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Trainerlegende Kurt Feuz: "Bei YB bekam ich einen Golf, keinen Lamborghini"

Wohl kein Schweizer Trainer hat eine Mannschaft so lange trainiert wie Kurt Feuz. Nach 37 Saisons hört er auf beim FC Münsingen. Im grossen Interview erzählt er, wie es damals war in den 70er Jahren, als sie nur vier Mal pro Woche trainierten. Wie man bei einem Wurstsalat Spieler verpflichtete und warum YB Christoph Spycher nicht wollte.

Kurt Feuz "Bei YB erhielt ich einen kleinen Citroën."
14.09.2013: Sandreutenen, Münsingen Cup 16tel Final. FC Münsingen - FC Basel 0:1 (Die Trainer Murat Yakin und Kurt Feuz)
Feuz: "Er sagte mir, wenn Sie hier arbeiten wollen, dann weg mit den Haaren."

BERN-OST: Kurt Feuz, nach 37 Saisons ist Schluss – welche Saison bleibt Ihnen am besten in Erinnerung?

Kurt Feuz: Entscheidend war schon die 1. Saison bei Münsingen, weil die Erwartungen sehr hoch waren. Man erwartete den Aufstieg, damals gings um den Aufstieg von der 3. in die 2. Liga. Wir gewannen das Entscheidungsspiel gegen den FC Ostermundigen 8:1. Von da an gings jahrzehntelang nur aufwärts. Davor war Münsingen immer eine Liftmannschaft. Unser Ziel war, eine bodenständige 2.-Liga-Mannschaft hinzukriegen. Wir waren dann drei Jahre 2. Liga. Seither spielt Münsingen in der 1. Liga.

 

Sie werden im Oktober 70, haben als Jugendlicher Bauzeichner gelernt. Haben Sie mal auf dem Beruf gearbeitet?

Ja, nach der Lehre in Herzogenbuchsee. Aber einer sagte damals, er habe noch nie einen so schlechten Bauzeichner gesehen. Als ich später von Grenchen zu St. Gallen wechselte, erhielt ich eine Arbeit im Büro der Helvetia Krankenkasse. Dort habe ich voll gearbeitet bis 64.

 

Kurt Feuz spielte als Junior erst in Derendingen, als 16-Jähriger wechselte er zum FC Solothurn (1. Liga), danach zum FC Grenchen (Nationalliga B). 1975 wechselte er in die Nationalliga A zum FC St. Gallen. 1978 kam Feuz zu YB, wo er bis 1984 er als Verteidiger spielte. Insgesamt spielte Feuz über 200 Mal in der Nationalliga A. Danach übernahm er den FC Münsingen als Spielertrainer.

 

Bei YB war damals Timo Konietzka Trainer. Sie spielten mit Karl Odermatt, Köbi Brechbühl und Kudi Müller zusammen. Wie war das damals?

 

Gestern habe ich zufällig Karli Odermatt gesehen. Wir hatten einen Match, er war dort, spielte aber nicht. Ich bin Coach bei den YB Oldies.

 

Damals Mitte 70er Jahre war es schon sehr speziell. Als kleiner Giel wollte ich immer zu YB. Auf Umwegen kam ich erst nach St. Gallen. Eigentlich wollte ich nach Chiasso. Am Morgen haben wir vor dem Spiel einen Vertrag gemacht: Wenn Chiasso gewinnt, gehe ich nach Chiasso. Dann hatten die ein Entscheidungsspiel in La Chaux-de-Fonds.

 

Und Sie wechselten nach St. Gallen?

Willi Sommer, den ich kannte aus Solothurn, ging als Trainer zu St Gallen. Er sagte zu mir: "Was willst du in Chiasso? Du verstehst die ja gar nicht." Dann verlor Chiasso den Entscheidungsmatch und Sommer sagte, komm nach St. Gallen. Er rief aufs Büro an und sagte denen, er habe einen neuen Spieler. Der SPIKO-Präsident von St. Gallen vermittelte mir einen Bürojob bei der Helvetia Krankenkasse.

 

Eine Woche später kam ich von der Nationalliga B nach St. Gallen. Ich wurde Stammspieler und arbeitete nebenbei zu 100 Prozent. Das ging gut. Es hatte damals nur vier Profis, alle anderen arbeiteten. Wir trainierten vier Mal pro Woche, man stelle sich das mal vor. Ich hatte bei St. Gallen ein Fixum von 1'500 Franken und 300 Franken Spesen. Bei der Helvetia verdiente ich 3'000 Franken. So lief das damals 1975.

