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Tom Lüthi: "Wirklich, ich freue mich auf die Herausforderungen im nächsten Jahr"

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Wochen-Zeitung

Tom Lüthi hat die zweitbeste WM hinter sich. Nur als 125 ccm-Weltmeister 2005 holte der Emmentaler mehr Punkte. Trotzdem wird jetzt alles anders.

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Tom Lüthi, du warst schon nach dem WM-Ende 2013 sehr motiviert für die Saison 2014. Du hättest 2013 viel verpasst hast du damals gesagt. Erste Frage deshalb: Hast du dieses Jahr nachholen können?

Tom Lüthi: Das schon, aber eigentlich erst zum Saisonende hin. Ich wäre gerne besser in die WM 2014 gestartet. Die Tests im Frühjahr waren noch okay. Ich war motiviert, startete zuversichtlich in die Saison. Aber nach dem dritten Platz beim WM-Start in Katar (Platz drei nach Disqualifikation des Japaners Takaaki Nakagami, Anm. der Red.) habe ich mich, zusammen mit dem Team, in eine Ecke bewegt, aus der ich fast nicht mehr heraus kam. Die Abstimmung des Motorrads stimmte nicht, die Resultate fehlten. Kurzum, es war ein Rattenschwanz. Erst zum Saisonende hin ging es aufwärts. Da haben wir einen Weg gefunden, und dann hat es richtig Spass gemacht.

Was lief denn nicht rund, zu Saisonbeginn und danach?

Das ist auch jetzt, im Nachhinein, schwer zu sagen. Ich habe in Katar zwar noch Platz drei geerbt. Aber richtig glücklich war ich schon damals nicht, weil ich mit der Spitzengruppe nicht mithalten konnte. Im weiteren Verlauf der Saison habe ich immer mehr Zeit auf die Spitze verloren. Wir wollten dem Problem auf den Grund gehen, auch Motorradhersteller Suter kümmerte sich um mich. Suter ging dann in eine komplett andere Richtung und brachte zur Saisonmitte ein neues Chassis heraus. Ich, aber auch meine Techniker, mussten dieses neue Motorrad dann erst kennenlernen. Das ist ein Prozess. Das braucht seine Zeit, über mehrere Rennwochenenden.

Hat es dich nicht beschäftigt, dass du 2013 erstmals von einem anderen Schweizer in einer WM-Endwertung geschlagen wurdest – und dir Dominique Aegerter auch dieses Jahr den Rang abzulaufen drohte?

Nein. Als Dominique im Sommer seinen ersten Grand Prix gewann (auf dem deutschen Sachsenring), habe ich mich für ihn gefreut. Denn, hey, das ist doch eine Riesensache, wenn ein kleines Land wie die Schweiz plötzlich zwei GP-Sieger hat! Darüber hinaus kümmerte mich Dominique nicht. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt genug mit mir selbst zu tun. Und es war ja nicht nur Dominique, der schneller war als ich. Es gab auch andere Fahrer. 

Es gab aber andere Herausforderungen. Zum Sommer hin hat es plötzlich geheissen, dass dein langjähriger Förderer und Mentor Daniel Epp genug habe vom GP-Zirkus und sein Team verkaufen wolle. Du musstest dich also mit dem Gedanken herumschlagen, womöglich erstmals seit deinem WM-Debüt im Jahr 2002 für ein neues Team zu fahren – und das auch noch in jenem von Dominique Aegerter. Hat dich das beschäftigt? 

Schon, ja. Aber es war kein Schock für mich. Denn, dass ich einmal für ein anderes Team fahren könnte, daran habe ich während meiner Karriere auch schon gedacht. Ich habe gewusst, dass dies mal kommt. Bloss nicht wann. Dieses Jahr wurde dieser erstmalige Wechsel Realität. Trotzdem: Wenn ich auf dem Motorrad sass, war das nie ein Thema für mich. Ich konnte das trennen, die Gespräche, die Verhandlungen, die Rennfahrerei.   

Ich stelle mal eine Behauptung auf: Du hast 2013, nach deiner schweren Verletzung, ein starkes Comeback gegeben (fünf Podestplätze in den letzten acht Rennen). Dieses Jahr hast du auch Hürden nehmen müssen, das neue Motorrad, das neue Team, aber auch die Trennung von deiner langjährigen Freundin Fabienne Kropf – und trotzdem hast du zum Saisonende noch zwei Rennen gewonnen. Ich behaupte: Tom Lüthi liebt Herausforderungen und wachst mit diesen.

