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Wichtrach - Polizist von Amtsmissbrauch freigesprochen

Ein Polizist hatte bei einem Jugendlichen, der mit einem frisierten Töffli unterwegs war, unerlaubterweise die Garage betreten. Per Strafbefehl wurde der Polizist zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt. Dies hatte er nicht akzeptiert. Dafür musste der Polizist am Montag vor dem Regionalgericht Bern antreten.

Ein Polizist betrat einen Schopf ohne die Erlaubnis der Eltern. Zudem musste ein Jugendlicher zweimal mit einem frisierten Mofa fahren. (Bild: Montage/Archiv BERN-OST)

Es geschah am 29. Juni in der Nacht. Der damals 16-jährige Serge* war abends um elf mit einem frisierten Töffli unterwegs. Auf der Talstrasse in Wichtrach wurde er von der Polizei angehalten. Die Polizei sah, dass das Töffli, ein Puch Maxi, frisiert war. Zudem händigte Serge der Polizei mehrere Fahrzeugausweise aus. Die Polizei teilte dem Jungen mit, dass sie das Töffli sicherstellen werden. Erst würden sie ihn nach Hause begleiten, um mit seiner Mutter zu sprechen. Zuhause bei Serge bemerkt dieser, dass die Mutter nicht daheim ist.

 

Die unerlaubte Hausdurchsuchung

Da Serge der Polizei bei der Kontrolle mehrere Töffliausweise gezeigt hatte, fragte diese, wo sich diese Töffli befänden. Diese seien in einem Schopf, sagte Serge. Polizist Moser* fragte Serge, ob er einen Blick in den Schopf werfen dürfe. Dieser liess ihn gewähren. Serge sagte von sich aus, dass ein weiteres Töffli frisiert sei. Polizist Moser antwortete, dass er nichts mehr sagen solle, damit er sich nicht weiter belaste.

 

Vater am Telefon

Der Polizist fragte Serge, ob er seinen Vater anrufen könne. Serge's Vater weilte auf einem Campingplatz in der Nähe. Serge rief ihn an, über Lautsprecher unterhielten sich der Polizist, Serge und der Vater miteinander. Der Polizist fragte den Vater, ob dieser nach Wichtrach kommen könnte. Der Vater sagte, dass er komme. Er kam aber nicht. Darauf sagte der Polizist, dass sie die beiden Mofas sicherstellen müssten. Das heisst, dass diese zur Kontrolle auf den Posten in Münsingen gebracht werden.

 

Mit dem frisierten Maxi zur Polizei

Polizist Moser (38), der damals erst seit neun Monaten im Dienst war, wollte die beiden frisierten Töffli mit einem Bus auf den Posten bringen lassen. Der zweite, diensterfahrene Polizist Kramer* (Name geändert) meinte, das dauere zu lange. Serge könne die beiden Mofas auf den Posten fahren, Moser soll das Protokoll erstellen, Kramer fahre mit dem Jungen hin und her. So geschah es. Nachdem beide Töffli bei der Polizei waren, fuhren die Beamten Serge zum Campingplatz, wo dieser seinen Vater traf. Hier könnte die Geschichte enden. Das tut sie nicht. Polizist Moser steht am Montag wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht.

 

Polizei gegen Polizist

Die Anzeige gegen Polizist Moser kam von innerhalb der Polizei, da ein Verdacht auf Amtsmissbrauch bestanden hatte. Vor Gericht sagte Moser, es gehe ihm schlecht. Er leide unter der ganzen Geschichte, die sich im Juni 2019 zugetragen habe. Zu Beginn der Befragung sagte er: "Wenn ich schuldig gesprochen werde, wird mir gekündigt."

 

Der Strafbefehl

Von der Staatsanwaltschaft wurde er per Strafbefehl im August 2020 schuldig gesprochen. Sie verurteilte ihn wegen Amtsmissbrauchs zu einer Busse von 700 Franken und Gerichtskosten von 1'500 Franken. Dazu noch eine bedingte Geldstrafe von 2'800 Franken. Diesen Strafbefehl akzeptierte Moser nicht.

 

Das Urteil

Gerichtspräsidentin Bochsler sprach Moser frei. Dieser war sichtlich gerührt und atmete erleichtert aus. Die Richterin begründet das Urteil wie folgt: Der Jugendliche Serge öffnete den Schopf nicht auf Druck der Polizei. Weder Serge noch Moser waren sich bewusst, dass die Polizei dafür einen Durchsuchungsbefehl gebraucht hätte. Die Richterin betonte, die Aktion mit der Sicherstellung des zweiten Töfflis sei nicht rechtskonform durchgeführt worden. Aber das sei noch lange kein vorsätzlicher Amtsmissbrauch.

 

Auch vom zweiten Vorwurf (Anstiftung des Jugendlichen zur Fahrt mit dem frisierten Töffli. Damit fügte er laut Strafbefehl dem Jugendlichen einen Nachteil zu und missbrauchte seine Amtsgewalt) sprach ihn die Gerichtspräsidentin frei.

 

Es war nicht die Schuld des Angeklagten. Er wollte die Mofas mit einem Bus transportieren lassen. Sein Kollege Kramer schlug vor, dass Serge fahren soll. Aus diesem Grund trifft Polizist Moser keine Schuld. Warum wurde Polizist Kramer nicht angeklagt? "Das weiss ich nicht", sagte Gerichtspräsidentin Bochsler. Zum Angeklagten meinte sie: "Sehen Sie es als 'Lehrblätz' an, den sie mitnehmen können."

 

[i] *Die Namen der Beteiligten wurden geändert. Die Namen für die Polizisten Moser und Kramer sind erfunden.

 

[i] Der freigesprochene Polizist erhält eine Pauschalentschädigung von 10'000 Franken. Der Kanton Bern übernimmt die Verfahrenskosten in der Höhe von 4000 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat zehn Tage Zeit in Berufung zu gehen.

 

[i] Um den Schopf zu betreten, hätte die Polizei die Einwilligung des Jugendlichen und eines gesetzlichen Vertreters benötigt. Die Richterin sagte, man hätte dies als fahrlässigen Amtsmissbrauch bezeichnen können. Aber für den Amtsmissbrauch gibt es keine Fahrlässigkeit.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 13.10.2021
Geändert: 13.10.2021
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