 

Dann spielten Sie 1977 im Cupfinal.

Den wir gegen YB 0:1 verloren. Nach drei Jahren ging es um die Vertragsverlängerung mit dem FC St. Gallen. Ich verlangte ein wenig mehr, sie wollten mir das nicht geben und wir trennten uns. Dann rief mich Timo Konietzka an, der neu bei YB war. Konietzka war damals eine Grösse. Er spielte bei Borussia Dortmund, war drei Mal als Trainer mit Zürich Schweizermeister.

 

Er sagte, er brauche noch einen harten Spieler. Am Samstagmorgen ging ich nach Bern und traf Timo. Er sagte, er wolle mich. Ich war noch ein Grünschnabel, er bot mir ein wenig mehr als ich in St. Gallen kriegte. Es gab 2'000 Franken und eine Zuschauerbeteilung. Wenn mehr als 4'000 Leute im Wankdorf waren, gab es noch eine Zugabe.

 

Wie hat der FC St. Gallen auf den Wechsel reagiert?

Die verstanden das. Der SPIKO-Präsident vermittelte mir einen Job bei der Helvetia in Burgdorf. Er sagte dem Leiter in Burgdorf, am Montag beginnt einer bei dir. Morgens um acht Uhr war ich dort, ich trug damals noch lange Haare. Dem Chef der Helvetia in Burgdorf passte das nicht. Er sagte: "Hören Sie, mit den langen Haaren, das geht nicht. Wenn sie hier arbeiten wollen, dann weg mit dem Zeug." Ich sagte zu. Erst schnitt ich die Haare nicht. Alles was ich machte, wurde kritisiert, alles war schlecht. Dann schnitt ich meine Haare und von da an war er mit meiner Arbeit zufrieden.

 

Gab es damals bei YB Profi-Fussballer?

Karl Odermatt, Kudi Müller und Sepp Küttel, das waren Profis. Die verdienten schon deutlich mehr als wir. Die kamen vielleicht damals schon auf 100'000 Franken im Jahr. Das war enorm viel. Dann hatten wir Halbprofis wie Goali Walter Eichenberger oder Martin Weber.

 

Wir trainierten vier Mal pro Woche und die Profis noch zwei Mal mehr über Mittag.

 

Fuhren Sie auch einen Lamborghini?

Wir erhielten einen VW Golf GTI, einen Teil mussten wir selbst bezahlen. Später gabs einen kleinen Citroën, darauf stand: "Kurt Feuz fährt Citroën", das war mir peinlich. Der damalige Stürmer Roland Schönenberger fuhr den grössten Citroën.

 

Der Fussball hat sich ziemlich verändert seit damals.

Es war eine andere Zeit. Dann kam das Fernsehen, es gab mehr Sponsoring, heute wird alles vermarktet.

 

Gehen Sie noch ab und zu an einen YB-Match?

Jaja, ich habe lebenslang zwei Karten, weil ich sechs Jahre Stammspieler war. Das Problem ist, dass wir oft auch spielen oder ich einen Gegner beobachten gehe. Künftig werde ich wieder mehr Zeit haben. Ich werde bei YB noch eine Scouting-Funktion haben.

 

Ich halte Ausschau nach jungen Schweizer Spielern. Ein, zwei Mal in der Woche werde ich Spiele schauen gehen. Wenn ich ein Talent entdecke, besprechen wir das mit den YB-Verantwortlichen. Ich habe einen guten Draht zu Christoph Spycher. Er spielte zwei Jahre bei mir in der 1. Liga.

 

War bei Spycher damals schon absehbar, dass er es schafft?

Christoph Spycher war schon gut, er hatte einen unglaublichen Willen. Er spielte solid, machte praktisch keine Fehler. Das war das, was er konnte. Man spürte, dass er Potenzial hatte. Ich ging zu YB und empfahl ihn dort. Einer von YB kam schauen. Spycher war so nervös und spielte schlecht. Es klappte nicht. Dann kam Andy Egli und Spycher wechselte von FC Münsingen zu Luzern. Danach ging er zu GC und in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt, wo er Kapitän wurde.

 

Gab es noch andere Talente, die entdeckt wurden?

(Lacht) Mein Sohn Rouven Feuz. Er wechselte von Münsingen via Baden, Solothurn zu Luzern und schaffte es zu YB.

 

Warum schaffen es nicht mehr Spieler von Münsingen zu einem grossen Club?

