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Wichtrach: Hagacher – ein Bauprojekt mit weitreichenden Folgen
Am 4. Juni stimmt die Gemeindeversammlung über eine Teil-Überbauungsordnung ab, die gezielt auf ein konkretes Vorhaben zugeschnitten ist: Geplant ist eine dichte Überbauung mit rund 40 Wohnungen – verteilt auf drei Gebäude mit bis zu 17 Metern Höhe und 31 Metern Länge im historischen Dorfkern. Die Regelung bildet die baurechtliche Grundlage dafür, dass genau dieses eine Projekt in dieser Form realisiert werden kann.
Ein Bruch mit dem Ortsbild
Das Projekt würde das heutige Dorfbild nachhaltig verändern. Statt kleinteiligen Bauten mit Gärten und Satteldächern würden wuchtige Flachdachbauten das Quartier prägen. Die geplante Bauhöhe entspricht fast dem Doppelten der umgebenden Gebäude – und auch fast das Doppelte dessen, was das heutige Baureglement zulassen würde.
Verkehr: Belastung steigt deutlich
Die ohnehin bereits kritische Erschliessung über den Lochweg wird durch Besucherparkplätze des Bauernhauses zusätzlich belastet: Die Strasse ist zu schmal, ein durchgehendes Trottoir fehlt, und die Sicht bei der Einmündung auf die Bernstrasse ist ungenügend.
Ein Gutachten erwartet bereits bei 40 Wohnungen eine markante Verkehrszunahme.
Schon heute wird der Lochweg – um das Einbiegen in die Bernstrasse zu umgehen – in Richtung Bahnlinie/Aare über den Wasserweg genutzt: entweder weiter über die Neumattstrasse zur Bernstrasse oder über die Stadelfeldstrasse zur Thunstrasse – ein Weg, der direkt am Schulhaus vorbeiführt. Was passiert, wenn künftig doppelt so viele Fahrzeuge denselben Weg wählen?
Unsicherheit über Zweckbindung
Das Grundstück wurde 2015 im Rahmen einer Erbschaft mit Zweckbindung an die ANA AG übertragen – laut Erläuterungsbericht der Gemeinde basierend auf dem testamentarischen Willen der verstorbenen Eigentümerin, altersgerechten Wohnraum zu ermöglichen. Da der genaue Wortlaut nicht öffentlich bekannt ist, bleibt offen, wie verbindlich dieser Zweck tatsächlich gesichert ist – und ob die Wohnungen prioritär Wichtracher*innen aller Einkommensklassen zugutekommen.
Rechtlich unvollständig?
Das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) hat mehrere Genehmigungsvorbehalte ausgesprochen: u. a. fehlt die Einzeichnung der Einstellhalle, und es bestehen Bedenken zur Verkehrssicherheit. Trotzdem wird bereits abgestimmt – es stellt sich die Frage, ob dieser Entscheid rechtlich tragfähig ist.
Nicht gegen das Projekt – aber für nachhaltige Lösung mit Augenmass
Das altersgerechte Wohnen ist ein unterstützenswertes Anliegen. Doch es braucht dazu eine Entwicklung mit Augenmass, rechtlicher Klarheit und echtem Einbezug der Bevölkerung. Bauten dieser Grössenordnung dürfen nicht auf Kosten der Wohn- und Lebensqualität der gesamten Gemeindebevölkerung realisiert werden.
Der Fall Hagacher zeigt exemplarisch, was passiert, wenn Planung und Kommunikation einseitig verlaufen.
Die Entscheidung fällt an der Gemeindeversammlung vom 4. Juni 2025.
Erstellt:
30.05.2025
Geändert: 02.06.2025
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