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Tier des Monats Juni: Das Reh – wild, scheu und mitten unter uns
Für viele ist es jedes Mal ein bewegender Moment, wenn man zu Fuss im Wald unterwegs ist und plötzlich ein Reh sieht. Rehe sind scheu und wagen sich deshalb erst in der Dämmerung aus dem Wald. Das war aber nicht immer so.
Juni ist Setzzeit. Das heisst: Rehe bringen jetzt ihre Kitze zur Welt. Um sie zu schützen, legen sie die Neugeborenen versteckt im hohen Gras ab – meist unbeweglich und völlig geruchslos. Für Spaziergängerinnen, Hundehalter und Bauern bedeutet das: Zurückhaltung ist überlebenswichtig.
Denn sobald ein Kitz vom Menschen berührt wird, kann es von der Mutter verstossen werden. Und wenn ein Hund es aufspürt, ist es meist zu spät. Darum gilt im Juni: Hunde an die Leine.
Biologie: Aus der Familie der Hirsche
Das Reh gehört zur Familie der Hirsche, ist aber deutlich kleiner als der Rothirsch. Es lebt meist einzelgängerisch oder in kleinen Gruppen. Anders als oft angenommen, sind Rehe keine Waldtiere per se, sondern bevorzugen strukturreiche Waldränder, Heckenlandschaften oder Lichtungen.
Vom Tag in die Nacht – wegen uns
Rehe waren ursprünglich vor allem bei Tageslicht aktiv. Doch je mehr der Mensch sich ausdehnt, hat sich ihr Rhythmus verändert. Aus Vorsicht vor Störungen verlagerten Rehe ihre Aktivität zunehmend in die Nacht. Was viele für ein «typisch nachtaktives Tier» halten, ist in Wahrheit ein stiller Rückzug – eine Reaktion auf unsere Rastlosigkeit. Das Reh bleibt sichtbar, wo wir es in Ruhe lassen. Und es verschwindet, wo wir zu laut, zu schnell und zu viele sind.
Das Reh frisst nicht, es äst
Rehe sind keine simplen Grasfresser, sie suchen sich gezielt die nahrhaftesten Pflanzenteile aus. Knospen, junge Triebe, Kräuter, Beeren, Blätter – das Reh wählt mit feiner Nase und noch feinerem Geschmack. Häufig verlassen die Rehe den Wald um am Rand zu äsen. Dabei kommt es auf viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt. Typisch ist das sogenannte Wiederkäuen im Wechsel mit Äsungsphasen – meist in Deckung.
Mensch & Reh: Ein konfliktreiches Miteinander
Die Zahl der Rehe im Kanton Bern ist über die Jahre einigermassen stabil geblieben. Im letzten Jahr lebten gemäss Jagdinspektorat 26'800 Rehe im Kanton. Davon werden pro Jahr um die 5000 erlegt, 3500 sterben anderweitig, wobei fast die Hälfte im Strassenverkehr. Rehe richten auch Schäden an, sei es im Wald oder in der Landwirtschaft. Besonders junge Bäume werden verbissen, Maisfelder geschädigt.
Fazit: Das Reh braucht Ruhe
Das Reh ist kein «Bambi». Es ist ein hochangepasstes Wildtier mit faszinierenden Instinkten und Überlebensstrategien – aber es ist äusserst störungsempfindlich. Wer draussen unterwegs ist, kann mit etwas Abstand dazu beitragen, Rehe möglichst wenig zu stören.
[i] Das männliche Reh ist ein Rehbock, das weibliche Reh (Ricke) wird in der Schweiz als Rehgeiss bezeichnet, das junge Reh als Kitz.
[i] Im Kanton Bern (5'960 km²) leben 26'800 Rehe, die Region Bern-Ost hat eine Fläche von 258 km², was einen rechnerischen Schnitt von 1160 Rehen entspricht.
[i] «Äsen» ist der Ausdruck für das Fressen von Wildtieren, insbesondere von Pflanzenfressern wie Rehen, Hirschen oder Gämsen. Der Begriff stammt vom althochdeutschen «esan» (essen) und wird bis heute in der Jägersprache und im Forstwesen verwendet.
Erstellt:
08.06.2025
Geändert: 09.06.2025
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