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Gemeindepräsident: "Man muss keiner Partei angehören"

Niklaus Hadorn, Gemeindepräsident von Oberdiessbach tritt Ende Jahr ab. Die Gemeinde rührt auf Youtube die Werbetrommel für die Wahlen im September. Es geht darum, Kandidat:innen zu finden, die in den Gemeinderat wollen. Wir fragten den abtretenden Präsidenten, warum es so schwierig ist, Kandidat:innen zu finden und wieviel ein Gemeinderatsmitglied verdient.

Niklaus Hadorn: "Wir brauchen Personen, die bereit sind, sich für die Gemeinde zu engagieren." (Bild: Rolf Blaser)

BERN-OST: Herr Hadorn, im September finden Gemeinderatswahlen statt. Warum treten Sie nicht zur Wiederwahl an?

Niklaus Hadorn: Erstens habe ich mein Pensionsalter bereits erreicht. Zweitens kann ich wegen der Amtszeitbeschränkung nicht mehr kandidieren. Ich war 16 Jahre im Gemeinderat, ab 2018 noch vier Jahre als Präsident.

 

Der Gemeinderat hat einen Aufruf auf Youtube gemacht, dass sich Leute aus der Bevölkerung als Kandidat:innen melden sollen – warum?

Als Erstes wollen wir die Leute sensibilisieren. Es braucht Personen für die Allgemeinheit, die bereit sind bei der Gemeinde mitzuwirken. Es braucht tolle Leute. Es ist nicht Bedingung, dass man einer Partei angehört. Die Parteien rekrutieren die Leute nur und schlagen sie zur Wahl vor.

 

Wieviel Zeit muss man für die Arbeit im Gemeinderat investieren?

Im Gemeinderat kriegt man ein Ressort. Es gibt intensivere und ruhigere Zeiten. Es ist ein Muss, dass man sich auch in die Dossiers der anderen Gemeinderatsmitglieder einliest. Man trägt eine Verantwortung. Die Arbeit eines Gemeinderats bei uns entspricht einem 25-Prozent-Pensum. Man muss schon bereit sein, etwa zehn bis zwölf Stunden pro Woche dafür aufzuwenden.

 

Wieviel verdient man als Gemeinderät:in?

Vor 20 Jahren war das ein Ehrenamt mit Sitzungsgeld. Heute verdient ein Gemeinderatsmitglied im Jahr 9000 Franken plus Sitzungsgeld. Die meisten arbeiten nebenbei zu 100 Prozent. Eine gewisse Flexibilität ist aber erforderlich, damit man auch nachmittags an einer Sitzung teilnehmen kann.

 

Was muss man mitbringen um Gemeinder:ätin zu werden?

Man muss bereit sein, etwas für die Gemeinde zu bewirken, dort wo man lebt und etwas verändern will. Es braucht ein Grundinteresse dafür, wie eine Gemeinde funktioniert. Man muss reden und sich ausdrücken können, aber das kann man auch alles dazulernen. Es spielt keine Rolle, ob jemand studiert oder eine handwerkliche Ausbildung gemacht hat. Es ist gut, wenn alle Bevölkerungsschichten im Gemeinderat vertreten sind.

 

Ist es ein dankbares Amt?

Wenn man es über eine bestimmte Dauer macht und das Negative nicht zur Hauptsache wird, ist die Aufgabe dankbar. Es ist vor allem auch lehrreich fürs Leben. Man kommt mit vielen Menschen zusammen, man sieht Dinge von einer anderen Seite, muss mit den verschiedensten Leuten zusammenarbeiten können. Wer in einer Exekutive ist, sammelt Führungserfahrung. Das kann sich bei jüngeren Gemeinderatsmitgliedern auch positiv auf den Lebenslauf auswirken. Es sollte eigentlich ein Zertifikat geben für die Gemeindearbeit.

 

Von sieben Gemeinderät:innen sind nur zwei Frauen – was unternehmen Sie, damit mehr Frauen kandidieren?

Es hätte sehr viele fähige Frauen, die sich nicht getrauen. Ich denke, bei Frauen ist die Hemmschwelle zu kandidieren grösser als bei den Männern. Vielleicht haben die Frauen das Gefühl, dass man zu viel von ihnen erwartet in der Gemeindepolitik. Aber so ist es nicht. Frauen sind sehr willkommen. Ich sage immer: Habt keine Angst, wir sind ein Team, anders geht es gar nicht.

 

[i] Niklaus Hadorn (67) war von 2001 bis 2017 Gemeinderat von Oberdiessbach. Seit 2018 leitet er den Gemeinderat als Präsident. Er ist Mitglied der SVP.

 

[i] Die Gemeinderatswahlen Oberdiessbach finden am 26. September 2021 statt. Weitere Infos.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 16.05.2021
Geändert: 16.05.2021
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