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Worb - Rentner blitzt mit Gesuch für eine Hafterleichterung ab

Quelle
Berner Zeitung BZ

Der Automobilist, der betrunken einen Jungen totgefahren hat, darf seine Reststrafe nicht mit Fussfesseln absolvieren.

An dieser Kreuzung in Worb starb im November 2011 der zehnjährige Junge auf dem Zebrastreifen. (Bild: Walter Pfäffli)

Er hat es wieder versucht. Seit einer rechtskräftigen Verurteilung im Oktober 2016 wehrt sich ein heute 78-jähriger Berner dagegen, seine Strafe im Gefängnis abzusitzen. Er hatte im November 2011 in Worb einen Jungen auf einem Fussgängerstreifen angefahren und tödlich verletzt. 36 Monate Freiheitsstrafe, davon 18 Monate unbedingt, lautete das Urteil (siehe Kasten). Im neuesten Urteil des Obergerichts, das gestern publiziert wurde, ging es um die letzten rund fünf Monate des Strafvollzugs.
 

Der Rentner hatte beantragt, dass er diese Zeit in Form des Electronic Monitoring (EM) absolvieren könne. Doch die Bewährungs- und Vollzugsdienste sowie die kantonale Polizei- und Militärdirektion wiesen das Begehren ab. Auch vor Obergericht ist er abgeblitzt. Dieses fasst zusammen, dass die «pauschalen Vorbringen in erster Linie darauf ausgerichtet scheinen, dem ihm unliebsamen Normalvollzug zu entgehen».
 

Argumentation gewechselt

Der Mann begründete seinen Antrag auf Fussfesseln in einer ersten Phase mit seinem schlechten Gesundheitszustand, der einen Aufenthalt im Gefängnis nicht länger rechtfertige. Als ihm die Behörde beschied, dass diese Vollzugsform eine berufliche oder sonstige Tätigkeit von 20 Stunden pro Woche bedinge, wechselte er die Argumentation. Er habe über 30 Kilogramm abgenommen, seine Beschwerden seien «eliminiert». Der Rentner nannte auch die vorgesehenen Tätigkeiten: das Führen des eigenen Haushalts, die administrative Arbeit für Dritte und die tägliche Pflege seiner betagten Mutter. Er wies zudem darauf hin, dass er im Gefängnis im Werkatelier arbeite und qualitativ gute Leistungen erbringe.
 

Widersprüche

Das Obergericht zweifelt an dessen Leistungsfähigkeit. Nach wie vor sei er gemäss Bericht des Gefängnisses in ärztlicher Behandlung und auf Gehstöcke angewiesen. Und das Führen des eigenen Haushalts gelte nicht als Tätigkeit, um ein Electronic Monitoring zu gewähren. Die Argumente des Mannes seien wenig transparent und konkret.
 

Das Gericht nimmt dem 78-Jährigen auch die Geschichte nicht ab, dass er seine betagte Mutter pflegen würde. Aufgrund der Unterlagen sei das unwahrscheinlich. Der Mann habe zwar einmal angegeben, dass er dringend Urlaub brauche, um seine Mutter zu besuchen. Später habe sich jedoch herausgestellt, dass sie sich mehrmals bei der Amtsstelle gemeldet habe, um etwas über den Verbleib ihres Sohnes zu erfahren.
 

Er wurde verhaftet

Das jüngste Urteil passt zu seinem bisherigen Verhalten nach dem Urteil des Bundesgerichts. Zuerst sollte er die Haft im Februar 2017 antreten. Den Termin wollte er aufschieben. Sein Gesundheitszustand sei zu schlecht, er sei nicht hafterstehungsfähig. Doch die Vollzugsbehörden, das Obergericht und das Bundesgericht wiesen seine Eingaben ab. Im Gefängnis sei die medizinische Versorgung sichergestellt.
 

Im April 2018 boten die Behörden ihn wieder auf, Ende Mai die Haft anzutreten. Dem Aufgebot folgte der Rentner nicht, wie aus dem aktuellen Urteil hervorgeht. Deshalb wurde er zur Verhaftung ausgeschrieben, Ende Juli 2018 angehalten und ins Gefängnis gesteckt.
 

Lange hat er die Tat bestritten

Der Fall von Anfang November 2011 erschütterte. In Worb wurde ein 10-jähriger Knabe mit seinem Trottinett auf einem Fussgängerstreifen von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Am gleichen Abend starb er im Spital. Der Unfallfahrer machte sich aus dem Staub, konnte aber zwei Stunden später angehalten werden, als er wegen schlenkernder Fahrweise fast mit einem Polizeifahrzeug kollidierte. Er hatte knapp zwei Promille intus.
 

Das Regionalgericht verurteilte den Rentner im Juni 2014 wegen fahrlässiger Tötung und mehrerer Strassenverkehrsdelikte zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 40 Monaten. Der Angeschuldigte bestritt seine Schuld stets. Aufgrund von Zeugenaussagen und wegen eines Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Bern sah das Gericht die Schuld des Rentners aber zweifelsfrei als erwiesen an.
 

Der Rentner zog das Urteil ans Obergericht weiter. Dort ging es nur noch um das Strafmass, denn inzwischen gestand er ein, dass er der Unfallfahrer gewesen sei. Er habe ein Rumpeln bemerkt, dies jedoch nicht als Kollision wahrgenommen. Das Obergericht reduzierte im August 2015 die Strafe auf 36 Monate, 18 Monate davon unbedingt. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil des Obergerichts Anfang Oktober 2016. (hus)


Autor:in
Hans Ulrich Schaad, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 24.09.2019
Geändert: 24.09.2019
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