«Wir finden immer wieder den gemeinsamen Faden»
Was gibt es Schöneres als Liebesgeschichten? Wir sammeln Ihre Geschichten und schreiben sie auf. Dabei zeigt sich: Hollywood verblasst neben dem echten Leben. Oft kommt Liebe weit weniger glitzernd daher als dort, dafür widerstandsfähig wie ein Diamant. Das zeigt die Geschichte von Ruth (83) und Hans-Ulrich (86) Zbinden aus Landiswil.
Es war ein schöner Wintertag, auf den Wiesen lag Schnee und eine eisige Bise fegte über die Hügel, als Hans Ulrich Zbinden seine Ruth zum Traualtar führte. Auf den Schwarzweiss-Fotos sieht es aus, als hätte das junge Paar die Kälte nicht gespürt: Jedenfalls strahlen sie glücklich, er im Anzug, sie im knielangen Brautkleid mit den feinen Schuhen. Das ist jetzt 60 Jahre her.
«Nicht dreinreden, machen lassen»
An einem späten November-Nachmittag sitzen die beiden auf ihrem hübschen farbigen Sofa, rund um ihr Stöckli in Landiswil liegt gleich viel Schnee wie damals. Und sie strahlen immer noch, wenn sie einander anschauen. Diamanthochzeit und immer noch so zufrieden: Wie macht man das? Überraschtes Lachen. «Das muss man einfach beschliessen», sagt Hans Ulrich Zbinden dann ruhig. Und: «Nicht dreinreden, machen lassen.» Ruth Zbinden nickt. «Ja, und wir hatten immer die Idee, das gemeinsam zu machen.»
Zusammen gearbeitet und zusammengehalten
Das klingt so einfach. Dabei hatten die Zbindens kein verwöhntes Leben. Als Betriebsleiterehepaar zogen sie von Hof zu Hof und hatten nie genug Geld, einen Hof zu pachten, geschweige denn einen
Wir hatten nie den Gedanken, auseinanderzugehen – wir haben ja die Aufgaben zusammen übernommen.
zu kaufen. Aber sie hatten einander. Sie haben zusammen gewohnt, zusammen «gwärchet» und vor allem zusammengehalten. «Das hat uns zusammengeschweisst», sagt Ruth Zbinden, und ihr Mann nickt beifällig. «Es gab einfach nichts anderes, von Anfang an.»
Damals beim Konzert auf der Moosegg
Der Anfang, das war bei einem Konzert auf der Moosegg. Sie trat mit der Trachtengruppe Biglen auf, und er wusste sofort: Das war doch die Schwester seines Freundes, er hatte sie einmal bei diesem zuhause in Biglen gesehen. Zielstrebig steuerte Hans Ulrich Zbinden auf sie zu, stellte sich vor und bat sie höflich zum Tanz. Es wurden viele Tänze daraus.
Nach zwei Jahren die Verlobung …
Er war 23 Jahre jung, sie 20, und sie gefielen einander. Bald gingen sie wieder tanzen, trafen sich immer öfter, zwei Jahre später im Frühling feierten sie Verlobung: Im nächsten Jahr einmal würden sie dann heiraten. Ein paar Monate später war alles anders. Hans Ulrich Zbinden fand eine Anstellung auf einem Bauernbetrieb in Kiesen, gesucht war ein Betriebsleiterehepaar, der Mann würde den Hof besorgen, die Frau den Haushalt übernehmen. Am 1. Dezember 1965 sollte es losgehen.
… und dann die zügige Hochzeit
Und so musste die Hochzeit plötzlich zügig stattfinden. «Es waren andere Zeiten damals», erzählt Zbinden heute: «Unverheiratet zusammenleben war keine Option.» So gaben sie einander am 27. November 1965 das Jawort, ungastliche Jahreszeit hin oder her. Um elf Uhr ging es in die Kirche, dann nach Affoltern zum Mittagessen und abends zum Fest in die Sonne Biglen. «Wir hatten 28 Personen eingeladen, viele davon sind heute nicht mehr da», erzählt Zbinden.
