghagen, Thuner Tagblatt
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 23.06.2014
Geändert: 23.06.2014
Klicks heute:
Klicks total: