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Oberdiessbach – Hans Moser, der unbekannte Olympiasieger

Souverän gewann der gebürtige Oberdiessbacher Hans Moser vor 75 Jahren eine Goldmedaille: An den Olympischen Spielen in London siegte er als Einzelreiter in der Dressur. Ein Grund für die Gemeinde, sich an ihren erfolgreichen, aber wenig bekannten Bürger zu erinnern.

Hans Moser – hier nicht auf «Hummer», sondern einem anderen Pferd – war nach den Siegen auf der Zürcher Hardwiese in perfekter Olympiaform. (Foto: zvg)

Eine Moserstrasse sucht man in Oberdiessbach vergeblich. Auch sonst ist Hans Moser wohl kaum jemandem ein Begriff. Das allerdings müsste dringend ändern, findet der pensionierte Langnauer Zahnarzt Jakob Roethlisberger: Immerhin ritt Moser 1948 zum Olympiasieg in der Dressur. Und darüber hinaus sei er ein sehr feiner Mensch gewesen, erzählt Roethlisberger: Er hatte als Jugendlicher bei Moser, der als Bereiter und Reitlehrer arbeitete, seinen ersten Reitunterricht erhalten und ist heute noch ein grosser Bewunderer. «Hans Moser hat für mich den Pferdesport nachhaltig beeinflusst.»

 

Besonders in diesem doppelten Jubiläumsjahr – vor 75 Jahren ritt Hans Moser an den Olympischen Spielen London in Aldershot zum Sieg, vor 50 Jahren starb er – erinnert sich Roethlisberger gern an seinen früheren Reitlehrer: «Zu einer Zeit, in der auf Reitplätzen ein militärischer, oft lauter und rauer Ton üblich war, ging Hans Moser stets ruhig und respektvoll mit Menschen und Pferden um.» Auch mit ihm, dem damals zwölfjährigen Reitschüler, sei er nie laut geworden, sondern habe immer freundlich gesprochen und ihm damit die Freude am Pferd beigebracht.

 

Lebenslanges Vorbild

Ja mehr noch, erzählt Roethlisberger, Moser habe bei ihm nicht nur die Freude am Reiten geweckt, sondern auch die Art geprägt, wie er dann mit seinen eigenen Pferden umgegangen sei: Er selbst ritt später als Erwachsener jahrelang an internationalen Vielseitigkeits-Turnieren und erlebte mit, wie der Reitsport immer stärker vom finanziellen Druck bestimmt wurde. Dennoch sah er, wie gut sich in diesem Umfeld Geduld und ein respektvoller Ton bewähren. Und umso mehr beeindruckte ihn immer von neuem, wie speziell Mosers Umgang mit den Pferden für damalige Zeiten war.

 

Dementsprechend nahm sich Roethlisberger seinen Reitlehrer als lebenslanges Vorbild und hielt sich stets an dessen reiterliche Grundsätze: «Niemals schlecht über ein Pferd reden.» Von ihm lernte er auch die Finesse der Zügelführung. «Du trägst einen kleinen Vogel in der Zügelhand», habe ihm Moser immer gesagt: «Den darfst du weder zerdrücken noch wegfliegen lassen.»

 

Die Moser’schen Grundsätze bewährten sich derart gut, dass sie auch seinem Reitschüler Jakob Roethlisberger etliche Erfolge bereiteten: Der Langnauer gewann im Lauf der Jahre zahlreiche Titel. Diese seien vor allem seinem ersten Reitlehrer Moser und später seiner zweiten Reitlehrerin, Dressurreiterin und Olympia-Medaillensiegerin Marianne Fankhauser-Gossweiler, zu verdanken: Sie habe stets dieselbe respektvolle Haltung wie Moser gepflegt.

 

Aus einfachsten Verhältnissen

Dass Hans Moser als Oberdiessbacher Bauernsohn eine derartige Reitkarriere samt glamourösem Olympiasieg hinlegte, sei allerdings alles andere als selbstverständlich gewesen, betont Roethlisberger: «Anders als andere Kavallerie-Offiziere stammte er aus einfachsten Verhältnissen.» Aber schon früh habe sich sein aussergewöhnliches Talent im Umgang mit Pferden gezeigt und ihm den Weg bereitet: Nach der Rekrutenschule in der Kavallerie bewarb sich Moser um eine Bereiterstelle in der Eidgenössischen Pferderegieanstalt in Thun, der eigentlichen Hochschule der Reiterei.

 

Nicht viel später wurde Moser in den Schulstall aufgenommen und später sogar an die Spanische Reitschule Wien abkommandiert, wo er vom bekannten Oberbereiter Gottlieb Polak in der Kunst der Hohen Schule unterrichtet wurde. Aufgrund seiner Fähigkeiten wurde er in der Schweiz zum Train Leutnant befördert und zum Leiter des Schulstalls in Thun ernannt.

 

Auf dem Höhepunkt – und im Abseits

Die Olympischen Spiele 1948 in London – die ersten nach dem zweiten Weltkrieg – brachten Hans Moser dann den Olympiasieg und damit den reiterlichen Höhepunkt. Zugleich habe ihn dieser Sieg jedoch ins Abseits katapultiert, erzählt Jakob Roethlisberger: «Seine Bereiterkollegen wollten ihm nicht verzeihen, dass er an den olympischen Spielen mit dem Ungarwallach ‚Hummer‘ teilgenommen hatte, weil das Pferd die Grundausbildung nicht von ihm erhalten hatte.»

 

Wie Moser mit diesen Vorwürfen umging, ist nicht bekannt. Allerdings schrieb «Der Schweizer Kavallerist» nach den Olympischen Spielen: «Schon das lange und schwierige Training ist eine grosse Leistung, und wer die Londoner Prüfungen überhaupt zu Ende ritt, hat Ausserordentliches geleistet.»

 

«Bedeutender Künstler im Sattel»

Über Mosers Person schrieb der Berichterstatter: «Ein Reiter, der viel zu bescheiden ist, um zuzugeben, dass er zu den bedeutendsten Künstlern im Sattel zählt», und er habe bewundernswerte «Schweizer Qualitätsarbeit» geleistet, wie er «zielbewusst und mit leidenschaftlicher Passion» den zwölfjährigen Ungarwallach «Hummer» zum Sieg gebracht habe. Etwas weiter hinten lobt er gar begeistert: «Reiter und Pferd haben Ehre eingelegt.»

 

Zwischen den Schichten und wegrationalisiert

Bei seinen Kollegen hingegen fand Hans Moser offenbar nie die verdiente Anerkennung. Das sei wohl das Schicksal des Bauernsohns gewesen, vermutet Jakob Roethlisberger: Er habe nirgendwo so richtig dazugehört. «Ein feiner Mann mit einem vornehmen Auftreten trotz seiner einfachen Herkunft», beschreibt er ihn. Und so ging er wohl zwischen den Gesellschaftsschichten ein wenig verloren.

 

Als dann 1952 die Eidgenössische Pferderegieanstalt (EPRA) in Thun aufgelöst wurde, fand sich offenbar eine günstige Gelegenheit, Hans Moser loszuwerden: Mit nicht einmal 50 Jahren wurde er in Pension geschickt, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Umso gefragter war sein Wissen im Ausland, wo er sich später als Richter und Referent einen Namen machte.

 

Arm gestorben – aber erinnerungswürdig

Über seine persönliche Geschichte ist nicht viel bekannt, auch sein ehemaliger Reitschüler Jakob Roethlisberger hat ihn aus den Augen verloren. Offenbar habe Moser seine Frau früh verloren, sagt er. Wo sich sein Sohn und seine Tochter aufhalten, sei ihm nicht bekannt, und er wisse nur, dass Moser selbst später arm gestorben sei. Für ihn ist das jedoch umso mehr Grund genug, sich jetzt an den unbekannten berühmten Oberdiessbacher zu erinnern: «Wer weiss, vielleicht benennt die Gemeinde ja eines Tages doch noch eine Strasse oder einen Platz nach ihrem Olympiasieger Hans Moser!»

 

[i] Dieser Beitrag ist bereits im Gemeindenewsletter von Oberdiessbach publiziert worden.


Autor:in
Claudia Weiss; claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 28.12.2023
Geändert: 03.01.2024
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