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Nach 124 Jahren und drei Generationen: Das Ende eines Traditionsunternehmens

Die Zeit von Vogt Optik, Uhren, Schmuck in Oberdiessbach ist abgelaufen. Der Geschäftsinhaber Hans Rudolf Vogt und seine Frau gehen in Pension. Der ehemalige Gemeindepräsident führte das Geschäft in der dritten Generation. Er erzählt über die Veränderungen der wirtschaftlichen  Situation in dieser Zeit und wieso es keine Nachfolge geben wird.

Franziska und Hans Rudolf Vogt gehen in Pension. (Bild: Adrian Kammer)

Der Schriftzug "Total Ausverkauf" prangt über dem Schaufenster von Vogt Optik an der Kirchstrasse in Oberdiessbach. Das Geschäft für Uhren, Schmuck und Augenoptik schliesst per 24. Dezember seine Türen. Im jetzigen Laden soll dann eine Wohnung entstehen. Geschäftsinhaber Hans Rudolf Vogt verkaufte das Haus vor eineinhalb Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt wohnte er mit seiner Familie darin. Mit seiner Frau und Geschäftspartnerin zog er daraufhin nach Rüfenacht.

 

Die Schliessung von Vogt Optik bedeutet auch das Ende eines Traditionsunternehmens. Die Firma wurde 1896 von Felix Vogt, dem Grossvater des heutigen Besitzers, als Uhrmacherwerkstatt gegründet und 1948 von dessen Sohn Felix Junior weitergeführt. Die Optik war schon damals Teil des Geschäfts, wobei der Fokus klar auf den Uhren lag. Das änderte sich, als die Optiker-Branche ab den 50er Jahren zu wachsen begann. Die Gläsertechnologie macht grosse Fortschritte und Brillen wurden modisch. Hans Rudolf Vogt absolvierte nach seiner Uhrmacherlehre eine Ausbildung zum Optiker. Als er das Geschäft 1974 übernahm, verschob sich der Schwerpunkt auf die Optik.

 

Ein Mann fürs Feine

"Schon als Kind faszinierten mich die Uhren", erzählt Hans Rudolf Vogt, der mit dem Geschäft seines Vaters gross geworden ist. Dass er in dessen Fussstapfen treten sollte, sei aber nicht klar gewesen. "Ich habe damals viel Sport getrieben, vor allem Leichtathletik, und wollte die Ausbildung zum Sportlehrer machen", sagt Vogt. Doch gesundheitliche Probleme mit dem Knie und dem Rücken vereitelten diese Pläne. So entschloss er sich dennoch für die Uhrmacherei in Kombination mit der Augenoptik.

 

Besonders der mechanische Aspekt hat es Hans Rudolf Vogt angetan und er hatte schon immer ein Händchen für das Präzise. "Das Feine liegt mir viel eher. Ich bin kein Handwerker für das Grobe", sagt der Uhrmacher. Auf Feinheiten kommt es auch in der Optik an. Aber da ist nicht nur der Blick fürs Detail sondern auch für das Ganze wichtig. "Die Brille muss zum Gesicht der Kund*innen passen. Manche kommen und wissen überhaupt nicht was sie wollen. Dann ist meine Beratung gefragt", erklärt Vogt. Beide Tätigkeiten ergeben einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag.

 

Nicht mehr so wie früher

Über die 46 Jahre, in denen Hans Rudolf Vogt das Geschäft führte, veränderten sich sowohl die Uhren- wie auch die Optiker-Branche. Gerade in der jüngeren Zeit waren diese Entwicklungen nicht unbedingt förderlich für einen kleinen Laden wie den von Vogt. Erst wechselten die Uhren von rein mechanischer Technik auf Quarz. Diese Vereinfachung brachte weniger Reparaturen mit sich. Ausserdem erledigten mit der zunehmenden Mobilität immer mehr Leute alle Besorgungen in der Stadt. Dort etablierten sich dann auch grössere Optiker-Geschäfte mit ihren Filialen, die eine grössere Auswahl zu billigeren Preisen anboten.

 

"Insgesamt ist das Geschäft klar rückläufig", meint Vogt. Aus diesem Grund habe er die Idee einer möglichen Nachfolge für den Laden wieder verworfen. Dabei hat er sogar eine Tochter, die gelernte Optikerin ist. "Das wäre schön gewesen, wenn sie übernommen hätte. Aber ich hätte ihr das Geschäft nicht mit gutem Gewissen überlassen können. Es wird immer schwieriger", so der 70-Jährige. Im Hinblick auf die Pension war es deshalb naheliegend die ganze Liegenschaft zu verkaufen.

 

Im Lockdown geübt

Die letzten zwölf Jahre führte er das Geschäft zusammen mit seiner Frau Franziska. Probleme habe es eigentlich nie gegeben, im Gegenteil. "Wir halten uns gegenseitig den Rücken frei. In der ganzen Zeit gab es keinen Streit, an den ich mich erinnern könnte", sagt Franziska Vogt. Auf die Frage, was das Geheimnis sei, antwortet sie: "Wir haben ähnliche Interessen, wie zum Beispiel Politik. Das hilft sicher." "So genau kann man das nicht sagen. Wir ergänzen uns einfach", fügt ihr Mann an.

 

Beide sagen, dass sie sich auf die Pension freuen würden. "Wir konnten während dem Lockdown ja schon üben, als wir den Laden schliessen mussten", meint Franziska Vogt schmunzelnd. Und das habe gut funktioniert. Auch Hans Rudolf Vogt hat keine Bedenken: "Wir begannen vor fünf Jahren zu überlegen, wie wir das machen, und hatten somit genug Zeit, um uns darauf einzustellen."

 

[i] Hans Rudolf Vogt war 16 Jahre lang Gemeindepräsident in Oberdiessbach und gab sein Amt Ende 2017 an Niklaus Hadorn ab. Er sitzt seit 2014 für die FDP im Bernischen Grossen Rat und wurde für 2018 wiedergewählt. Vogt gedenkt dieses Amt nach der laufenden Legislaturperiode abzugeben. Seine Frau Franziska war ebenfalls politisch aktiv. Von 2012 bis 2019 war sie als Wahlkampfleiterin in der Parteileitung der FDP des Kantons Bern tätig. Ausserdem präsidierte sie die FDP Oberdiessbach von 2014 bis im März 2020.


Autor:in
Adrian Kammer, adrian.kammer@bern-ost.ch
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Erstellt: 16.12.2020
Geändert: 16.12.2020
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