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Stichwahl Oberdiessbach: "Darf" eine junge EVP-Frau die SVP angreifen?

Selbstverständlich darf sie das. Dieser Meinung scheinen aber nicht alle in Oberdiessbach zu sein. Wir fragen, was sich die Frauen im Wahlkampf alles anhören müssen und welche Kandidatin die besseren Chancen hat.

Gerber gegen Hari - wer regiert Oberdiessbach? (Bilder: zvg)
Bettina Gerber (Die Mitte): "Man darf sich nie sicher sein, dass man gewinnt. Die Wahl bleibt unberechenbar."
Jasmine Hari (EVP): "Oberdiessbach wünscht eine Veränderung, sonst würden nicht zwei junge Kandidatinnen im zweiten Wahlgang stehen."

Eine Frau wird Ende Monat zur Gemeindepräsidentin von Oberdiessbach gewählt. Beim ersten Wahlgang holte Bettina Gerber für die SVP 514 Stimmen, Jasmine Hari von der EVP 428. Für beide Kandidatinnen gilt es nun, möglichst viele Leute an die Urne zu holen.

 

Gerber mit Rückenwind

Es sieht nach einem klaren Rennen aus. Bettina Gerber hat die SVP im Rücken, welche in Oberdiessbach eine Macht ist. Die SVP bringt allein schon 40 Prozent der Stimmen. Zudem hat die FDP eine Wahlempfehlung für Bettina Gerber abgegeben (BERN-OST berichtete). Gerber ist nicht SVP-Mitglied, sondern war vor Jahren der BDP (heute Die Mitte) beigetreten. Sie kann also auch mit Stimmen aus der Mitte rechnen.

 

Wir zählen zusammen: SVP plus Teile der FDP plus Stimmen von BDP/Mitte müssten wohl mehr als die Hälfte der Stimmen ausmachen. Gerber wäre in dem Fall gewählt und würde als Präsidentin ins Gemeindehaus einziehen. Ein klarer Fall?

 

Hari muss Vollgas geben

Wäre da nicht auf der anderen Seite Jasmine Hari. Rein rechnerisch sieht es bei Hari nicht so deutlich aus. Hari kann auf die Stimmen aus dem EVP-Lager zählen. Zudem wird sie von SP und Grünliberalen (Oberdiessbach-Mitte-Links) unterstützt. Hari ist im Dorf präsent und gut vernetzt. Wie bereits bei den Gemeinderatswahlen wird Hari auch bei der Stichwahl Stimmen aus dem FDP-Lager kriegen.

 

Es stellt sich die Frage, wie viele aus dem FDP-Lager Hari unterstützen. Da Hari keine Macht im Rücken hat, muss sie auf Goodwill bei den Wähler:innen von OML, der FDP und den Parteilosen hoffen. Hari hat also fast keine Chance, kann sie sie nutzen?

 

Hari: Persönliche Angriffe per Telefon

Jasmine Hari sagt zur Ausgangslage: "Bettina Gerber ist Favoritin. Sie hat die stärkste Partei hinter sich." Hari glaubt an ihre Chance und hofft, "dass sich Unentschlossene auf meine Seite stellen." Sie habe in letzter Zeit mit vielen Leuten Gespräche geführt. Da komme es auch immer wieder zu despektierlichen Äusserungen ihr gegenüber. Häufig seien es ältere Männer, welche sich per Telefon meldeten: "Sie finden, dass es eine Frechheit sei, dass eine junge EVP-Frau gegen die SVP antritt."

 

Hari sagt dazu, das seien Männer, die Mühe hätten, dass eine 32-jährige Frau zur Wahl ums Gemeindepräsidium antritt. Sie habe im Wahlkampf viel erlebt: "Ich konzentriere mich auf meinen Weg. Oberdiessbach wünscht eine Veränderung, sonst würden nicht zwei junge Kandidatinnen im zweiten Wahlgang stehen."

 

Gerber: Es bleibt unberechenbar

Auch Bettina Gerber bestätigt, "dass das Erstaunen in Oberdiessbach gross ist, dass kein Mann mehr im Rennen ist." Das habe schon für Augenwischen gesorgt. Gerber will sich nicht als Favoritin sehen, bestätigt aber: "Rein prozentmässig bin ich wohl schon in der Favoritenrolle." Sie freut sich über die Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager: "Man darf sich nie sicher sein, dass man gewinnt. Die Wahl bleibt unberechenbar."

 

Am 28. November wird zum zweiten Mal eine Frau ins Präsidium gewählt, dies werde vermutlich etwas verändern: "Wir Frauen haben ein wenig mehr Geduld als ein Männergremium. Bei uns steht die Antenne mehr auf Empfang. Das heisst, wir können zuhören und hinschauen und machen nicht einfach drauflos."

 

[i] Bettina Gerber (43) kandidiert für die SVP. Sie erhielt bei der Gemeinderatswahl im September am meisten Stimmen aller Kandidierenden. Sie ist Mitglied bei der Mitte, vormals BDP. Gerber ist Gerichtspräsidentin am Regionalgericht Bern-Mittelland. Sie wohnt mit ihrer Familie in Bleiken

 

[i] Jasmine Hari (EVP, 32) rutschte auf Anfang Jahr für den zurückgetretenen Hanspeter Schmutz in den Gemeinderat nach und wurde im September mit einem Glanzresultat wiedergewählt. Als Gemeinderätin leitet sie das Ressort Soziales. Hari restauriert alte Möbel und betreibt den Einrichtungsladen Härzstück. Sie wohnt mit ihrer Familie in Aeschlen.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost
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Erstellt: 18.11.2021
Geändert: 18.11.2021
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