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Oberstufenmodell: Jetzt wechselt auch Vechigen

Ab den Sommerferien führt Vechigen in der Oberstufe das durchlässige Schulmodell 4 ein. Schule sowie Gemeinde stünden voll dahinter, sagt Gemeindepräsidentin Nadia Lützelschwab, und an einem Informationsanlass habe sie auch von den Eltern positives Feedback erhalten. Mit Vechigen und Münsingen haben künftig sieben Gemeinde der Region Bern-Ost dieses Modell.

Neues Schulmodell für die Oberstufe Vechigen: Gemeindepräsidentin Nadia Lützelschwab freut sich über den grossen Rückhalt. (Foto: vechigen.ch)

Biglen, Oberthal, Walkringen, Zäziwil und Grosshöchstetten haben es bereits, Münsingen beschloss letztes Jahr, es ab diesem Schuljahr einzuführen, jetzt verkündet auch Vechigen den Entscheid: Im Sommer starten die siebten Klassen von Vechigen mit dem durchlässigen Modell 4, zunächst als dreijähriges Pilotprojekt.

 

Gemischte Klassen …

Was aber ändert mit diesem Modell überhaupt? «Beim Modell 4 lernen Real- und Sekundarschüler:innen gemeinsam in einer gemischten Klasse», erklärten Hauptschulleiterin Barbara Gadola und Stefanie Gambon, Schulleiterin Oberstufe, dem Vechiger Gemeinderat. In Deutsch, Französisch und Mathematik werden sie durch dieselbe Lehrperson und im gleichen Raum unterrichtet – allerdings auf ihrem jeweiligen Niveau.

 

… mit gemeinsamem Unterricht

In allen anderen Fächern werden die Schüler:innen gemeinsam unterrichtet. Stefanie Gambon erklärt, wie das machbar ist: «In Fächern wie Englisch, Natur und Technik oder Räume-Zeiten-Gesellschaften helfen moderne Lehrmittel, den Unterricht so zu gestalten, dass Anpassungen an das jeweilige Niveau umgesetzt werden können.»

 

«Vorteile überwiegen»

Dieses Modell hat zurzeit im Kanton Bern jede sechste Oberstufenschule eingeführt, und weitum ist man sich einig: Wie jedes der Schulmodelle hat es Vor- und Nachteile. Welche Überlegungen gaben also in Vechigen den Ausschlag für diese Variante? Sie hätten sich mit vielen Schulmodellen und neuen Bildungstrends auseinandergesetzt, erklärt Barbara Gadola. Nach langem Prozess, ergänzt Stefanie Gambon, sei das Fazit klar gewesen: «Für Schule und Lehrpersonen überwiegen die Vorteile des Modells 4.»

 

Kein Übertrittsdruck, bessere Zusammenarbeit

Aus Sicht der Lehrer:innen haben laut Barbara Gadola vor allem pädagogische Überlegungen den Ausschlag gegeben: «Weniger Stigmatisierung der Realschülerinnen und -schüler, grössere Transparenz bezüglich Niveau-Anforderungen, weniger Übertrittsdruck», fasst sie zusammen. Ausserdem, so hätten die Erfahrungen gezeigt, profitieren bei diesem Modell schwächere Schüler:innen von stärkeren, während stärkere Schüler:innen erfahrungsgemäss nichts verlieren.  

 

Und die Schülerinnen und Schüler?

Genau über diesen Punkt, auch das zeigt die Erfahrung, machen sich offenbar Eltern allerorts Gedanken: Ob langsam lernende Schüler:innen nicht doch gestresst sind, wenn sie sehen, wie schnell andere vorwärtskommen? Oder ob blitzschnelle Schüler:innen von den langsameren wirklich nicht gebremst werden?

 

Stärkere festigen ihr Wissen ...

Tatsächlich zeigt sich am Beispiel der Gesamtschule Oberthal eher das Gegenteil: Dort wurde das Modell 4 schon ab dem Schuljahr 2021/22 eingeführt, zwei Jahre vor Grosshöchstetten und Zäziwil. Seither sieht Schulleiter Raphael Tröhler vor allem Vorteile: «Manchmal können starke Schülerinnen und Schüler den schwächeren etwas erklären», sagt er. Das helfe letztlich auch ihnen: «Dabei können sie für sich den Stoff festigen und prüfen, ob sie alles verstanden haben.»

 

... Schwächere werden mitgezogen

Gleichzeitig würden Schüler:innen der Realstufe automatisch vom Lernverhalten und dem «Groove» der Sekundarschüler:innen mitgezogen. Und: «Sie schnappen erst noch zwischendurch Stoff auf Sekundar-Niveau auf.» Ebenfalls vorteilhaft findet Tröhler, dass Lehrer:innen mit diesem Modell die Möglichkeit haben, während dem Schuljahr einen Niveauwechsel vorzunehmen und damit ein Kind je nach Bedarf besser zu fördern oder zu entlasten.  

 

Also keine Probleme?

So ganz ohne, räumt der Schulleiter ein, sei das Modell schon nicht: In Oberthal seien die Lehrer:innen zwar schon an Mehrjahrgangsklassen gewöhnt gewesen und deshalb auch gewohnt, einen Spagat zu machen. «Aber dieser wurde jetzt tatsächlich noch grösser, es ist eine grosse Schere zwischen den verschiedenen Alters- und Schulstufen.» Dann schiebt er sofort nach: «Aber wenn alle dahinterstehen, funktioniert es.» In Oberthal habe sich deshalb nie die Frage gestellt, ob man wieder vom Modell 4 abkehren wolle. «Nein, wenn etwas nicht funktioniert, suchen wir nach neuen Lösungen.»

 

Mut für innovativen Unterricht ...

Gegenwärtig seien sie daran, eine andere Einteilung beim Sprachunterricht zu versuchen: «Bei sechs Niveau-Stufen in einer Klasse kann eine Lehrperson nicht immer nah genug am einzelnen Schulkind sein.» Dann brauche es Schwung, immer wieder neu nach der bestmöglichen Unterrichtsgestaltung zu suchen. Er als Französischlehrer will sich deshalb mit der Englischlehrerin zusammentun, und gemeinsam testen sie, wie es läuft, wenn sie wochenweise zwischen Französisch- und Englischunterricht wechseln.

 

... und Mut zur Lücke

Alles lasse sich auch in diesem Modell nicht perfekt gestalten, sagt Raphael Tröhler, und deshalb brauche es manchmal auch Mut zur Lücke. Und vor allem guten Rückhalt. In Oberthal habe es sehr geholfen, dass Gemeinde und Schule, aber auch Eltern von Anfang an voll dahintergestanden hätten: «Alle wollten unbedingt die Oberstufe behalten, und das war unsere einzige Möglichkeit.»

 

Bereit für den Spagat

Auch in Vechigen, sagt Schulleiterin Stefanie Gambon, seien sich die Lehrer:innen bewusst, dass der Unterricht im Modell 4 einen gewissen Mehraufwand bringe. «Allerdings sind sie schon heute daran gewöhnt, Unterricht in mehreren Niveaus vorzubereiten.» Wichtig sei vor allem: «Sie alle sowie die Bildungskommission stehen dem Modellentscheid positiv gegenüber.» 

 

Bedenken konnten ausgeräumt werden

Der Infoanlass zeigte dann, dass die Eltern tatsächlich viele Fragen und einige Bedenken hatten. «Aber die Bedenken konnten ausgeräumt werden», freut sich Gemeindepräsidentin Nadia Lützelschwab nach dem Anlass. «Die Eltern hatten vor allem organisatorische Fragen, beispielsweise wie denn die Kinder wissen, welche Aufgaben sie lösen müssen – also was Realschulstoff und was Sekundarschulstoff ist. Oder wie jene Kinder gefördert werden, die den Stoff bereits bewältigt haben.»

 

Spez. Sek ist weiterhin möglich

Insgesamt, so ihr Fazit, habe sie ein sehr positives Feedback erhalten. Zugleich erhielten die Eltern von den Schulleiterinnen am Informationsabend ebenfalls eine beruhigende Information: «Für jene, die einen Übertritt ans Gymnasium anpeilen, besteht in Vechigen auch weiterhin die Möglichkeit, in Bolligen die sogenannt Spez. Sek zu besuchen.»

 

Immer Ängste – aber auch Chancen

Wichtig sei, betont Nadia Lützelschwab, dass ein Modell von allen getragen werde: «Wir nehmen allfällige Bedenken von Eltern und Schüler:innen ernst, gehen darauf ein und suchen Lösungen.» Das sei für die Akzeptanz eines Pilotprojekts ganz wichtig: «Ein Modellwechsel bringt immer Ängste mit sich – aber auch Chancen.»

 

[i] Auch die Gemeinde Arni prüft zurzeit die Einführung von Modell 4. «Das ist aber eng verknüpft mit der Frage, wie die vorhandene Infrastruktur genutzt werden kann», erklärt Christoph Schweingruber, der für Bildung zuständige Gemeinderat. Auch da sei die Gemeinde dran, sagt er: «Die Arbeiten laufen, aber der Weg ist noch weit und im Moment sehr unkonkret.» 

 

[i] In Bolligen laufen zurzeit ebenfalls Abklärungen, welches Modell für die Oberstufen am besten passt. «Mögliche Alternativen sollen hinsichtlich einer zukunftsgerichteten und anschlussfähigen Oberstufe diskutiert werden», schreibt die Gemeinde in einem Beitrag zum Thema «Überprüfung des Oberstufenmodells in Bolligen»: Ziel sei, die Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 02.06.2025
Geändert: 02.06.2025
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