• Region
  • Wirtschaft

Worb - Im Mai schliesst Garage Sägesser nach 92 Jahren

"Eine Garage in der Grösse ist heute fast nicht mehr rentabel zu betreiben", sagt Garagist Stephan Tschaggelar. Statt einer Garage, sollen an der Rubigenstrasse Wohnungen gebaut werden. Madeleine Sägesser und Stephan Tschaggelar erzählen, wie hoch die Marge auf Neuwagen ist und wie ihre Zukunft aussieht.

Noch bis im Mai 23 ist die Garage Sägesser in Worb geöffnet. (Fotos: Rolf Blaser)
Madeleine und Annemarie Sägesser mit Stephan Tschaggelar.
In der ehemaligen Schmitte an der Rubigenstrasse entstand 1931 die Autowerkstatt Tschanz und Bossert. Gegründet von Fritz Tschanz, Vater von Annemarie Sägesser. (Foto: Archiv Annemarie Sägesser)
Das Team: hinten stehend: Madeleine Sägesser (Geschäftsleitung), Annemarie Sägesser, Stephan Tschaggelar (Geschäftsleitung), Monika Lässer (Administration). Vorne: Noah de Meuron, Jamie Berger und Christian Stoll (Automobilfachmänner).
Während des Kriegs kriegten nur die Armee und Feuerwehr Benzin. Die Autos wurden mit Holzvergasern ausgerüstet, gefahren wurde mit Holz/Kohlen. (Foto: Archiv Annemarie Sägesser)
Die heutige Garage Sägesser AG in Worb.

1931 starten Fritz Tschanz und Willy Bossert mit ihrer Autoreparaturwerkstatt an der Rubigenstrasse in Worb. Sie übernehmen damals die alte Schmiede. Ab 1935 führt Fritz Tschanz das Geschäft allein als Fordvertretung. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs wurde das Benzin rationiert, Tschanz rüstet in dieser Zeit Autos auf Holzvergaser um. 1954 geht er eine Partnerschaft mit Opel ein, die bis heute anhält.

 

Hans Sägesser übernimmt

1971 übernimmt Hans Sägesser zusammen mit seiner Frau Annemarie, der Tochter von Fritz Tschanz, die Garage. Stephan Tschaggelar beginnt Anfang 80er Jahre seine Lehre als Automechaniker bei Sägessers. 1986 tritt Tochter Madeleine Sägesser ins Geschäft ein. Ab 94 führt sie die Garage Sägesser AG in dritter Generation zusammen mit Stephan Tschaggelar.

 

Das Ende naht

Ende Mai nächsten Jahres lässt sich Madeleine Sägesser pensionieren. Zum selben Zeitpunkt wird die Garage Sägesser für immer schliessen. Damit endet die Geschichte dieses Familienbetriebs nach 92 Jahren. Madeleine Sägesser und Stephan Tschaggelar (beide Geschäftleitung) erzählen, wie es dazu gekommen ist:.

 

BERN-OST: Madeleine Sägesser und Stephan Tschaggelar, warum hören Sie auf?

Weil wir keine Nachkommen für den Garagenbetrieb haben. Zudem fanden wir keinen Nachfolger. Wir sind eines der unglücklichen KMU und müssen in dritter Generation aufhören. Das ist sehr hart.

 

Was ist der Grund für das Aus?

Einerseits haben wir seit Jahren zu wenig Platz. Andererseits wurde uns das extern angemietete Reifenlager auf Ende Oktober gekündigt. Dort waren Winterpneus unserer Kundinnen und Kunden gelagert. Glücklicherweise konnten wir viele Räder an die umliegenden Garagen vermitteln. Stephan Tschaggelar erhielt eine neue Stelle angeboten,  das alles half mit, dass wir uns entschieden haben den Betrieb per 31. Mai 2023 zu schliessen.

 

Gibt es zu viele Garagen?

Sagen wir es so, es hat zu viele Marken-Vertreter oder Multi-Garagen. Als Marken-Vertreter sind wir zu klein. Wir konnten leider nie expandieren. Als wir vor 20 Jahren einen Teil des Käsereiareals kaufen wollten, ging es nicht. Die Bauern wollten uns das Land nicht geben. 

 

Warum führt niemand anderes Ihre Garage weiter?

Unsere Garage für ist für eine Vertretung zu klein. Andererseits muss die Liegenschaft saniert werden, es stehen grössere Investitionen an. Es gibt einen Interessenten, der das Grundstück sowie ein Nachbargrundstück kaufen will. Er plant, dort 30 Wohnungen zu bauen. Unterschrieben ist noch nichts.

 

Wie geht es mit Ihnen weiter?

Madeleine Sägesser wird im Mai 2023 pensioniert, ich werde 59. Im Dezember trete ich meine neue Stelle als Ressortleiter Werkstatt bei der Mercedes-Garage in Thun an.

 

Was passiert mit dem Personal?

Wir hoffen, dass unsere drei Automechaniker eine Stelle finden. Beim derzeitigen Fachkräftemangel sollte das problemlos möglich sein. Schwieriger wird es vermutlich für unsere Teilzeitmitarbeiterin im Büro.

 

Wie war die Zusammenarbeit mit Opel?

Wir und unsere Vorgänger arbeiten seit 1954 mit Opel zusammen. Die Zusammenarbeit war immer gut. Aber die Auflagen der Importeure sind hoch. Ein Mechaniker muss diverse verschiedene Kurse besuchen, bevor er für die Marke arbeiten kann. Das ist sehr aufwändig.

 

Lebt eine Garage von Neuwagen oder von Reparaturen?

Es ist ein Paket. Unsere Garage finanziert sich durch den Verkauf von Occasion-Autos, Unterhalt, Reparaturen und den Betrieb von Tankstelle und Waschanlage. Vom Verkauf allein lebt niemand ausser den Herstellern. Bei Neuwagen beträgt die Bruttomarge sieben Prozent! Bei einem Verkaufspreis von 40'000 Franken sind das 2'800 Franken. Damit müssen wir den Lohn des Verkäufers und den Betrieb bezahlen. Das ist zu wenig.

 

Wie schauen Sie auf die 24 Jahre zurück?

Es war eine gute, interessante und lehrreiche Zeit. Die Branche war schon als wir die Garage übernahmen rückläufig und es bleibt schwierig. Der Entscheid passt jetzt. Die Politik kommt mit Elektrofahrzeugen, man weiss nicht, wie es weitergeht. Es braucht künftig weniger Reparaturen, es ist schwierig qualifizierte Mechaniker zu finden. Wenn es so weitergeht, ist eine Garage dieser Grösse ein Auslaufmodell.

 

[i] Garage Sägesser AG, Rubigenstrasse 1, Worb


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 01.12.2022
Geändert: 01.12.2022
Klicks heute:
Klicks total: