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Reto Joost: Der Kaminfeger putzt jetzt Solarpanels

Reto Joost ist Kaminfeger in Oberdiessbach. Sein Beruf hat sich in den letzten Jahren verändert. Neben Kaminen reinigt er neu auch Solarpanels auf Hausdächern. Mit BERN-OST spricht er über die Gegenspielerin Wärmepumpe, er erzählt, ob sein Beruf ausstirbt und wie ihm beim Joggen eine Geschäftsidee kam. 

Reto Joost: "Wenn die Solarzellen gereinigt werden, leben sie länger und der Energiegewinn ist grösser." (Fotos: zvg/Rolf Blaser)
Reto Joost: "Kaminfeger ist ein abwechslungsreicher Beruf."

Reto Joost ging es wie vielen anderen auch. Er wusste nach der Schule nicht, was machen, also besuchte er für ein Jahr in ein strenges Internat in der Westschweiz. "Wir waren 27 Jungs dort und wurden gedrillt", sagt Joost heute über die Zeit im Internat. Während eines Wochenendurlaubs entschied er sich, Kaminfeger zu lernen. Worauf er die Lehre im Geschäft seines Vaters antrat.

 

BERN-OST: Reto Joost, war das ein guter Entscheid, die Lehre beim Vater zu beginnen?

Reto Joost: Absolut, es funktionierte gut, ich konnte unterscheiden, ob ich jetzt sein Sohn oder sein Lehrling war. Seit vier Jahren führe ich den Betrieb, mein Vater ist noch ein wenig da und hilft in der Firma mit. Wir sind seit 1927 in Oberdiessbach ansässig. Seit Anfang letzten Jahres gibt es kein Monopol mehr für Kaminfeger.

 

Es gab noch so lange ein Monopol? Was hat sich seither verändert?

Unser Grundjob kommt aus der Brandsicherung. Die Gebäudeversicherung GVB gab bisher vor, dass sämtliche Liegenschaften periodisch überprüft werden müssen, daher das Monopol.

 

Neue Firmen gab es seither nicht, weil es zu wenig Kaminfeger hat. Wir können nur Lehrlinge ausbilden, sonst finden wir keine Leute. Aktuell befinden sich in den Kantonen Bern, Freiburg und Wallis nur gerade sieben Lehrlinge im ersten Lehrjahr. Es wird eng. Auch Leute aus dem Ausland anzustellen ist schwierig, da diese die Schweizer Brandschutzanforderungen nicht kennen. Ein deutscher Kaminfeger putzt lediglich den Kamin, wir übernehmen auch die Wartung der Heizungen, sei es eine Öl-, Gas-, Holzheizung oder ein Cheminée.

 

Wozu braucht es den Kaminfeger heute noch?

Überall dort, wo eine Flamme den Raum heizt. Sei es mit einer Zentralheizung, in einem Einfamilienhaus oder beim Gewerbe. Wenn mit Öl, Holz oder Gas geheizt wird, braucht es uns.

 

Ist es ein Beruf, der am Aussterben ist?

Ich denke nicht. Es ist ein äusserst abwechslungsreicher Beruf mit viel Kundenkontakt. Mal sind wir auf dem Land in Häusern mit Heizungen aus dem 19. Jahrhundert, am nächsten Tag beschäftigen wir uns mit einer modernen Pelletheizung. Unsere Gegenspielerin ist die Wärmepumpe. Diese sind gut für Neubauten, aber für ältere Häuser wird es mit der ökologischen Effizienz schwierig.

 

Die ältere Generation hat es verpasst, unseren Beruf zu modernisieren. Schwarzer Zylinder, schwarzer Kopf und Leiter, dieses Bild ist längst überholt. Aufs Dach steigen wir zu 99 Prozent nie, wir reinigen von innen. Es ist ein technischer Beruf, wir sind mehr mit der Heizung als mit dem Kamin beschäftigt.

 

Ich denke, nicht, dass wir aussterben, aber die Themen ändern sich. Klar werden Öl- und Gasheizungen mit der Zeit ersetzt, aber es gibt auch weniger Kaminfeger. Im Kanton Bern waren in den 80er Jahren um die 110 Betriebe tätig, jetzt sind es noch 40.

 

Neu reinigen Sie auch Solarpanels, wie kam es dazu?

Wir überlegten uns, ob es Sparten gibt, wo wir wachsen können. Wir wollten aber kein anderes lokales Gewerbe verdrängen. Beim Joggen wurde mir bewusst, wie viele Dächer schon mit Solaranlagen ausgerüstet sind und ich dachte mir, auch diese sollten unterhalten und gereinigt werden. Das bieten wir jetzt an.

 

Werden Solarpanels nicht durch den Regen gereinigt?

Der Regen spült das nicht weg. Es empfiehlt sich von Zeit zu Zeit die Anlage zu reinigen, Moos, Vogelkot und ähnliches bleibt sonst haften. Wenn sie gereinigt wird, lebt sie länger und der Energiegewinn ist grösser.

 

Sie führen den Betrieb in der 4. Generation. Ihr Ur-Grossvater hat 1927 als Kaminfegermeister angefangen. Wie hat sich die Arbeit verändert?

Mein Ur-Grossvater kam von Burgistein nach Oberdiessbach, arbeitete hier und machte die Meisterprüfung in drei Tagen. Aus gesundheitlichen Gründen übergab er früh an den Grossvater, dieser musste damals einen dreiwöchigen Kurs für die Meisterprüfung besuchen. Später übernahm mein Vater das Geschäft und jetzt bin ich dran.

 

Es heisst, Kaminfeger bringen Glück. Wissen Sie warum?

Das kommt von früher, als es noch häufiger brannte. Man stellte fest, wenn der Kaminfeger den Kamin gereinigt hatte, kam es zu keinem Kaminbrand mehr. Also sagte man, der bringt Glück.

 

[i] Die Kaminfeger Joost AG in Oberdiessbach beschäftigt zehn Angestellte und bildet drei Lehrlinge aus.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 13.11.2022
Geändert: 13.11.2022
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