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Uli Kern: «Hausverbot. In meiner eigenen Firma»
Das ist die Geschichte des Geschäftsmanns Uli Kern, der 1992 die Firma Kern AG seines Vaters übernahm und weiterentwickelte. Der, wie er erzählt, mit 71 Jahren kurzum ausgebootet wurde. Und der offenbar heute Hausverbot bei seiner eigenen Firma hat. Jetzt möchte er kundtun, dass er das nicht länger akzeptiert. Und dass er das Restaurant Kreuz wieder eröffnen wolle.
Gross prangt das Firmenlogo «kern» auf dem Gebäude an der Hünigenstrasse in Konolfingen. Uli Kern empfängt vor dem Haus, ein freundlicher Herr von 73 Jahren. Er führt durch den leeren Vorraum, an der leerstehenden Reception mit der einsamen Orchidee vorbei, durch den leeren Gang in sein Büro, angeschrieben mit «Uli Kern, Geschäftsführer».
Abgesehen von diesem Raum steht das Gebäude komplett leer: Teile der Produktionsanlagen wurden schon 1974 an den zweiten Standort in Stalden gezügelt, heute laufen sämtliche Geschäfte dort ab. Das leerstehende Produktionsgebäude in Konolfingen ist alles, was Uli Kern von seiner Firma noch betreten darf: Bei der Kern AG in Stalden, sagt er, sei er nicht mehr willkommen.
Blitzentscheide während Spitalaufenthalt
Wie bitte? «Jawohl. Ich habe Hausverbot in meiner Firma», sagt er knapp. Er nickt, dann legt er zwei Firmenbroschüren vor sich auf den grossen Besprechungstisch, sie zeigen die Palette von Produkten der Kern AG: Produktionsstrassen zum Falzen, Einlegen, Drucken und Kuvertieren, und Maschinen, mit denen sich Pakete individuell an die verpackten Produkte anpassen und zuschneiden lassen.
Kern setzt sich etwas mühsam an den langen Tisch. «Das Knie», erklärt er. Es habe gelitten in seiner Zeit als junger Fussballer beim FC Xamax, zweite Mannschaft. Im Herbst vor einem Jahr musste es operiert werden. Und während seinem Spitalaufenthalt hätten sich die Ereignisse überstürzt in der Firma, die rund um den Globus tätig ist. Und die im Jahr 2000 mit der «Kern 3000» offiziell und guinness-rekord-bestätigt «die schnellste Kuvertiermaschine der Welt» produzierte.
Hausverbot? Firmeninterna!
Zuerst, erzählt Uli Kern, sei sein Mailaccount bei der Firma gesperrt worden. Ende Oktober wurde das Restaurant Kreuz Konolfingen geschlossen, das sein Vater 1970 mit Firmengeldern gekauft hatte. Und gleichzeitig wurden sämtliche Produktionsmittel aus dem alten Gebäude nach Stalden gezügelt. Und wenn Uli Kern heute beim Eingang der Firma Kern in Stalden auftaucht, wird er von einem Security-Mitarbeiter weggewiesen.
Warum das denn? «Das ist eine komplizierte Geschichte», sagt er. Und: «Ich verstehe sie selbst nicht so ganz.» Die neue Geschäftsleitung der Kern AG will sich auf Nachfrage nicht äussern: Das Hausverbot wolle man «weder bestätigen noch dementieren», denn zu Firmeninterna würden keine Auskünfte gegeben.
Prototyp einer Kuvertiermaschine
Angefangen hat Uli Kerns Geschichte 1992, als er die Firma seines Vaters übernahm. Oder nein, er lächelt, eigentlich fing sie viel früher an: Als sein Vater als junger Mann 1947 aus der alten Eisenwarenhandlung von Uli Kerns Grossvater eine kleine Werkstätte einrichtete und dort den Prototypen einer Brieffalz- und Kuvertiermaschine konstruierte. Die Firma florierte, und 1953 gründete der Vater daraus eine Aktiengesellschaft mit ihm, Kern senior, als Alleinaktionär.
