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Vechigen - Ein Teelicht, das Leben veränderte

Quelle
Berner Zeitung BZ

Im Sommer 2018 zerstörte ein Brand ein Stöckli in Vechigen. Die Ursache des Brandes: ein Teelicht. Am Mittwoch stand der Mann vor Gericht, der die Kerze nicht gelöscht hat.

Das Stöckli brannte völlig aus. Der Schaden überstieg die Millionengrenze. (Foto: Raphael Moser, Berner Zeitung BZ)

Ein einzelnes Teelicht kann einen riesigen Schaden anrichten. Ende Juni 2018 geriet ein Stöckli in der Gemeinde Vechigen in Brand. 90 Angehörige der Feuerwehr beteiligten sich an den Löscharbeiten. Für die Bewohner des Hauses blieben übrig: Schutt und Asche, ein Schaden von über einer Million Franken, furchtbare Erinnerungen und ein Gerichtsprozess.

 

Bereits nach kurzer Zeit war die Ursache des Brandes geklärt: ein unbeaufsichtigtes Teelicht. Der Beschuldigte, der im Erd­geschoss des Hauses wohnte, ist wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst an­geklagt. Doch wie kann ein Teelicht, das in einem Glasgefäss von der Decke runterhängt, einen solchen Brand auslösen?

 

Unerwartete Stichflamme

Das sollte im Gerichtssaal ein Experte des Dezernats Brände und Explosionen erklären. Bei einem normalen Teelicht erhitzt sich der Wachs auf rund 50 Grad, und sobald es keinen Wachs mehr hat, erlischt die Kerze. Was weniger Leuten bekannt ist: Verrutscht das kleine Metallplättchen in der Rechaudkerze und ist nur noch wenig Wachs enthalten, kann sich dieser stark erhitzen. Sogar eine Stichflamme könne entstehen. Das sei zwar selten, aber möglich.

 

Der Brand wurde so rekonstruiert: Die entstandene Hitze zerstörte das Glas, die Kerze fiel auf das darunterliegende Sofa und entfachte den Stoffbezug. Der Beschuldigte versuchte die Couch nach draussen zu tragen. Das klappte nicht. Das Feuer verbreitete sich schnell auf das ganze Haus.

 

Das Ehepaar, welches ein Stockwerk höher schlief, hörte plötzlich Schreie. Es musste sich über die Laube retten, sprang zwei Meter in die Tiefe. In Unterhosen und Finken musste es zuschauen, wie sein Hab und Gut verbrannte.

 

Ein solcher Kerzenhalter wurde dem Beschuldigten im Gerichtssaal gezeigt. Dieser ging nach dem Brand davon aus, dass der Kerzenhalter Schäden auf­gewiesen habe und deshalb heruntergefallen sei. Dass ein einfaches Teelicht eine solche Stichflamme auslösen könne, habe er nicht gewusst. Es tue ihm leid, dass ihm das nicht schon vorher klar gewesen sei: "Es belastet mich, dass das Ganze ein solches Ausmass angenommen hat."

 

Sie haben alles verloren

Als die Frage gestellt wurde, wie die Versicherungen bislang den Fall handhaben, wurde es der Ehefrau zu viel. Sie verliess aufgelöst den Gerichtssaal, ihr Mann sprang ihr hinterher. Als das Ehepaar ein paar Minuten später wieder in den Saal zurückkehrte, wischte sich die Frau eine Träne aus den Augen. Sie wollen dieses tragische Kapitel endlich beenden.

 

Die Anwältin führte in ihrem Plädoyer aus, dass der Beschuldigte die Sorgfaltspflicht verletzt hat. Für sie war klar: Der Schaden wäre vermeidbar gewesen, wenn der Beschuldigte die Kerze gelöscht hätte, bevor er ins Bett ging. Sie führte weiter aus, dass der tatsächlich entstandene Schaden höher zu beziffern sei. Ein Beispiel: Allein die Modellhelikopter, die der Ehemann zusammengebastelt hatte, hätten einen Wert von 40'000 Franken gehabt. Sie beantragte, dass die Haftpflicht des Angeklagten den Schaden übernimmt.

 

Sorgfaltspflicht in der Kirche

Der Anwalt des Beschuldigten argumentierte, dass sein Mandant nicht fahrlässig gehandelt habe. Es gelte zwischen einer Kerze und einem Teelicht zu unterscheiden. Ein Durchschnittsbürger gehe davon aus, dass Kerzen auf einem Tannenbaum oder in einem Adventskranz gefährlich seien. Ein Teelicht in einem dafür vorgesehenen Produkt gelte hingegen als sicher.

 

Müsste man Teelichter ständig im Auge behalten, würden viele Menschen die Sorgfaltspflicht verletzen. Das Beispiel des Anwalts: "In Kirchen und Ka­pellen brennen Dutzende Teelichter nebeneinander. Und zwar völlig unbeaufsichtigt." Sein Mandant habe das Risiko eines Brandes auf das Minimum beschränkt: "Was ihm passiert ist, kann jedem passieren." Er verlangte einen Freispruch.

 

Das Urteil wird am kommenden Mittwoch verkündet.


Autor:in
Mathias Gottet, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 07.11.2019
Geändert: 07.11.2019
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