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Poller-Koller: "Worber Gwärb" gegen Strassensperrung im Dorfzentrum

Nach der Hauptversammlung des Gewerbevereins "Worber Gwärb" geisterte ein Wort durch das Dorf: "Poller-Koller". Worber Gewerbe-Exponenten drückten damit ihren Unmut aus gegen die teilweise Schliessung der Bernstrasse und der Bahnhofstrasse nach Vollendung der Umfahrungsstrasse. "Worber Gwärb" begründet jetzt seine Poller-Opposition. Der Kanton nimmt Stellung: "Der Kanton ist verpflichtet, das Gesamtprojekt so umzusetzen, wie es genehmigt worden ist, mit Umfahrungsstrasse und mit flankierenden Massnahmen."

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Die Worber Bahnhofstrasse soll für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Das Gewerbe fürchtet grosse Einbussen. (Bild: worb.ch)
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Auch die Bernstrasse soll nach Fertigstellung der Umfahrungsstrasse mit Pollern versehen werden. (Bild: Martin Christen)
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Am 28. Februar 2012 erfolgte der Spatenstich für das Worber Jahrhundertprojekt, die rund 69 Millionen Franken teure Verkehrssanierung: „Ein denkwürdiger Tag, ein einzigartiger Tag“, sagten die Festredner.
 
Schon vor Baubeginn war klar, dass die Verkehrssanierung in drei Etappen erfolgt. BERN-OST schrieb nach dem Spatenstich: „Bis 2013 finden Vorarbeiten bei den Dorfeingängen an der Bern- und an der Rubigenstrasse statt. Das Kernstück der Verkehrssanierung – die Umfahrungsstrasse mit den beiden Tunnels – wird 2013 bis 2016 gebaut. In der letzten Etappe werden die Bern- und die Bahnhofstrasse umgestaltet und zu Tempo-30-Zonen umsignalisiert.“

Im letzten Jahr nahm die vom Kanton eingesetzte Begleitgruppe von Anwohnern und Gewerbetreibenden die Arbeit auf. Die Berner Zeitung BZ schrieb: „Sperre des Zentrums ist umstritten. Die Meinungen in Sachen Sperrzeiten sind geteilt. Das Gewerbe hat Existenzangst und möchte auf die Sperrungen verzichten. Nebst den negativen Stimmen der Gewerbler gibt es Anwohner, die an den Sperrzeiten nicht rütteln wollen.“

Eine „Geisterstadt verhindern“

Worber-Gwärb-Präsident Ulrich Brechbühl legt auf Anfrage von BERN-OST die Argumente des Gewerbes dar: „Die vom Kanton geplante Lösung mit der teilweisen Schliessung der Bern- und Bahnhofstrasse mittels Pollern wird vom Gewerbe als sehr problematisch angesehen.
 
Die Bernstrasse soll jeweils von 16.00 Uhr am Vortag bis um 08.00 Uhr am nächsten Tag sowie am Wochenende beim Bahnübergang mittels Pollern gesperrt werden. Die Sperrung der Bahnhofstrasse wird moderater ausfallen, aber auch hier für Einschränkungen sorgen.
 
Für das Gewerbe ist eine gute Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Ladengeschäfte von zentraler Bedeutung. Es ist zu befürchten, dass insbesondere die Geschäfte an der Bern- und Hauptstrasse so von der Aussenwelt abgeschnitten werden und diesem Bereich die Lebensader abgestellt wird. Wir verweisen hier z.B. auf die Oberstadt in Burgdorf, welche einer Geisterstadt ähnlich ist."
 
"An die vom Kanton vorgeschlagene Lösung glauben wir kaum"
 
Brechbühl weiter: "Die gesamte Verkehrssanierung muss so erfolgen, dass die Durchfahrt durch das Dorf nicht attraktiv ist und länger dauert, als wenn man den legalen Weg über die Umfahrungsstrassen nimmt. Gleichzeitig muss man den Dorfkern so gestalten, dass die Zugänglichkeit zu den Läden auch mit dem Auto sichergestellt wird und praktisch ist.
 
Im Dorfkern soll nur noch der Verkehr sein, der die Kunden zu den Geschäften bringt. Ebenso muss die Zufahrt zu allen Geschäften für die Anlieferung auch mit Lastwagen möglich sein.
 
An die vom Kanton vorgeschlagene Lösung, die Poller zwar einzubauen aber einen Versuchsbetrieb von 6 Monaten zu führen, glauben wir kaum. Der Kanton kann es sich nicht leisten, diese Investition zu tätigen und dann nicht zu benützen.“

„Umgekehrt sinnvoller und günstiger“

Martin Knöpfel, Mr. Feelgood, der sein Bikes-, Boards- und Skates-Geschäft eingangs Schulhausstrasse hat, Mitglied der Begleitgruppe ist und an der Worber-Gwärb-Hauptversammlung einer der Wortführer war, zu BERN-OST: „Uns Detaillisten und Gewerblern sind folgende Punkte wichtig bezüglich Umgestaltung des Zentrums: Erstens muss das Dorf Worb als Einkauftsort attraktiv bleiben. Das heisst, dass so wenig Hindernisse wie Poller und Verbauungen gebaut werden wie möglich.
 
Zweitens sollte der Kanton nach Fertigstellung der Umfahrung 2016 erst mal abwarten, wie sich der Verkehr im Dorfkern entwickelt, das heisst erst einmal keine Poller und keine Erschwernisse für die Autofahrenden, Anstösser und Lieferanten.
 
Der Kanton plant aber sofort nach der Fertigstellung der Umfahrung, die ganze Kernzone mit Pollern und verkehrsberuhigenden Massnahmen zu versehen, und erst dann den Verkehr zu zählen. Umgekehrt wäre sicher sinnvoller, damit man auch sieht, was überhaupt nötig ist. Das wäre mit Sicherheit auch die kostengünstigere Variante."
 
