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Vier-Millionen-Debakel: Vechigen sieht keine Schuld gegenüber Ittigen

22 Tage nach Bekanntwerden des Finanzdebakels veröffentlicht die Gemeinde Vechigen eine Medienmitteilung. Vechigen schreibt, es fehle kein Geld in der Rechnung, auch die Steuern müssten nicht erhöht werden. Muss sich Ittigen die vier Millionen Franken ans Bein streichen?

Stand heute sagt Vechigen: "Kein Loch in der Kasse." (Fotos: zvg/Archiv BERN-OST)
Sibylle Schwegler-Messerli: "Wir haben kein Darlehen unterschrieben."
Marco Rupp: "Wir haben unsere Position dargelegt."

Anfang Monat wurde bekannt, dass der Finanzverwalter von Vechigen vier Millionen Franken veruntreut hat. Gegenüber BERN-OST sagte er, er habe seit Jahren Geld im Namen der Gemeinde aufgenommen und an der Börse verzockt. Letztes Jahr nahm er bei der Gemeinde Ittigen ein Darlehen von vier Millionen Franken auf. Das Darlehen nahm er im Namen der Gemeinde Vechigen auf. Dafür fälschte er die Unterschriften der Gemeindepräsidentin und des Gemeindeschreibers.

 

Vechigen: Haben kein Geld erhalten

Am Dienstagnachmittag hat Vechigen erneut schriftlich über den Fall informiert. Die Gemeinde schreibt: "Da die Einwohnergemeinde Vechigen keine Gelder aus dem gefälschten Darlehensvertrag erhalten und keinen rechtsgültigen Vertrag abgeschlossen hat, wurde von der Erfassung einer Darlehensschuld abgesehen." Mit anderen Worten: Vechigen hat von Ittigen nie ein Darlehen bezogen, also schuldet Vechigen Ittigen kein Geld. Das würde heissen, die Gemeinde Ittigen kann selbst schauen, wie sie vom entlassenen Finanzverwalter (der Gemeinde Vechigen) Geld zurückerhält.

 

Vechigen: Kein Loch in der Kasse

Weiter schreibt die Gemeinde Vechigen: "Darlehensverträge müssen von Gemeindepräsidentin und Gemeindeschreiber unterzeichnet werden." Die Vechiger Gemeindepräsidentin Sibylle Schwegler-Messerli sagt: "Gestützt auf das Darlehen hat die Gemeinde Vechigen kein Geld erhalten. Es ist kein Vertrag zustande gekommen." Die vier Millionen aus Ittigen seien nie auf dem Bankkonto der Gemeinde Vechigen eingegangen.

 

Ittigen überwies das Geld auf das Konto des ehemaligen Wasserverbunds Vechigen-Stettlen. Dieses Konto wurde vom Finanzverwalter weitergeführt, ohne dass der Gemeinderat davon wusste. Da das Geld nicht in die Rechnung der Gemeinde Vechigen floss, fehlt es der Gemeinde auch nicht. Wo kein Loch in der Kasse ist, müssen auch keine Steuern erhöht werden, so die Gemeinde.

 

Bleibt Vechigen schadlos?

Ob das für alle Ewigkeiten gilt, ist nicht klar. Am Ende der Mitteilung antwortet Vechigen auf die Frage: "Wird der Einwohnergemeinde Vechigen ein finanzieller Schaden entstehen?" Diese Frage sei Gegenstand der laufenden Abklärungen. Das Strafverfahren plus ein anschliessendes Zivilverfahren können bis zu zehn Jahre dauern.

 

Ittigen: Haben Anspruch darauf

Die Mitteilung der Gemeinde ist juristisch sauber formuliert. Vechigen sagt, sie habe kein Darlehen unterschrieben und auch kein Geld erhalten. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass Vechigen niemandem etwas schuldet. Bleibt somit Ittigen am Ende auf dem Vier-Millionen-Loch sitzen?

 

Marco Rupp, Gemeindepräsident von Ittigen sagte am 12. Mai gegenüber BERN-OST: "Wir haben ein Darlehen gegeben mit der Erwartung, dass das Geld zurückkommt. Wir haben den Anspruch darauf, das ist klar." Nachdem jetzt Vechigen nichts von einem Darlehen wissen will, sagt Rupp: "Es ist ein laufendes Verfahren. Wir haben unsere Position dargelegt. Wir äussern uns nicht weiter dazu." Stand heute müsste Ittigen beim entlassenen Finanzverwalter das Geld eintreiben.

 

Vechigen: Was war vor 2021?

Vechigen hat lediglich zum Vier-Millionen-Franken-Darlehen der Gemeinde Ittigen Stellung bezogen. Dieses wurde jedoch erst im Dezember 2021 aufgenommen. Was war davor? Dies ist nach wie vor unklar. Laut eigenen Angaben hat der Finanzverwalter von 2004 bis 2016 mehrere Darlehen im Namen der Gemeinde am Laufen gehalten. Unter anderem bei einer Schweizer Grossbank.

 

Wenn Ende Jahr der Darlehensauszug der Bank kam, habe er diesen ausgedruckt und mit der Schere die Zeile "seines" Darlehens ausgeschnitten. Davon habe er eine Fotokopie gemacht und dies zu den Akten gelegt. Dies habe nie jemand bemerkt, kein Buchhalter und auch kein Revisor. Die Vorgänge vor 2021 müssten laut Sibylle Schwegler-Messerli erst aufgearbeitet werden, dazu könne sie noch nichts sagen. Hiess es auf Anfrage.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 25.05.2022
Geändert: 25.05.2022
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