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Stettlen: Des Gemeindepräsidenten erstes Mal – und dann gleich so!

Seit einem halben Jahr ist Christian Kaderli Gemeindepräsident von Stettlen. Er fühlt sich wohl in seinem Amt und würde sich jederzeit wieder melden. Seine erste Gemeindeversammlung, sagt er im Rückblick, habe ihn jedoch ziemlich herausgefordert: «Das erste Mal – mit einem Jahrhundertprojekt!»

Christian Kaderli ist froh: Der Ausbau des Bernaparks kann stattfinden. (Foto: zvg/cw)
Nach einem halben Jahr im Amt: Christian Kaderli fühlt sich wohl als Gemeindepräsident. (Foto: zvg/stettlen.ch)
Bernapark: Wohnraum für 2000 Menschen ist angedacht... (Foto: cw)
...und Gewerberaum für ebensoviele Angestellte. (Foto: cw)

«Speziell» sei sie für ihn gewesen, seine erste Gemeindeversammlung, kommentiert Christian Kaderli (GLP). Er ist seit einem halben Jahr Gemeindepräsident, und zur Debatte stand kein Nasenwasser, sondern «eher ein Jahrhundertprojekt», wie er findet: Die Ortsplanungsrevision.

 

Wie ein Stein auf dem Herzen gelegen

Tatsächlich habe er vor der Versammlung nicht sehr gut geschlafen, sagt er, die Aufgabe sei ihm wie ein grosser Stein auf dem Herzen gelegen. Vierzehn Jahre lang hatte sein Vorgänger Lorenz Hess an dieser Revision gearbeitet, und eigentlich hätte sie im letzten November zur Abstimmung gelangen sollen. Zu vieles sei aber damals noch nicht bereit gewesen: Beispielsweise Fragen zur Buswendeschlaufe, zu den Verbindungswegen ins Bleichequartier oder zum Leitungsunterhalt im Bernapark.

 

Deshalb musste er als Neuer übernehmen: «Der Gemeinderat hat offenbar lieber das Risiko ‘ich als Neuling’ in Kauf genommen als mit ungeklärten Sachfragen eine Rückweisung zu riskieren.» Denn die Ortsplanungsrevision stellt die Weichen für die weitere Entwicklung des Bernaparks: Wohnungen für bis zu 2000 Personen sind möglich, Raum für Gewerbe – und damit bis zu 2000 neue Arbeitsplätze – können entstehen. Eine grosse Kiste.

 

Für einen «Marschhalt» und gegen den Wasserbauplan

Schon im Vorfeld erfuhr Kaderli, dass die Ortsplanung zwei Gegnergruppen auf den Plan gerufen hatte: Die einen kritisierten den Umfang der möglichen Entwicklung und den Umstand, dass Fragen zum Wasserbauplan und zur Erschliessungsstrasse Schwandiweg noch nicht abschliessend geklärt sind.

 

Die anderen befürchteten, ein Ja zur Ortsplanungsrevision bedeute, dem Gemeinderat auch gleich eine Blanko-Einwilligung für den Wasserbauplan zu geben. Diese Befürchtung sei unbegründet, beruhigt Christian Kaderli: Dabei gehe es um Investitionen von mehreren Millionen Franken – «und alles über 400'000 Franken muss eh vor das Volk».

 

Die Worble überschwemmt auch so

Auch sei «kein Wasserbau» keine Option: Die Worble habe schon in der Vergangenheit mehrmals Felder überschwemmt, und die Gemeinde sei aufgrund der übergeordneten Gesetzgebung wasserbaupflichtig. «Die vorgesehene Kombination von Rückhaltebecken, Renaturierung und Umgehungsgerinne macht das Problem berechenbarer», erklärt Kaderli.

 

Hinzu komme: «Die vom künstlichen Rückhaltebecken betroffenen Landwirte würden künftig für die verursachten Schäden entschädigt.» Das hatte er im Vorfeld zur Gemeindeversammlung an mehreren Anlässen ausführlich dargelegt.

 

Und gegen geplante Neubauten

An der Gemeindeversammlung wurde dann nebst einem Rückweisungsantrag auch ein Antrag gegen geplante Neubauten am Rand des Bernapark-Geländes eingereicht. Und einer für den Erhalt einer nicht bebauten Grünfläche. Als Ersatzmassnahme für diese sei unter anderem eine Hecke vom Schwandiwald bis zur Worble vorgesehen, hielt Christian Kaderli entgegen. Und: «Diese Hecken sind ökologisch wertvoller als die bestehende Grünfläche.»

 

Die Vorbehalte und Diskussionen mit dem Tenor «macht weniger, macht weniger schnell – oder plant doch lieber endlich das Dorfzentrum» vermochten die anwesenden Stimmberechtigten nicht zu überzeugen. Der Rückweisungsantrag und auch die diversen Einzelanträge wurden einer um den anderen deutlich abgelehnt.

