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Walkringen - Nach turbulentem Jahr wird das Ärztehaus verkauft

Das Haus mit Arztpraxis an der Walkringer Hauptstrasse ist zum Verkauf ausgeschrieben. Die Praxis erlebte letztes Jahr turbulente Zeiten.

Die Villa ist für 1,5 Millionen Franken ausgeschrieben. (Bild: comparis.ch)
Letzten Herbst war die Praxis plötzlich geschlossen. (Bild: Archiv BERN-OST/Res Reinhards)
Informieren konnten sie die Walkringer Patient:innen zeitweise nur über Zettel an der geschlossenen Praxistür. (Bild: Archiv BERN-OST/Res Reinhards)
Von der Arztpraxis im Erdgeschoss ist nur noch die eingebaute Möblierung da. (Bild: Comparis.ch)
Über die oberen drei Etagen erstreckt sich eine grosse Wohnung. (Bild: comparis.ch)
Zur Villa gehört auch ein Garten.

Bis Mitte letztes Jahr gab es in Walkringen zwei Arztpraxen. Eine davon war wegen fehlender Nachfolge von der Praxiskette "Mein Arzt" aufgekauft worden. Die Firma stellte einen Arzt an, Mihaly Belak. Seine Stelle trat Belak allerdings nie an. Der Grund: Der Unternehmer Christian Neuschitzer, Eigentümer von Mein Arzt, wurde wegen Corona-Kreditbetrugs verhaftet und in Untersuchungshaft genommen (BERN-OST berichtete). Die Firma fiel zusammen.

 

3,5 Millionen statt 690'000 Franken

Laut Medienberichten hatte Neuschitzer für 22 seiner 29 Schweizer Arztpraxen Kreditanträge für coronabedingte Ertragsausfälle gestellt. Den Umsatz dieser Praxen gab er mit 29 Millionen anstatt 6,9 Millionen Franken pro Jahr an und erhielt dafür einen Kredit über 3,5 Millionen. Mit dem korrekten Umsatz hätte er nur 690'000 Franken erhalten.

 

Ende Juni dieses Jahres erfolgte das Urteil am Bezirksgericht Bülach. Neuschitzer war geständig und erhielt eine teilbedingte Haftstrafe von drei Jahren, von denen er 10 Monate absitzen musste. Zusätzlich zur Haftstrafe muss er für fünf Jahre das Land verlassen. Seit Ende Juli ist er auf freiem Fuss. Der geschädigten KMU-Bürgschaftsorganisation muss er 3,25 Millionen Franken zurückzahlen.

 

Was die Höhe des Betrags angeht, ist der Fall Mein Arzt bisher der grösste Covid-Kreditbetrug in der Schweiz. Da sich Neuschitzer aber nicht persönlich bereichert habe, handle es sich nicht um einen klassischen Betrug, befand das Gericht und begründete damit das relativ tiefe Strafmass. Die Firma war schon in den Monaten zuvor ins Straucheln  geraten und konnte Löhne und Rechnungen nicht mehr bezahlen. Mit den Krediten hatte Neuschitzer wohl die Möglichkeit gesehen, die Firma zu retten.

 

Verwirrung um Krankenakten

Während der Turbulenzen im letzten Sommer war längere Zeit unklar, wie es für die Patient:innen sowie für die Praxisangestellten in Walkringen weitergeht. Mihaly Belak hatte nach eigenen Angaben beim Walkringer Gemeinderat sein Interesse an einer selbständigen Übernahme der Praxis bekundet und um Unterstützung gebeten. Diese erhielt er nicht. Gegenüber BERN-OST begründete dies der ehemalige Gemeindepräsident Peter Stucki (parteilos) damit, dass die Gemeinde nichts machen könne. Man habe Belak auf die Hauseigentümer als Ansprechpersonen verwiesen. Heute ist Belak in Stettlen bei der Praxis Gruppe Stettlen angestellt.

 

Auch für die Patient:innen herrschte eine verwirrende Situation. Nachdem die Praxis plötzlich geschlossen war, hatten sie zuerst keinen Zugang zu ihren Krankenakten. Später wurden diese von Belak nach Stettlen gebracht, wo sie abgeholt werden konnten.

 

Nun sieht es danach aus, dass dieses unschöne Kapitel in der Geschichte der langjährigen Dorfarzt-Praxis auch das letzte war. Das stattliche Haus mit den ehemaligen Praxisräumlichkeiten und einer 7 1/2-Zimmer-Wohnung über drei Etagen ist auf einer Immobilienplattform für 1,5 Millionen ausgeschrieben. Dass im Erdgeschoss bis vor Kurzem eine Praxis war, wird im Inserat zwar erwähnt, aber auch, dass verschiedene Nutzungen, wie etwa eine grosszügie Wohnung, möglich wären.

 

Die Hauseigentümer:innen konnten von BERN-OST nicht erreicht werden.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 08.08.2021
Geändert: 08.08.2021
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