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Vechigen - SVP fädelt Lex Dorfkönig ein

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Der Bund

Ein brisanter Vorschlag wird die heutige Gemeindeversammlung aufmischen: Die SVP will die Amtszeitbeschränkung lockern. Dann könnte ihr Gemeindepräsident weitermachen. Nun regt sich Widerstand.

Die Turnhalle in Utzigen ist schon hergerichtet für die Vechiger Gemeindeversammlung. (Foto: Franziska Rothenbühler)

Ein Raunen geht durchs Dorf im Vorfeld der heutigen Gemeindeversammlung in Vechigen. Offiziell wissen die Bürger von nichts, wenn Gemeindepräsident und SVP-Grossrat Walter Schilt am Nachmittag im Schulhaus Utzigen über einen geplanten Liegenschaftsverkauf orientiert. Auch die anderen Traktanden tönen unverfänglich: der (positive) Rechnungsabschluss oder ein Geschäft zum Abwasser. Wie so oft kommt das Brisante am Schluss. Unter Diverses wird die SVP eine Lockerung der Amtszeitbeschränkung für Gemeinderäte und Kommissionsmitglieder vorschlagen. Statt drei volle Legislaturen sollen künftig vier möglich sein, also 16 Jahre.

 

Niemand will es allzu offen sagen: Doch gelegen käme das vorab jenen, die Walter Schilt länger im Amt haben möchten. Er müsste nämlich 2020 abtreten. Dem stattlichen Mann, der die Gemeinde seit 2007 führt, wird politischer Ehrgeiz nachgesagt. Aber er hat nicht nur Fans. Etliche finden, er führe zu patriarchalisch. Feinde machte er sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Windpark-Projekt auf der Mänziwilegg. Es ist unwiederbringlich mit seinem Namen verbunden, weil er sich für erneuerbare Energien engagiert. Zwar hat der Gemeinderat die Arbeiten im Frühling wegen wachsendem Widerstand sistiert. Doch nur mit dem Hinweis, dass die Windräder zum Ende der Legislatur wieder aufgegriffen werden sollen. Die Gegner des Projekts, die sich im Verein «Weitsicht für Vechigen» organisiert haben, bleiben misstrauisch.

 

Widerstand zeichnet sich ab

Beschlossen hat die SVP den Antrag zur Lockerung der Amtszeitbeschränkung an einer Parteiversammlung am Dienstag, 27. November, im Restaurant Kreuz. Dann schrieb sie ihre Mitglieder an, doch bitte zahlreich an der Gemeindeversammlung zu erscheinen. Eine Änderung des Organisationsreglements kann die Gemeindeversammlung dieses Mal nicht beschliessen, dazu müsste das Geschäft als offizielles Traktandum aufgeführt sein. Aber sie kann den Gemeinderat beauftragen, einen solchen Antrag für eine spätere Versammlung vorzubereiten.

 

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass dies nicht reibungslos möglich sein wird. Andere Parteien widersetzen sich dem Ansinnen, an vorderster Front FDP und EVP. FDP-Parteipräsident Heinz Jordi wird den Vechigern heute von einem solchen Schritt abraten: «Nach zwölf Jahren sollte man Platz machen für neue Kräfte, die mit neuen Ideen antreten», argumentiert er. An Nachwuchstalenten fehle es bei den Bürgerlichen nicht. Er streitet nicht ab, dass es auch um den Gemeindepräsident Schilt geht. Er habe die Gemeinde zwar vorwärtsgebracht, aber mit seiner Persönlichkeit auch wenig Platz für andere gelassen. Zudem vertrete er nicht in allen Belangen die Stossrichtung der FDP, zum Beispiel bei der Windkraft. Die rund 200 Mitglieder von «Weitsicht für Vechigen» dürften derselben Meinung sein. Bestätigen mag das gegenüber dieser Zeitung allerdings vorerst niemand.

 

Walter Schilt will sich zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht zum SVP-Antrag äussern. Zur Frage, ob er sich eine vierte Legislatur vorstellen könne, meint er: «Das müssen Sie mich in anderthalb Jahren fragen.» Zum umstrittenen Windpark stellt er klar, dass er das Geschäft vertreten habe, weil es in seine Zuständigkeit gefallen sei. Gehandelt habe er aber stets in Abstimmung mit dem Gesamtgemeinderat.

 

Lockern liegt im Trend

SP-Mitglied Peter Jöhr erfuhr erst am Donnerstag aus einer E-Mail von der SVP an die anderen Parteien vom Vorhaben zur Amtszeitbeschränkung. Trotzdem steht Jöhr dem Antrag aufgeschlossen gegenüber: «Es ist nicht so, dass für kommunale Ämter Freiwillige Schlange stünden», begründet er. Darum sieht er nichts Anstössiges darin, wenn jemand länger bleiben möchte. Es gehe ja auch nicht nur um das Amt des Gemeindepräsidenten, sondern um alle Ämter. Zur Befürchtung, dass damit Sesselkleber gestärkt würden, meint er: «Wenn sich jemand als unfähig erweist, kann man ihn ja abwählen.» In Schilt sieht Jöhr keinen Dorfkönig: «Walter Schilt macht einen guten Job. Würde er sich ein viertes Mal aufstellen lassen, ist es den Wahlberechtigten immer noch freigestellt, ob sie ihn wählen wollen oder nicht.»

 

Die SVP ist mit drei Gemeinderäten die stärkste Partei in der Gemeinde, SP und FDP stellen je deren zwei. Nur das Amt des Gemeindepräsidenten ist allerdings als 50-Prozent-Stelle dotiert, weshalb es innerhalb des Gremiums herausragt.

 

Daniel Bichsel (SVP), Präsident des Verbands bernischer Gemeinden und Gemeindepräsident in Zollikofen, beobachtet den Trend hin zu weniger Amtszeitbeschränkungen auch in anderen Gemeinden. Zollikofen habe eine solche Regelung 2003 sogar ganz abgeschafft. Die Gemeinden seien im Übrigen frei, wie sie mit der Frage umgehen wollten. Wie Vechigen sich zum SVP-Antrag stellt, ist offen. Sicher ist dagegen, dass die Versammlung – 80 bis 100 Personen werden in der Turnhalle erwartet – nicht in weihnachtlicher Eintracht enden wird.


Autor:in
Christoph Aebischer, Der Bund
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Erstellt: 08.12.2018
Geändert: 08.12.2018
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