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Sumiswald/Konolfingen - Ungewollter Reichtum dient den Armen

Quelle
Berner Zeitung BZ

Wenn andere abwinken, springt die Stiftung bäuerlicher Solidaritätsfonds als Darlehensgeberin ein. Die Organisation mit Sitz in Sumiswald hilft Landwirten seit 50 Jahren.

Otto Locher wollte mit seiner Stiftung die kleinen Bauernbetriebe erhalten, von denen es im Emmental viele gibt. (Foto: PD)

Wenn ein Landwirt einen neuen Stall bauen will, kann er das dafür nötige Münz selten unter der Matratze hervorklauben. Er ist auf Geldgeber angewiesen und wendet sich in der Regel an die Bernische Stiftung für Agrarkredite. Doch diese vergibt ihre zinslosen Darlehen nach klar definierten Vorgaben. Wird eine Bedingung auch nur knapp verfehlt, geht der Antragsteller leer aus. In diesem Fall bleibt dem Bauwilligen im Kanton Bern aber immer noch die Hoffnung auf ein Darlehen von der Stiftung bäuerlicher Solidaritätsfonds. «Wir helfen unbürokratisch», sagt Geschäftsführer Ueli Haldimann. Wenn der Empfänger den Betrieb, auf dem er das Geld investieren will, selber bewirtschaftet, hat er die wichtigste Bedingung erfüllt.

 

Nicht viel, aber immerhin

Riesig sind die Beträge jedoch nicht, die von der Stiftung auf Gesuch hin überwiesen werden. Sie belaufen sich in der Regel auf 20’000 bis 40’000 Franken. Das Geld steht zinsfrei zur Verfügung und muss innerhalb von 12 Jahren zurückbezahlt werden. Die Darlehen dienen dazu, dass «sich Benachteiligte durch eigene Arbeit selber weiterhelfen können». So umschrieb es Otto Locher, der die Stiftung vor 50 Jahren gegründet hat. Jetzt feiert sie, die ihren Sitz in Sumiswald hat, also Jubiläum. Seit 20 Jahren ist Ueli Haldimann, administrativer Leiter der Kanzlei Landnotariat + Advokatur, Geschäftsführer. Er stellt fest: «Durch die tiefen Zinsen werden wir weniger oft mit Gesuchen überrannt als vor 20 Jahren.» Heute seien es vor allem Bewirtschafter kleiner Betriebe, von denen es im Emmental viele gibt, denen ein Darlehen in der genannten Höhe diene. «Für einen Mittellandbauern, der für anderthalb Millionen Franken einen neuen Boxenlaufstall bauen will, sind wir eine Nummer zu klein», gibt Haldimann zu bedenken.

 

Verzichten und dienen

Otto Locher hatte ohnehin die kleinen Betriebe im Auge, als er die Stiftung zusammen mit seiner Frau gründete. Er war 1910 in Bigel bei Schafhausen als Sohn eines Bauernehepaars zur Welt gekommen, hat selber Bauer gelernt und kaufte 1944 den Landwirtschaftsbetrieb Tonisbach in Konolfingen. Daneben half er zuerst den bernischen, später den schweizerischen Pächterverband gründen, amtierte als Redaktor für dessen Organ «Das Landvolk» und engagierte sich auch politisch. Von 1969 bis 1971 sass er für die Vorläuferin der SVP im Nationalrat. Otto Lochers Mission war der Kampf gegen «das vorherrschende materialistische Denken». Er schrieb: «Darum wurde ich nie müde, zum Umdenken aufzufordern und auch selber den Weg des teilweisen Verzichtes und des Dienens am Mitmenschen zu suchen.» Er warnte vor den Gefahren der industriellen Landwirtschaft.

 

Plötzlich reich

Zum Vermögen, das später in die Stiftung fliessen sollte, kam Otto Locher unverhofft. Gegen seinen Willen wurde er auf einen Schlag sehr reich: Der Tonisbach in Konolfingen wurde in die Bauzone umgeteilt. Das bereitete ihm schlaflose Nächte. Denn wo früher des Bauern Saat aufging, wuchs später die heutige Nestlé- Fabrik aus dem Boden. «Ich bekämpfte seit je die Bodenspekulation als etwas Unehrenhaftes, und nun wurde ich selber mit diesem Schicksal konfrontiert», klagte Locher. Das war ihm so zuwider, dass er mit seiner Familie beschloss, einen Teil des Baulandes in eine Stiftung einzuwerfen. Die einen hätten ihn dafür als Heuchler verspottet, «andere glaubten gar, mir fehle es im Kopf».

 

Seit einem halben Jahrhundert leiht die Stiftung, die über ein Vermögen von einer Million Franken verfügt, nun Geld. Und spendet Mut: Der Stiftungsrat stellt fest: Manche Bauernfamilie habe dank der Unterstützung beschlossen, «weiter dranzubleiben in schwieriger Zeit».


Autor:in
Susanne Graf, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 03.12.2019
Geändert: 03.12.2019
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