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Stettlen - Lädelen wie früher

Quelle
Berner Zeitung BZ

Seit 2003 sind im Kanton Bern rund 100 eigenständige Bäcker verschwunden. In Stettlen geht man weiterhin zum Beck, zum Metzger und in den Käseladen. Ein gemeinsames Geschäftszentrum könnte die lokalen Gewerbler unterstützen.

Elsbeth Julier will der kommenden Konkurrenz im Bernapark entgegenhalten. (Foto: Adrian Moser)

In Stettlen bewegt sich was. Im Bernapark, der ehemaligen Kartonfabrik, steht ein Baukran, die Gebäude sind mit Gerüsten eingekleidet. Laut den Investoren soll hier «ein innovatives Quartier» entstehen.

 

Im Ortskern scheint es dagegen, als wäre das Wort Supermarkt ein Fremdwort. Der Bäcker verkauft die Brötchen und der Metzger die Wurst. Beim «Chäs Vreni» gibts den Käse, und am Marktstand an der Strassenkreuzung wird Gemüse feilgeboten. Dieses Bild könnte sich in Zukunft ändern. Zumindest zeigt dies eine von der Gemeinde in Aufrag gegebene Machbarkeitsstudie.

 

Belebter Dorfkern

Verena Zwahlen leitet die Gemeindeverwaltung in Stettlen. Sie steht an der grossen Fensterfront des neuen Verwaltungsgebäudes und blickt auf das Nachbargrundstück an der Bernstrasse 100. «Wir probieren, ob wir das Zentrum zum Leben erwecken können», sagt sie. «Wir wollen das Dorf nicht aufgeben.»

 

Das Gebäude auf der Parzelle gehört der Gemeinde, steht mitten im Dorfkern und könnte bald abgerissen werden. Die Post betreibt darin eine Filiale, die Schliessung droht. Aus der Poststelle wird in Zukunft wohl eine Agentur. Doch in welchen Stettler Laden soll die Agentur einziehen?

 

Eine Machbarkeitsstudie, die mehrere Zehntausend Franken kostete, zeigt, wie der Dorfkern von Stettlen aufgewertet werden könnte. Das heutige Gebäude an der Bernstrasse 100 würde durch zwei Neubauten ersetzt werden. Mindestens 20 Wohnungen hätten darin Platz. Im Erdgeschoss könnte ein Ladenzentrum entstehen.

 

Hier sieht das Projekt aber nicht vor, dass ein Grossverteiler einzieht. Das lokale Gewerbe soll näher zusammenrücken, sich in einem Laden vereinen und gleichzeitig eine Postagentur betreiben.

 

Positive Stimmung

Bis die Bewohner von Stettlen nicht mehr von der Bäckerei in die Metzgerei und in den Käseladen gehen, muss das Projekt noch einige Hürden meistern. Zurzeit sucht die Gemeinde einen Investor. «Wir möchten einen Investor, der nicht auf maximale Rendite setzt», sagt Zwahlen. Die Gemeinde wolle einen Geldgeber, der das lokale Gewerbe respektiert. Im Anschluss müsste das Volk das Projekt noch absegnen.

 

Doch wie ist die Stimmung bei den Gewerblern? Grundsätzlich gut, heisst es von allen Seiten. Thomas Probst, Inhaber der Metzgerei, will das Projekt weiter vorantreiben: «Um das Überleben zu sichern, müssen wir auch Neues wagen. Das gehört zum Unternehmertum dazu.»

 

Auch der Inhaber der Bäckerei Krenger und die Leiterin des Maxi-Ladens, wo die Käsetheke integriert ist, sind positiv gegenüber einem Ladenzentrum eingestellt. So sagt etwa Stephan Krenger: «Heute ist es aus der Mode gekommen, dass man in drei verschiedene Läden einkaufen geht.» Und die Leiterin des Maxi-Ladens, Elsbeth Julier, sagt, dass ein Zusammenschluss auch dem Bedürfnis der Kunden entsprechen würde. «Die Kunden wollen am liebsten alles in einem Laden haben.»

 

Kontrapunkt zum Bernapark

Der Dorfkern entlang der Bernstrasse ist zurzeit kein ruhiger Flecken. Alle paar Sekunden rauscht ein Auto vorbei. In Zukunft wird der Verkehr nur noch mit Tempo 30 durch das Dorf rollen. Für den Gemeindepräsidenten Lorenz Hess (BDP) ist dies der optimale Zeitpunkt, um auch den Dorfkern aufzuhübschen. Da die geplanten Häuser etwas zurückversetzt zu stehen kommen würden, könnte ein Platz zum Verweilen entstehen. Hess betont: «Ohne Läden und Restaurants ist ein Dorfzentrum tot.»

 

Klar ist: Die Detaillisten fürchten sich vor dem Bernapark, der am Eingang des Dorfes entsteht. Die Angst ist begründet. Ein Grossverteiler wird dort einen Supermarkt eröffnen. Der allgemeine Trend könnte sich hier im Kleinen zeigen: Die Zahl der eigenständigen Bäckereien und Metzgereien geht rapide zurück. Im Jahr 2003 gab es im Kanton Bern noch 346 selbstständige Bäckereien. Seither sind rund 100 eigenständige Betriebe verschwunden. Der Rückgang der Verkaufsstellen ist zwar weniger markant. Dies, weil Bäckereiketten immer mehr ehemalige Familienbetriebe übernehmen und als Filiale betreiben. Doch der Trend ist eindeutig: Tankstellenshops und Supermärkte verdrängen Bäckereien und Metzgereien.

 

Diesem Trend wollen die lokalen Gewerbler etwas entgegensetzen. Das Ziel: Im Ortskern Produkte aus dem Dorf anbieten, die es im Supermarkt nicht gibt. «Wir müssen im Dorfkern ein attraktives Angebot schaffen», sagt etwa Elsbeth Julier vom Maxi-Laden. «So können wir der kommenden Konkurrenz im Bernapark etwas entgegenhalten.»


Autor:in
Mathias Gottet, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 20.09.2019
Geändert: 20.09.2019
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