"Attraktivitätsminderung des Dorfes als Einkaufsort"
 
Knöpfel weiter: "Drittens stehen die Gewerbetreibenden der Umgestaltung der Kernzone, wie sie der Kanton vorschlägt, sehr pessismistisch gegenüber. Wir sehen darin eine Attraktivitätsminderung des Dorfes als Einkaufsort, da zuviele Hindernisse für die Autofahrer aufgestellt werden. Es darf nicht sein, dass Nicht-Worber das Zentrum meiden, da die Verkehrsführung zu restriktiv und zu komplizert ist. Das wäre der absolute Beschleuniger des ‚Lädelisterbens‘ und würde sicher auch etliche Gewerdetreibende dazu veranlassen, sich nach einem neuen Standort umzusehen.“

„Zufahrt jederzeit gewährleistet“

Der Kanton nahm zuhanden von BERN-OST Stellung zum „Poller-Koller“ in Worb: „Das Worber Gewerbe befürchtet, dass die geplante Umgestaltung des Worber Zentrums, insbesondere die temporäre Sperrung von Bern- und Bahnhofstrasse zu den Tagesspitzen- resp. Nachtzeiten zu einem Attraktivitätsverlust des Dorfes als Einkaufsort führt und damit Umsatzeinbussen verursacht. Der Kanton nimmt diese Ängste ernst. Gleichzeitig nimmt er mit der Umsetzung des 2006 genehmigten Strassenplans seine Verantwortung gegenüber der Worber Bevölkerung wahr, das Dorfzentrum vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Es ist dies das explizite Ziel des Gesamtprojekts ‚Verkehrssanierung Worb‘, das ein ordentliches öffentliches Verfahren mit Auflage und Mitwirkung durchlaufen hat.

Auch nach Inbetriebnahme der Umfahrungsstrasse wird der kürzeste Weg durch Worb für die allermeisten Verkehrsbeziehungen weiterhin durch das Dorfzentrum, also die Bern- und Bahnhofstrasse führen. Der Druck auf das Zentrum wird bestehen bleiben, vor allem nachts.

Aus diesem Grund sind im Projekt ‚flankierende Massnahmen‘ vorgesehen. Im Rahmen dieser Massnahmen ist eine Umgestaltung des Zentrums vorgesehen, die vollständig vom Kanton finanziert wird. Teil dieser flankierenden Massnahmen ist ein neues Verkehrsrégime, das dafür sorgt, dass der Durchgangsverkehr im Ortskern gegenüber heute massiv reduziert wird, nämlich auf rund ein Drittel des heutigen Verkehrs.
 
Das neue Verkehrsrégime beinhaltet auch eine temporäre Durchfahrtssperre. Nur so können die Grenzwerte bezüglich Lärm- und Luftbelastung eingehalten werden. Nur so ist das Gesamtprojekt umweltverträglich und nur deshalb wurde der Strassenplan 2006 genehmigt."
 
"Das hat nichts mit Sturheit oder bösem Willen zu tun"

Der Kanton weiter: "Die vorgesehenen Poller, die an je einer Stelle der Bern- und die Bahnhofstrasse eingebaut und zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten hochgefahren werden, dienen dazu, den Durchgangsverkehr zu unterbinden. Wichtig zu betonen ist, dass der Ortskern von Worb auch bei hochgefahrenen Pollern nie gesperrt sein wird: Die Zufahrt zu jeder Liegenschaft, zu jedem Geschäft bleibt jederzeit gewährleistet.

Der Kanton ist verpflichtet, das Gesamtprojekt so umzusetzen, wie es genehmigt worden ist, mit Umfahrungsstrasse und mit flankierenden Massnahmen. Das hat nichts mit Sturheit oder bösem Willen zu tun, sondern ist letztlich eine zwingende Vollzugsaufgabe. Wie weit noch Spielraum vorhanden ist um die temporären Sperrzeiten den Wünschen des Worber Gewerbes anzupassen, wird gegenwärtig abgeklärt.

Ob die Umweltziele der Verkehrssanierung Worb erreicht werden, soll eine Erfolgskontrolle zeigen, die spätestens ein Jahr nach Vollendung des Gesamtprojekts durchgeführt wird. Hier werden alle Verkehrs- und Umweltparameter erhoben und mit den bereits 2010 erhobenen Daten vor der Verkehrssanierung verglichen. Einen ersten Hinweis, wie die Umfahrung ihre Funktion als Entlastung des Dorfkerns erfüllen kann, wird die Messphase (Verkehrszählung) nach Inbetriebnahme der Umfahrungsstrasse Anfang 2017 ergeben.“
 
"Auch eine grosse Chance für das Worber Zentrum"

Der Kanton zeigt sich überzeugt, dass die Umsetzung der flankierenden Massnahmen gemäss Strassenplan auch eine grosse Chance für das Worber Zentrum sowohl als Wohn- wie auch als attraktiver, verkehrsarmer Einkaufs- und Gewerbestandort sei.
 
Abschliessend hält der Kanton fest: „Mit einem deutlich reduzierten Verkehrsaufkommen auf der Ortsdurchfahrt bieten sich neue Spielräume für die Entwicklung des Ortskerns als stadtnahes Wohngebiet mit bestmöglichen Voraussetzung punkto ÖV-Erschliessung, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen“.
 
[i] Siehe auch Newsbericht "Worb - 'Denkwürdiger Tag': Spatenstich für Verkehrssanierung und Hochwasserschutz" vom 28.2.2012
 
[i] Mehr über die Worber Verkehrssanierung...

Autor:in
Martin Christen, martin.christen@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 13.04.2014
Geändert: 13.04.2014
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