Ja, dem kann ich nur zustimmen. Manchmal braucht es im Leben Veränderung. Vor allem in einem so schnelllebigen Geschäft wie dem Motorradrennsport. Ich gebe zu, dass ich öfter versucht habe, mich an alten Dingen festzuhalten. Aber ich habe erkannt, dass es diese Veränderungen braucht. Ich kämpfe gern gegen Hürden an, ich nehme Herausforderungen an. Ja, ich denke, ich mag Herausforderungen.

Eigentlich solltest du dann 2015 Weltmeister werden, denn nächstes Jahr gibt es wieder genug Herausforderungen, nicht nur wegen des Teamwechsels, auch wegen des 
Materials. Du fährst erstmals eine Kalex-Maschine.

(Lacht) Sicher, es ist ein Ziel, um den Titel zu kämpfen. Ich habe 2014 viel gelernt, und ich habe diese anstehenden Veränderungen akzeptiert. Das motiviert mich. Aber ein Spaziergang wird es nicht, denn im 
Unterschied zu früheren Jahren bleiben der Weltmeister und Vizechampion, also Esteve Rabat und Mika Kallio, der Moto2-Klasse erhalten. Und die Moto2 ist sowieso seit jeher eine Klasse, in der es eng zu und her geht.

Der Motorrad-Superstar Valentino Rossi hat dieses Jahr bewiesen, dass Veränderung gut tut. Er hat sich nach vielen und erfolgreichen Jahren von seinem Ingenieur und Freund, dem Australier Jeremy Burgess getrennt – und gewann dieses Jahr zwei Rennen, stand bei 18 Grand Prix 13mal auf dem Podest und wurde hinter Marc Marquez Vizeweltmeister in der Königsklasse MotoGP. Macht dir das Mut?

Etwas verändern wollen erfordert Mut. Es heisst, man verlässt eine gewohnte Umgebung, eine gewohnte Struktur, den Alltag – kurzum: Man verlässt die Komfortzone. Trotzdem denke ich nicht, dass Burgess‘ Nachfolger (Silvano Galbusera) technisch mehr drauf hat oder dass er Valentino Rossi besseres Material hinstellte. Vielleicht genügte Rossi diese Veränderung, wahrscheinlich wurde ihm eine neue Philosophie vermittelt. Auf diesem hohen Niveau sind nur kleine Veränderungen möglich, Nuancen eben. Aber zusammen können sie etwas bewirken.  

In deinem Fall bleibt dir ja Cheftechniker Alfred Willeke (seit 2010) erhalten. Demnach erhofft ihr euch gemeinsam neue Impulse?

Genau. Das Team wird 2015 ganz anders aufgestellt sein. Eigentlich sind es ja zwei Teams, jenes von mir und jenes von Aegerter, aber eben in einer Organisation, unter einem Dach. Ein bisschen habe ich ja schon in diese Organisation reinschauen dürfen, bei den Tests in Jerez, nach dem WM-Finale. Wir sind in der Kennenlernphase. Aber ich finde das sehr spannend. Es ist sicher so, dass Alfred und ich uns anpassen müssen. Aber es wird sicher auch Dinge geben, bei welchen sich die anderen uns nähern müssen. Dann wird auch die gemeinsame Arbeit von Dominique und mir ein Thema werden, die Abstimmung der Motorräder beispielsweise. Ich glaube, dass wir uns 2015 auf der Strecke helfen können, dass wir einander antreiben werden – bis auf ein hohes Niveau herauf.

Du hattest in der Vergangenheit noch nie einen Teampartner, der dir gleichgestellt war. Mit Aegerter ist das nun anders. Und, ein altes Rennfahrer-Motto lautet: Der erste Gegner, den du schlagen musst, ist dein Teampartner. Wie gehst du damit um?

Bei mir stehen nächstes Jahr so viele Veränderungen an – also, warum nicht auch noch das? (lacht) Ich sehe es als eine Chance für uns beide, für Dominique und für mich. Wirklich, ich freue mich auf die Herausforderungen im nächsten Jahr.

Autor:in
Werner J. Haller, Wochen-Zeitung
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Erstellt: 27.11.2014
Geändert: 27.11.2014
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