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Wichtrach - Münsingen: Der Mann, der winkt und winkt

Ein Facebook Beitrag über eine Bank zwischen Münsingen und Wichtrach und ein 90-jähriger Mann: Dies löste viele Reaktionen aus. Es geht um Hans Mäder, welcher täglich den Verkehrsteilnehmenden zuwinkt. Wir wollten wissen, wie es ihm geht und ob er noch in ‘seinem’ Stöckli wohnt.

Überwältigt von so vielen Reaktionen, von denen Hans Mäder nichts wusste. (Bild: Martina Ruhmann)
Der Facebook Beitrag berührte viele Menschen auf zwei Arten. (Bild: ScreenshotFacebook)

In mehreren Facebook-Gruppen ist ein Bild von einem leeren Bänkli an einer Bushaltestelle mit einem rührenden Text kursiert. Dabei geht es um Hans Mäder, welcher im Alterssitz Neuhaus in Münsingen wohnt. Täglich winke er den Vorbeifahrenden zu, egal ob diese im Auto, auf dem Velo oder mit dem Roller unterwegs sind.

 

«Er war heute nicht draussen»

Der Verfasser schreibt, er sei unzählige Male an Mäder vorbeigefahren, ohne ihn zu bemerken. Eines Tages änderte sich dies: «Zuerst habe ich ihn ignoriert, seine Geste wirkte seltsam, fast fremd». Irgendwann winkte er zurück und «sein Winken wurde zu einem Highlight meiner Fahrt». Doch dann kam es: «Er war heute nicht draussen» schreibt er in seinem Text.

 

Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf: Was, wenn der Herr nicht wiederkommt? Was, wenn das Winken und das Lächeln nicht wiederkommen? Ihm fiel auf, dass es regnete und der Mann wahrscheinlich deshalb nicht draussen sass.

 

Grosse Fangemeinde

In einer Facebook-Gruppe hat der Beitrag über 150 Kommentare ausgelöst. Viele waren vom Text gerührt, vielen geht es gleich wie dem Verfasser: Alle freuen sich enorm über die Geste des Mannes. Über 1600 Mal wurde der Beitrag geliked, was unglaublich viel ist. Viele fanden, man sollte sich Zeit nehmen, mit dem Herrn zu reden und ihm etwas zurückzugeben.

 

Auch mich rührte diese Geschichte: Ich druckte den Facebook-Post und alle Kommentare aus, packte meinen Notizblock ein, holte ein Kafi to Go und ein Päckli Güetzi und machte mich auf den Weg. Schon von weitem sah ich, dass jemand auf dem Bänkli sass. Hoffentlich war es der erwähnte Mann. Als ich auf dem Parkplatz des Alterssitzes Neuhaus ankam, bemerkte ich eine Frau im Auto nebenan. Sie stieg aus und lief in seine Richtung.

 

«I doch nid»

«Sie sind berühmt», sagte die Frau, welche sich als Martina Ruhmann vorstellte, zu dem Herrn, welcher sich als Hans Mäder entpuppte. Ich kam dazu, begrüsste die beiden und zeigte ihm die 16 Seiten mit liebevollen Kommentaren. Der Rentner konnte es kaum fassen. «Nei, das cha ja nid wahr si. I mache doch gar nüt», sagte er sichtlich gerührt. Er nahm neben den ganzen Seiten auch den Kaffee dankend an und wir setzten uns.

 

Martina Ruhmann aus Interlaken hatte den Facebook-Artikel gesehen, musste nach Bern und entschied sich, einen Umweg über Münsingen zum Bänkli zu machen: «Doch, Sie sind berühmt», wiederholte sie. «Äuä sonä Seich, i doch nid», lachte Hans Mäder immer noch ungläubig. Als Martina Ruhmann ihm die Kurzfassung von dem Bericht erzählte, sagte Mäder: «Mir geht es gut.»

 

«Ich habe von nichts gewusst»

Jeden Tag gehe er am Morgen spazieren, das halte ihn fit. Anschliessend setze er sich auf das Bänkli. Täglich zur selben Zeit «und, wenn das Wetter gut ist, nach dem Mittag nochmals ein Weilchen». Es sei immer etwas los und manchmal treffe er so jemanden für einen Schwatz.

 

Bereits am Montag sei ein Bewohner des Alterssitzes auf ihn zugekommen. Dieser sei von seinem Sohn angerufen worden und habe nachgefragt, ob es sich auf Facebook nicht um Hans Mäder handle. «Heute Morgen kam er vorbei und zeigte es mir», sagt Mäder. «Ich habe nichts davon gewusst.» Auch nicht, dass dieser so viel ausgelöst habe und so oft gesehen wurde. Martina Ruhmann verabschiedete sich und wünschte Mäder alles Gute.

 

Wie geht es Hans Mäder?

Er habe «Schöns u Strubs» erlebt. Wie konnte er da so aufgestellt bleiben? «Ich gebe nie auf», so Mäder. Vor sieben Jahren sei seine Frau verstoben, mit welcher er 63 Jahre verheiratet war. «Mir fehlt nur jemand zum ‘Häbele’ und für ein ‘Müntschti’. Mehr kann man in meinem Alter eh nicht mehr», lacht er. Sonst sei er zufrieden und es gehe ihm gut.

 

Das war nicht immer so. Erst im vergangenen Jahr wurden Hans Mäder die Ergänzungsleistungen gekürzt, weil die Ausgleichskasse sein Studio mit Kochnische als Wohngemeinschaft einstufte, berichtete SRF. Da der Rentner nicht finanziell von seinen Töchtern abhängig sein wollte, wäre er gezwungen gewesen, eine neue Unterkunft zu suchen. Musste er nun umziehen, wollte ich von Mäder wissen.

 

Ende gut, alles gut

«Nei, äuä. Ig wohne geng no im Stöckli», sagt Mäder. Als die Ergänzungsleistungen gekürzt wurden, zahlte zuerst seine Tochter die Differenz. «Sie wandte sich an einen Anwalt, welcher sagte, dass die Kürzung nicht gerechtfertigt sei», erzählt der Rentner. Anschliessend kam alles vor Gericht, wo Mäder recht bekommen hat. «Dadurch konnte ich im Stöckli bleiben», erzählt er mir. Aber nicht nur das: «Auch meine Tochter bekam ihr Geld zurück». Er fühle sich sehr wohl da und alle seien sehr nett im Neuhaus, alles «tiptop».

 

«Ich mache, was ich will»

Vor kurzem ist Mäder 90 Jahre alt geworden. «Wir haben den Geburi auf dem Schiff auf dem Thunersee gefeiert und haben dort gegessen. Es war ein toller Tag», schwärmt der Rentner. Auch sonst ist er nicht immer im Alterssitz: «Am Sonntag gehe ich jeweils zu meiner älteren Tochter zum Essen». Auch seine jüngere Tochter sei mit dabei.

 

In der Stunde, in der ich bei Hans Mäder auf dem Bänkli sass, gab es kaum eine Minute, in welcher er niemandem zuwinkte. «Ich mache nur, was ich will, und was mir passt», schmunzelt er. Auch der Heimleiter wisse, dass Mäder oft auf dem Bänkli sitze: «Er sagte mal zu mir: ‘Hans mach nur, solange du magst. Wenn du da sitzt, ist das wie Werbung für uns’», lacht er. Und so sitze er fast täglich da und freue sich über alle, die ihn grüssen.


Autor:in
Pascale Groschel, pascale.groschel@bern-ost.ch
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Erstellt: 26.09.2024
Geändert: 26.09.2024
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