 

Beinahe verpasst…

Als alle Einzelabstimmungen zugunsten der Ortsplanungsrevision durchgegangen waren, fühlte sich Kaderli derart erleichtert, dass ihm gleich ein formeller Faux-Pas unterlief. Er lacht, als er an diesen Moment zurückdenkt: «Beinahe hätte ich verpasst, zur Schlussabstimmung aufzurufen.» Schnell machte ihn die langjährige Gemeindeschreiberin Verena Zwahlen darauf aufmerksam.

 

…und doch gut ausgegangen

Und zu Kaderlis Erleichterung ging auch diese Abstimmung für den Gemeinderat gut aus: Mit nur 23 Gegenstimmen nahm die grosse Mehrheit der 261 anwesenden Stettler:innen die Ortsplanungsrevision an.

 

Dieses Resultat nach all den Diskussionen wertet er doppelt positiv: «Alle Gegenargumente wurden diskutiert – und trotzdem wurde die Ortsplanungsrevision angenommen», sagt er. Die rege Beteiligung an der Versammlung – über elf Prozent aller Stimmberechtigten waren dabei – zeige eindeutig, dass die Gemeinde das wolle, nicht nur einzelne.

 

«Demokratie in ihrer besten Form»

Dass das Resultat erst nach einigen Diskussionen zustande gekommen war, bereitet dem Gemeindepräsidenten kein Kopfzerbrechen: «Ich diskutiere gern, vor allem wenn es sachlich vor sich geht.» An der Gemeindeversammlung sei das der Fall gewesen. Und besonders gefreut habe er sich am Schluss, dass einer der Antragsteller zu ihm ging und ihm die Hand schüttelte. «Das ist Demokratie in ihrer besten Form.»

 

Und danach geht es gleich weiter

In der Nacht danach, schmunzelt Christian Kaderli, habe er dann trotz ausgiebigem Apéro deutlich besser geschlafen. Aber auch nach einem so wegweisenden Entscheid ist nicht einfach alles erledigt: Anfangs Juli will der Gemeinderat die neuen Legislaturziele finalisieren und nach den Sommerferien die entsprechenden Massnahmen festlegen.

 

Zudem, sagt Kaderli, müssen die mit der Ortsplanung verbundenen Drittprojekte vorangetrieben werden. Dazu gehören der Wasserbau, der Schwandiweg und der Ausbau des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS) auf Doppelspur.

 

Vor zwei Jahren abgelehnt...

Ausserdem will er mit dem Gemeinderat einen neuen Anlauf nehmen und die Gestaltung des Dorfzentrums angehen. Dies war an der Gemeindeversammlung ebenfalls gefordert worden, aber dort hatte Kaderli deutlich abgebremst: «Die Neugestaltung wurde 2022 abgelehnt, und so mir nichts, dir nichts lässt sich nicht eine neue Vorlage aus dem Hut zaubern.»

 

...jetzt geht es wieder an die Gestaltung des Dorfzentrums

Rund um das Dorfzentrum stünden noch zahlreiche Fragen an: Was alles gehört genau zum Dorfzentrum? Welche Nutzungen werden dort gewünscht? Sollen Wohnungen geschaffen werden? Gewerberäume? Wie soll das aussehen? - Diese Fragen müsse man alle von Grund auf neu bearbeiten: «Alles steht wieder quasi auf Null.»

 

Auch der Vorschlag zur Bauherrschaft war vor zwei Jahren kritisiert worden: Das Areal sollte damals an die Firma Halter AG verkauft werden, worauf einige Stimmbürger:innen monierten, sie wollten lieber «nicht das Tafelsilber nach aussen verscherbeln». Deshalb müsse auch diesbezüglich eine neue Lösung definiert werden, sagt Christian Kaderli.

 

Herausforderung und Abwechslung

Zudem, erklärt er, müssen «die zahlreichen Vorhaben priorisiert und die vorhandenen Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden. Das gelte auch für ihn selbst:  Kaderli arbeitet zu 80 Prozent als Leiter Busbetriebe beim RBS.

 

Trotz Arbeitslast freut er sich sehr auf die kommenden Aufgaben: «Ich liebe Herausforderungen und Abwechslung.» In dieser Gemeinde mit dreieinhalb Quadratkilometern Land und rund 3500 Einwohner:innen mitzugestalten und mitzuwirken sei einfach «enorm spannend».

 

Würde er wieder kandidieren?

Ob er noch einmal für das Gemeindepräsidium kandidieren würden, wenn er alles gewusst hätte? Er lässt noch einmal kurz die Gemeindeversammlung Revue passieren, dann antwortet er ohne zu zögern: «Ja, unbedingt.» Und doch sei er sehr erleichtert gewesen, als die erste Gemeindeversammlung unter seinem Präsidium gut überstanden war.

 

Der Stein ist vom Herzen gefallen

So erleichtert, dass er die Gemeindeversammlung nach der Abstimmung fragte: «Habt ihr gehört, wie mir der Stein vom Herzen gefallen ist?» Immerhin hatte Gemeindepräsident Kaderli damit seinen ersten grossen Brocken erfolgreich gemeistert, und dem Ausbau des Bernaparks steht nichts mehr im Weg.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 02.07.2024
Geändert: 02.07.2024
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