Christoph Spycher war die Ausnahme. In der Regel werden die Junioren früh erfasst und beobachtet. Roman Bürki beispielsweise war als Junior bei Münsingen, wechselte noch als Junior zu YB. Spielte bei Thun und wechselte über GC, Freiburg zu Borussia Dortmund.

 

Wenn Sie den Fussball von heute mit damals vergleichen – was fällt Ihnen auf?

Wenn ich bei YB zu den U21 ins Training gehe, ist der Unterschied wahnsinnig gross. Das kann man nicht mit dem FC Münsingen vergleichen. In den guten Zeiten konnten wir mit Münsingen mit der YB U21-Mannschaft mithalten. Heute verlieren wir in der Regel. Die Disziplin bei YB ist anders. Diese Spieler wollen nach oben, sie trainieren mindestens sechs Mal pro Woche. Wenn der Trainer pfeift, kommen alle. Beim FC Münsingen ist das anders.  

 

Nach sechs Jahren bei YB hörten Sie mit 32 auf in der obersten Spielklasse – warum so früh?

Es kam ein neuer Trainer. Aleksander Mandziara sprach mit mir und sagte, dass ich keinen Stammplatz mehr hatte. Eine Stunde einlaufen und fünf Minuten spielen war nichts für mich. Ich konnte dann eine Agentur von der Helvetia übernehmen. Also hörte ich auf. Es kamen noch Angebote von Clubs aus der Nationalliga B, aber ich wollte das nicht.

 

Wie landeten Sie bei Münsingen?

Eigentlich hätte ich Burgdorf als Spielertrainer übernehmen sollen. Aber das klappte in letzter Minute nicht. Dann kam der FC Münsingen, damals noch 3. Liga, das war schon ein Kulturschock. Mir gings aber nicht ums Geld. Ich schaute, zwei, drei Spiele. Die hatten eine super Mannschaft und ich sagte zu.

 

Münsingen hält sich in der 1. Liga – ist das der Platz, wo die Mannschaft hingehört?

Das ist das Maximum, so wie der Verein strukturiert ist. Die Finanzen und Budget werden immer wichtiger. Es wird immer schwieriger gute Spieler zu lotsen. Mir war es immer wichtig, dass wir Spieler von hier haben, nicht aus Zürich oder Fribourg.  

 

Heute hat die 1. Mannschaft ein Budget von 250'000 bis 300'000 Franken. Für die Promotion League braucht man fast eine Million Franken.

 

Hätten Sie jemals gedacht – dass Sie den FCM 37 Saisons trainieren?

Nein, ganz sicher nicht. Es ist schön. Es war jahrelang ein Selbstläufer. Wir hatten Glück mit guten Spielern. Man konnte früher mit Spielern einen Wurst-Käsesalat essen und ein Handschlag, kamen sie zu uns. Das geht heute nicht mehr. Silvan Aegerter kam von Lugano und spielte bei uns, das war eine super Zeit. Patric Gasser macht sein 300. Spiel, er schoss für Münsingen 130 Tore in 12 Saisons!

 

Heute Samstag kommt es zum Abschieds-Match, FC Münsingen gegen die YB Oldstars, wer wird spielen?

Ich spiele nicht. Eine Halbzeit lang werde ich YB coachen. Danach muss ich zu meiner Mannschaft. Bei Münsingen spielen ehemalige Spieler, die bei mir waren, Spycher hat keine Zeit. Lars Lunde spielt, sonst weiss ich nicht, wer noch kommt.

 

Ein Wort von Ihnen zum Abschied?

Ich spüre keine Wehmut, nein, das passt jetzt. Klar werden noch Emotionen aufkommen. Es ist mein letzter Match nach 37 Jahren in Münsingen. Ich war Trainer und Sportchef in einem, das war super. Aber jetzt ist Schluss.

 

[i] Kurt Feuz spielte von 1978 bis 1984 bei YB. Danach übernahm er erst als Spielertrainer den FC Münsingen. Während 37 Saisons trainierte Feuz den FC Münsingen. Heute Samstag wird er mit einem Legendenspiel FC Münsingen Selection gegen YB Old Stars verabschiedet. Danach folgt das 1.-Liga-Derby FC Münsingen gegen FC Köniz.

 

[i] Samstag 21. Mai, Sportplatz Sandreutenen Münsingen: 13:30 Uhr Legendenspiel, 16:00 Uhr FC Münsingen – FC Köniz. Das letzte Meisterschaftsspiel findet am 28.5. auswärts statt: FC Wohlen – FC Münsingen.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 21.05.2022
Geändert: 21.05.2022
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