«Marketing steht an oberster Stelle»
Uli Kern reiste nach der Handelsmatur als junger Mann in die USA, wo der Markt boomte, und verbrachte dort seine Lehr- und Wanderjahre: Er durchlief in einer amerikanischen Firma sämtliche Abteilungen von Mechanik bis Elektronik und lernte die neuste Technologie kennen.
1973 reiste er zum ersten Mal geschäftlich nach Japan, knüpfte zuerst dort, später auch in vielen anderen Ländern Kundenkontakte. Oft reiste er zusammen mit seinem Bruder Peter, der immer wieder gute Ideen eingebracht habe, und gemeinsam merkten sie: «Marketing steht an oberster Stelle!»
Aktienpaket an die Familie verteilt
Als sich der damalige Verkaufsleiter der Firma selbstständig machte, stieg Uli Kern als neuer Verkaufsleiter in die väterliche Firma ein und freute sich, dass diese «sehr breit aufgestellt» war. 1992 kam sein Vater bei einem tragischen Helikopterabsturz ums Leben, worauf Sohn Uli die Kern AG übernahm. «Sie lief gut», erzählt er: «Zu dieser Zeit benutzten zahlreiche Grossbanken, Versicherungen, die Post und viele Verwaltungen die Kern-Maschinen für Grossversände an die Kundschaft.»
Alleinaktionär Uli Kern teilte das Aktienpaket kurz nach seinem 70. Geburtstag auf und überschrieb je einen Fünftel an seine Frau und seine drei Töchter, das letzte Fünftel behielt er für sich. Zwei seiner Töchter sitzen heute im Verwaltungsrat der Kern AG, Caroline Kern, die Jüngste, ist Verwaltungsratspräsidentin. Und keine der Töchter wehrt sich dagegen, dass ihr eigener Vater Hausverbot hat?
Töchter seien in der Zwickmühle…
Uli Kern überlegt und sagt dann: «Ich glaube, die beiden sind in einer Zwickmühle und müssten Position einnehmen, getrauen sich aber nicht so richtig.» Vielleicht aber habe er auch einen Fehler gemacht: «Ich hätte sie viel früher in das Geschäft einbeziehen sollen.» Das sei ihm schon öfter durch den Kopf gegangen: «Meine Töchter hätten dann mehr Einfluss nehmen können und wären weniger im Clinch gewesen.» Aber passiert sei passiert, und er sei ja letztlich froh, dass die Firma weitergeht.
… und wollen sich nicht äussern
Seine Töchter, Uli Kern hat sie gefragt, «möchten sich im Moment nicht persönlich zur Situation äussern». Was aber, denkt er, würden sie sagen, wenn sie reden würden? Er überlegt wieder. Dann meint er: «Sie würden wohl sagen, ‘Papa, du bis jetzt 73, und wenn du in die Firma kommst, hast du noch einen zu grossen Einfluss: Du bist noch zu stark involviert, zu stark in der Führungsrolle.’ Und sie würden mir sagen, es sei an der Zeit, endlich loszulassen.»
«Ich will ja gar nicht dreinreden»
Er nickt, überlegt kurz und nickt noch einmal bekräftigend. Ja, so oder ähnlich, vermutet er, würde das klingen. Und er stimmt ihnen sogar irgendwie zu, er sei halt eng verbunden mit dem Familienunternehmen. «Ich will ja gar nicht dreinreden», betont er. Und dann, beinahe verzweifelt: «Aber fragt mich doch!»
Geht es nach ihm, wird beispielsweise das leerstehende Kern-Gebäude an der Hünigenstrasse künftig wieder in Betrieb genommen – «Schauräume könnte man darin schaffen, oder Platz für Handelsware».
Traum: Restaurant Kreuz wieder öffnen
Vor allem aber möchte Uli Kern unbedingt das Restaurant Kreuz wieder eröffnen: «Das Kreuz hat der Firma Kern viel gegeben», erklärt er. Ja, es sei nicht nur für die Firma, sondern für das ganze Dorf wichtig gewesen: Unzählige Geschäftspartner:innen hätten im Lauf der Jahre im Hotel übernachtet, und die Restaurantcrew habe manches Mittagessen für die Belegschaft bereitet und quasi als Firmenkantine gedient. Ausserdem hätten dort zahlreiche Vereine aus dem Dorf einen Treffpunkt für ihre Stammtische und Veranstaltungen gefunden.
«Die Kern AG könnte es sich leisten»…
Und nicht zuletzt liege es ihm einfach am Herzen: «Das Restaurant Kreuz bedeutet für mich ein Stück Heimat.» Uli Kern ist bewusst, dass einige Sanierungsarbeiten anstehen, «aber die ‘Kern-Stube’ ist innen noch tiptop beieinander und könnte sofort wieder in Betrieb genommen werden». Er selbst, bedauert er, habe das Geld für die Umbauarbeiten nicht unbedingt. Aber er habe jahrelang viel Geld in die Firma investiert. «Und die Kern AG könnte es sich leisten.»
…will aber offenbar nicht
Mit dieser Überzeugung steht Uli Kern aber offensichtlich alleine da: Schon letzten Herbst hatte die neue Geschäftsführung gegenüber BERN-OST erklärt: «Der Betrieb eines Restaurants steht nicht im Einklang mit den Tätigkeiten der Maschinenbaufirma Kern AG.» Ob Kreuz, ob Kern AG: Es wird offensichtlich noch einiges zu diskutieren geben in der Familie Kern.
Uli Kern: Papa, Grosspapa…
Ja, schön sei das nicht, findet Uli Kern. Zum Glück hätten sie es in der Familie trotz allem sehr gut: Er und seine Frau Ursula, eine ehemalige Kindergärtnerin, sind bereits vierfache Grosseltern, das fünfte Enkelkind ist unterwegs, und Grosspapa Kern freut sich immer sehr, wenn die Familie am Wochenende zusammenkommt: «Wir haben es gut miteinander», sagt er, «und auch mit meinen Schwiegersöhnen verstehe ich mich gut.»
Einen Moment später wird Kerns Blick sehr lebhaft, als er sich an die vielen Geschäftsreisen ins Ausland erinnert, an die Messen und an die vielen Kunden. Seine Geschäftsbeziehungen hat er gerne gepflegt und sich gerne persönlich mit Geschäftspartnern und Kunden unterhalten, hat mit ihnen fliessend auf Französisch, Englisch oder Spanisch parliert.
…begeisterter Patron…
Es sei schon wichtig, dass man die Sprache der Geschäftspartner:innen beherrsche und einen guten Draht zu ihnen finde. Ob die neue Geschäftsleitung, moderne Manager mit Post-Erfahrung im Hintergrund, die gleiche Haltung pflege – «da bin ich eben nicht ganz sicher».
Vielleicht, sagt er nach einer Weile selbstkritisch, seien die vielen Reisen und der grosse Einsatz für die Firma manchmal dem Familienleben nicht sehr zuträglich gewesen: «Manchmal war ich an 200 Tagen pro Jahr irgendwo auf der Welt unterwegs.» Aber er sei halt gerne Patron gewesen: Ein Patron, der repräsentiert und Kontakte pflegt, aber auch ein Patron, der sich um das Wohl seiner Angestellten kümmerte.
…und jetzt auch Kämpfer für die Gerechtigkeit
Wenn man so viel erlebt habe wie er, sagt er dann, sollte man gelassen werden. Aber Gerechtigkeit und gegenseitige Achtung seien ihm immer wichtig gewesen, und das verlange er jetzt auch für sich. Deshalb werde er sich das Hausverbot nicht mehr länger gefallen lassen: «Ich kämpfe. Um die Familie. Um die Firma. Für die Kunden.»
[i] Informationen zur Kern AG
Erstellt:
09.06.2024
Geändert: 09.06.2024
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