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Oberdiessbach - "Ich hatte Angst vor Mäusen!"

Quelle
Thuner Tagblatt

Heute wird im Altersheim Oberdiessbach ein Doppelgeburtstag gefeiert: Sophie Häusler wird 100 Jahre alt, ihr Sohn 70. Die beiden können auf ein bewegtes Leben zurückblicken.

Jubilare unter sich: Kurt und Sophie Häusler in ihrem Zimmer im Altersheim Oberdiessbach. (Bild: Irina Eftimie)
Rückblick: Sophie Häusler auf der Pirsch beim Mäusefangen... (Bild: PD)
... und während ihres Auftritts in der Show «Was bin ich?» mit Robert Lembke. (Bild: PD)

Vor genau 70 Jahren hörte Sophie Häusler folgenden Satz: «Jetzt kannst du nie wieder sagen, dass du kein gutes Geschenk zum Geburtstag bekommen hast.» An ihrem 30. Geburtstag kam nämlich ihr zweiter Sohn, Kurt Häusler, zur Welt. Heute feiern die beiden gemeinsam den 100. beziehungsweise den 70. Geburtstag. «Wir feiern einfach im engen Familienkreis im Altersheim Oberdiessbach, wo meine Mutter seit fast 20 Jahren lebt», sagt Kurt Häusler.

 

Harte Zeiten

Sophie Häusler wuchs in der Region Luzern auf, und nach einer entbehrungsreichen Jugend begann sie in Grosshöchstetten im Gasthof Sternen als Zimmermädchen zu arbeiten. Hier, im Kanton Bern, lernte die junge Sophie auch ihren Ehemann Ernst kennen. «Ich hatte einen sehr lieben Mann, der auch ein sehr guter Vater für meine Kinder war», sagt sie.

 

Mit ihm zog sie nach Kiesen, wo sie zwar einige schwere Jahre erleben musste, dann aber eine etwas ungewöhnliche Tätigkeit aufnahm, die bald zum Highlight ihres Lebens wurde. «Mein Vater erkrankte 1949 an Kinderlähmung und wurde dadurch arbeitsunfähig», sagt Kurt Häusler, der damals erst ein paar Monate alt war. Sophie Häusler musste deswegen in einer nahe gelegenen Zigarettenfabrik arbeiten, um ihre Familie ernähren zu können.

 

«In dieser Zeit sollten mein Bruder und ich auf Verlangen der katholischen Kirche verdingt werden», erinnert sich Kurt Häusler. «Mein Vater war selber Verdingkind gewesen und von einer Bauernfamilie misshandelt worden. Dank der Hilfe eines Berner Regierungsrates, den mein Vater kannte, durften wir bei unseren Eltern bleiben.»

 

Grosser Auftritt

Wegen seiner Krankheit begann Ernst Häusler für die Gemeinde Mäuse zu fangen. Als er einige Zeit später in der Schuhleistenfabrik Koch in Münsingen Arbeit fand, wurde seine Frau zur Feldmauserin. «Ich war deswegen in der Sendung ‹Was bin ich?› mit Robert Lembke», sagt Sophie Häusler. An ihren Auftritt in der Sendung erinnert sie sich auch heute noch besonders gerne. In der Show des Bayrischen Rundfunks, in der sie in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre auftrat, musste ein Rateteam bestehend aus vier Personen den Beruf des jeweiligen Gastes erraten.

 

«Ich hatte eigentlich schreckliche Angst vor den Mäusen», gibt Sophie Häusler schmunzelnd zu. Die Familie war aber auf das Geld, das es für die Mäuse gab, angewiesen. «Obwohl wir nicht viel Geld hatten, haben mein Bruder und ich nicht viel davon gemerkt. Trotz der Entbehrungen hatten wir eine sehr schöne Kindheit, und ich würde mit niemandem ­tauschen wollen», sagt Kurt Häusler.

 

Spontane Gedichte

Auch seine Mutter ist sehr zufrieden mit ihrem Leben. «Ich hatte es noch nie so schön wie hier im Altersheim», sagt sie. «Die Leute hier sind alle so nett, und ich bin sehr gerne hier.» Zum Dank erhalten die Angestellten oft spontane Gedichte von der sehr lebhaften Bewohnerin. «Wenn man keinen Humor hat, dann ist Hopfen und Malz verloren», sagt die Hundertjährige. «Ich hatte ein sehr bewegtes Leben und bin dankbar, dass ich noch einigermassen gesund bin. Das ist so viel wert.»


Autor:in
Irina Eftimie, Thuner Tagblatt
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Erstellt: 08.09.2018
Geändert: 08.09.2018
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