Gemeinsam von Hof zu Hof gezogen …
Für eine Hochzeitsreise blieb keine Zeit, erst im Frühling fuhren sie für ein verlängertes Wochenende weg, beide erinnern sich nicht mehr wohin: Zu häufig sind sie zu dieser Zeit umgezogen, als Betriebsleiterehepaar von Hof zu Hof, anfangs war bei jedem Umzug ein Sohn mehr dabei. 1974 konnten sie den Hof von Hans Ulrichs Eltern übernehmen. Inzwischen sind die drei Söhne Peter, Markus und Jürg längst erwachsen und haben eigene Kinder, fünf Enkel sind es, und der mittlere Sohn hat den Hof übernommen.
… und später viele Reisen genossen
Hans Ulrich und Ruth Zbinden haben sich vor 26 Jahren ins Stöckli zurückgezogen und seither alle Reisen nachgeholt, die sie vorher nicht unternehmen konnten: Israel, Norwegen, Polen, Tschechien, Kanada und das Piemont, und als Höhepunkt eine dreiwöchige Reise nach Australien. Ihn zieht es immer wieder in die Ferne und sie zieht mit, die beiden sind auch unterwegs gern zusammen. «Das Reisen war vielleicht ein Vorteil», sagt er, «in Landiswil lief alles jahrelang alles gleich.» Beide lachen ein wenig, ja, er habe es als Erster in Landiswil mit Erdbeeren versucht und sei jeweils «der exotische Landwirt mit den neuen Ideen» gewesen.
Vertrauen und gleiche Wellenlänge
Ist es das, was ihr an ihm besonders gut gefällt? Sie schmunzelt, schaut ihn von der Seite an. «Ich kann auf ihn vertrauen», sagt sie dann. «Und wenn etwas ist, reden wir zusammen.» Und was gefällt ihm an seiner Frau? «Wir haben die gleiche Wellenlänge und finden immer wieder den gemeinsamen Faden», sagt er ohne Zögern. Auch wenn sie mal nicht gleicher Meinung seien: «Wir hatten nie den Gedanken, auseinanderzugehen – wir haben ja die Aufgaben zusammen übernommen.»
Man muss mit allem rechnen ...
So viele Jahre gemeinsames Leben – das prägt, beide können sich kaum vorstellen, ohne einander zu sein. Und doch, sagt sie ruhig: «Wir sind in einem Alter, in dem man damit rechnen muss, dass einer von uns gehen muss.» Im Herbst hatte Hans Ulrich Zbinden einen Herzinfarkt, seither wird sie unruhig, wenn er einmal zu lange nicht von den Guschtis zurückkommt. Umso mehr schätzen beide, dass er noch im Stall arbeiten und sie noch den Haushalt in Schwung halten mag.
... und am Glück arbeiten
Sie blättert versonnen im Album mit den Schwarzweissfotos, und beide lächeln fein ob all der Erinnerungen. Sie fühlen sich wohl miteinander, und sie werden es weiterhin halten wie in all den Jahren: Aufeinander vertrauen und miteinander reden, wenn etwas ansteht. «Wir hatten Glück miteinander», sagt Ruth Zbinden. Hans Ulrich Zbinden nickt. «Ja, und wir haben auch daran gearbeitet.»
So kommen wir zu den Geschichten ...
Auf diese Geschichte sind wir durch eine kleine Mitteilung in der November-Ausgabe von «Der Landiswiler» gestossen: «Diamantene Hochzeit 27.11.1965 Zbinden Hans Ulrich und Ruth», hiess es dort, und das machte uns neugierig. Auf Anfrage waren die beiden einverstanden, uns zu erzählen, was es braucht, damit zwei Menschen 60 Jahre lang glücklich zusammenleben.
Sind Sie auch bereit, Ihre persönliche Liebesgeschichte mit der BERN-OST-Leserschaft zu teilen? Sie erzählen, wir schreiben für Sie auf – und Sie erhalten dafür eine geschriebene Version ihrer Erlebnisse. Melden Sie sich unbedingt bei info@bern-ost.ch oder 031 832 00 23, wir freuen uns!