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Roland Griessen: Das Abenteuer endete im Spital
Roland Griessen musste zum dritten Mal seine Reise durch die Staaten abbrechen. Zu Fuss wollte er 3500 Kilometer vom Süden in den Norden der USA wandern. Nun wartet er in Richigen auf eine neue Hüfte.
Die Enttäuschung ist Roland Griessen (67) anzumerken. Zu unserem zweiten Gespräch treffen wir uns im Bern-Ost-Kafi. Anfang März sassen wir erstmals zusammen. Damals plante er, den Appalachian Trail zu Ende zu wandern. Daraus wurde auch beim dritten Anlauf nichts.
Die Wanderung ist kein Selbstläufer
Der Appalachian Trail ist eine 3500 Kilometer lange Wanderung vom amerikanischen Bundesstaat Georgia nach Maine. Der Weg führt über Berge, durch Wälder und steiniges Gelände. Griessen hat diesen Pfad erstmals 2017 in Angriff genommen. Nach einer Fussverletzung musste er nach über 1000 Kilometer die Reise abbrechen. Beim zweiten Versuch hatte er Probleme mit der Ernährung. Er verlor an Gewicht und gab erschöpft auf.
Ab in die USA
Beim nächsten Anlauf sollte es besser laufen. Roland Griessen liess sich von einem Ernährungscoach beraten, bereitete sich auf die Wanderung vor und fühlte sich fit. Im April flog er fürs nächste Abenteuer in die USA. Der Plan war, die restlichen 1500 Kilometer nach Maine zu bewältigen. «Keine Ahnung, ob ich es schaffe. Ich werde sehen, wie weit ich komme», sagte Griessen im März und fügte an: «Es wäre vermessen zu behaupten, dass ich den Weg zu Ende mache.»
Zurück auf dem Pfad
Am 7. April nahm er die Route wieder auf und liess am ersten Tag gleich 28 Kilometer hinter sich. Im Gepäck ein Zelt, Essen und das Nötigste. In seinem Blog schrieb er: «Eigentlich wollte ich nach 20 km aussteigen. Aber dann sah ich, dass in etwa sechs Kilometer ein grosser Campingplatz mit allem Komfort und sogar Schwimmbad steht.» Griessen entschied sich, weiter zu gehen.
Der Weg forderte schon wieder alles von ihm. Er schrieb: «Ich musste mich über riesige Felsbrocken kämpfen, was sehr viel Kraft kostete. Appalachian Trail halt. Der Hammer folgte am Schluss. Das Zentrum hatte geschlossen! Weit und breit kein Mensch. So stand ich schlotternd, abgekämpft und etwas ratlos in der Botanik.» Mit einem Taxi fuhr er in ein Hotel und übernachtete dort.
Sturz aus dem Nichts
Griessen wanderte weiter, traf allerlei Leute auf dem Trail. Ab und zu legte er eine kürzere Etappe ein. Die Temperatur schwankte zwischen unter null und angenehmem Frühlingswetter. Er streifte durch abgestorbene Wälder, überquerte Flüsse, genoss den Ausblick übers Land, doch plötzlich geschah es: Roland Griessen stürzte. «Und dies ohne Grund», erzählt er wieder zurück in der Schweiz. «Ich bin nicht gestolpert, der Weg war eben. Ich bin aus dem Nichts hingefallen» Nach dem Sturz konnte er normal weitergehen, der Schmerz sei nicht so schlimm gewesen.
Immer diese Schmerzen
Schon bevor er die Reise antrat, habe er gespürt, dass mit seiner Hüfte etwas nicht stimmte. «In der Physiotherapie hiess es, es sei muskulär und werde wieder verschwinden», so Griessen. Aber der Schmerz verschwand nicht. Im Gegenteil. Morgens wenn er loslief, habe er Schmerzen in der Hüfte gehabt. «Nach zehn Kilometer wurde es schlimmer.» Nach 20 Kilometer habe er sein Limit erreicht. Er hinterfragte die Schmerzen nicht gross. «Ich dachte, mir tut sowieso immer etwas weh und lief weiter. Ich hoffte, es werde besser.» Aber es wurde schlimmer, er stürzte ein weiteres Mal.
Erneuter Abbruch
Nach 370 Kilometer, am 25. Tag stürzte Griessen ein drittes Mal. «Dieser Sturz war in einem Sumpfgebiet, während ich über einen Steg ging. Es war flach, ich fiel hin und lag plötzlich im Sumpf.» Er hatte Glück im Unglück: «Wenn ich in tiefes Wasser gefallen wäre, mit dem 15-Kilo-Rucksack am Rücken, ich weiss nicht, was passiert wäre.»
Die beiden ersten Stürze erfolgten auf einem Waldweg, so Griessen: «Wenn ich auf einer Krete gestürzt wäre, hätte Schlimmes passieren können.» Nach dem Sturz auf dem Steg hatte er eine ‘Schnatte’ am Kopf, die Brille war verbogen, Griessen erschrak, wusste nicht wie ihm geschehen war. Es war das Ende der Reise.
Vernunft hat gesiegt
«Man muss das akzeptieren. Der Frust war am grössten, als ich merkte, ich kann nicht mehr weiterlaufen.» Während der Wanderung hatte er regelmässig in einem Blog über seine Erlebnisse berichtet. Er habe sich damit auch ein wenig unter Druck gesetzt. Im Moment des Aufgebens bedauerte er, seine Blog-Leserschaft zu enttäuschen. Auf einer solchen Reise gebe es immer Momente, in denen man das Ganze hinterfrage. «Wo man denkt, jetzt höre ich auf. Aber die Stürze waren zu viel. Da muss man die Vernunft walten lassen», sagt Roland Griessen zwei Monate später.
Er kanns nicht lassen
Zurück in der Schweiz war er bei verschiedenen Ärzten. Erst hiess es, es sei Arthrose, ein MRI brachte Klärung: Es zeigte einen Riss in der Hüfte. «In meinem Alter bedeutet dies: Ich kriege ein neues Hüftgelenk», zurzeit wartet Griessen auf seine Operation. Der Bescheid des Arztes sei keine Freude gewesen, aber es habe auch eine gute Nachricht gegeben. «Wenn die Operation gut verläuft, kann ich den Trail noch fertig laufen.» Er will es nicht sein lassen. Klar, werde auch noch seine Frau ein Wort mitreden, sagt Roland Griessen und fügt an: «Von aussen sieht der Trail gefährlicher aus, als er ist.»
[i] In seinem Blog schreibt Roland Griessen über den Trail und über andere Wanderungen
Erstellt:
02.08.2023
Geändert: 02.08.2023
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