• Wirtschaft
  • BERN-OST exklusiv

Stall Bar Oberdiessbach: "Es geht uns mies"

Gastronomen hoffen, dass sie im März öffnen können. Wer eine Bar betreibt, dem nützen Öffnungszeiten bis abends um sieben Uhr nichts. Wir haben mit der Besitzerin der Stall Bar in Oberdiessbach gesprochen. Sie erzählt vom Kampf mit dem Vermieter und von Nachbar*innen, die reklamieren.

Das Stall Bar Team (Salome, Irina und Nadja) wartet auf die Öffnung. (Bild: zvg)

Es sind harte Zeiten für alle. Wer aber nach wie vor nicht öffnen kann, für den oder die sind die Zeiten noch härter. Irina Lehmann hat vor fünf Jahren die Stall Bar in Oberdiessbach eröffnet. Wir wollten von ihr wissen, wie es läuft.

 

"Es geht uns ganz mies. Seit dem 22. Dezember haben wir zu. Uns fehlt der Kontakt mit unseren Gästen. Es ist vor allem auch für Alleinstehende eine schwierige Zeit. Leute, welche die sozialen Kontakte benötigen. In der Bar ist man da für die Leute, man hört zu. Auf dem Land gibt es viele, die das brauchen. Auch Menschen, welche im Pflegebereich arbeiten, die hören den ganzen Tag Patient*innen zu. Sie kommen gerne noch in eine Bar um abzuschalten und sich mit jemanden unterhalten zu können. Das fehlt den Leuten extrem.

 

Klar, fehlt den Leuten auch die Party, aber das ist eher das Sahnehäubchen. Vielen fehlt auch das Feierabendbier. Auch Ehefrauen sagen mir das, dass die Männer, welche ins Feierabendbier gehen, entspannt nach Hause kommen. Wir wirken da wie ein Stossdämpfer."

 

Wie kommen Sie durch die Pandemie?

"Wir haben das Glück, dass wir einen guten Sommer hatten. Aber das reicht nicht. Ich habe ein paar Mal mit dem Vermieter gesprochen, doch ich erhielt nur eine  Kündigungsandrohung. Ich musste dann die ausstehenden Mieten zahlen, indem ich mich verschuldete. Ich musste privat Kredite aufnehmen. Hoffe, ich kriege das wieder rein. Ich habe die Bar ja noch nicht lange, in den ersten zwei Jahren habe ich gratis gearbeitet. Nun wäre die Zeit gekommen, endlich lief der Laden, doch dann kam Corona. Letzen Frühling hatte ich eine Riesenangst. Dafür war der Sommer super, ich hoffe, dass es wieder so kommt."

 

Haben Sie vom Kanton Hilfe erhalten?

"Ich kriege als Erwerbsersatz 80 Prozent vom versicherten Lohn. Bin nun am Schauen, wie es aussieht mit der Härtefallregelung."

 

Warum haben Sie keinen Spendenaufruf gemacht?

"Ich wollte das nicht, bin nicht der Typ der bettelt. Ich habe da eine Riesenhemmschwelle, hinzustehen und zu sagen: Es geht nicht, ich brauche euch. Ich hoffte still immer, dass ein Gast eine Aktion initiiert. Ich denke es geht vielen Wirt*innen so, dass sie sich nicht getrauen."

 

Wie lief die Kalenderaktion?

"Wir hatten ein Kalenderprojekt gestartet mit Firmen aus Oberdiessbach. Unser Stall Bar-Team hat Firmen aus Oberdiessbach vorgestellt. Der Kalender kam gut an, wir konnten den für 45 Franken verkaufen. Wir hatten 250 gedruckt, davon konnten 200 verkauft werden. Wer noch einen will, es hat noch."

 

Warum haben Sie es nicht mit Take Away versucht?

"Wir haben uns das überlegt, aber wir sind eine Bar. Bier über die Gasse auszuschenken war für uns kein Thema. Dann kam noch die 5-Personen Regel dazu, was soll man da machen? Es ist einfach schwierig, deshalb liessen wir das sein."

 

Was erhoffen Sie sich vom Bundesrat?

"Ab April sollten wir draussen wieder öffnen können. Wir haben eine Terrasse, zwar an der Hauptstrasse, aber besser als nichts. Wir wissen noch nicht, was im April gilt. Vielleicht darf ich drinnen Getränke verkaufen, aber die Gäste dürfen nicht draussen konsumieren. Das muss ich noch abklären. Da ich viele Feinde habe, die wegen jedem Lärm reklamieren, wird es schwierig. Wenn sich ein paar Leute draussen unterhalten, wird's halt schnell mal laut. So kommt dann noch eine Busse dazu. Es geht so schnell und schon steht die Polizei da."

 

Warum denn das?

"Es gibt schon Momente, in denen ich mich frage, machen wir noch weiter oder gehen wir Konkurs? Gastronomie ist immer schwierig, man steht immer mit einem Bein im Knast. Es gibt Jugendliche, die zu jung sind um Alkohol zu trinken. Im Stress kann es aber passieren, dass so einer doch ein Bier bestellt. Man kann sich sehr schnell strafbar machen. Wenn's läuft und die Stimmung gut ist, wird’s immer schwierig. Dann ruft jemand an, weil ein Auto falsch parkiert wurde, schon kommt wieder die Polizei.

 

In Oberdiessbach sind wir alles Wirtinnen. Das Café Moschti, der Sternen und die Stall Bar werden von Frauen betrieben. Der Polizist sagt, wir Frauen hätten die Ausgänger nicht im Griff. Das ist doch ein Witz."

 

Trotz allem machen Sie weiter?

"Ja, weil es Spass macht! Wir haben im Herbst gestaunt, woher unsere Gäste kommen. Wir wussten das vorher ja nicht. Als sich die Gäste registrieren mussten, konnten wir das kaum glauben. Wir hatten Leute in der Bar aus Urtenen, Wimmis, Frutigen, Unterseen, Iseltwald, Konolfingen, Münsingen und Belp. Eine junge Gruppe kam aus Interlaken. Sie sagten, dort oben laufe nichts mehr. Die kamen mit dem Zug zu uns in die Bar und gingen mit dem Zug wieder nach Hause.

 

Wir hatten für das Contact Tracing ein Excelformular für 100 Gäste vorbereitet. Am Ende hatten wir über 1000 verschiedene Gäste bewirtet. Und wir hatten keinen einzigen Coronafall!"

 

Was erhoffen Sie sich von der Zukunft?

"Alle sprechen jetzt davon, dass sie Geld sparen können, weil alles zu ist. Ich hoffe, die Leute kommen dann auch, wenn wir geöffnet haben und kehren bei uns ein. Wir brauchen das."

 

[i] Stall Bar, Oberdiessbach


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 28.02.2021
Geändert: 28.02.2021
Klicks heute:
Klicks total: