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Zäziwil - Bekannter Seilziehclub steht vor dem Aus

Quelle
Berner Zeitung BZ

Sie zeigten viel Standfestigkeit, gewannen einen Weltmeistertitel und geben nun auf: Der Seilziehclub Zäziwil steht vor der Auflösung. Für Urs Grunder und Rolf Zaugg – den ersten und den letzten Präsidenten – ist es der Moment, nochmals in der Erinnerungskiste zu wühlen.

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Hauruck 1985. Damals wurde der Zäziwiler Seilziehclub Weltmeister in der Schweiz. Vorne: Urs Grunder. (Bild: Andreas Blatter)
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Hauruck: Der heutige Präsident Rolf Zaugg (links) und der frühere, Urs Grunder, ziehen für ein Erinnerungsfoto nochmals an einem Seil. (Bild: Hans Wüthrich)
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 Für Seilzieher beträgt der kürzeste Weg zum Sieg vier Meter. Doch so leicht ist diese Strecke nicht zu schaffen, am anderen Ende ziehen die Gegner kräftig in die entgegengesetzte Richtung. «Ä Chrampf und ä Murks» sei das jeweils, konstatiert Urs Grunder trocken. Der Landwirt, SVP-Politiker und Sportler muss es wissen: 1982 war er dabei, als der Seilziehclub Zäziwil in Südafrika den Weltmeistertitel holte. Auch 1985, in der Schweiz. Mit Muskelkraft allein haben es die Männer aus dem Emmental aber nicht geschafft. «Wir waren den anderen taktisch überlegen, und auch die mentale Verfassung war bestens», erinnert sich Grunder. Beim Seilziehen muss die Mannschaft muss eine Einheit bilden. «Wir hielten durch dick und dünn, und über das Seil verbunden, zusammen.»

«Ein paar Spinner»

Wie kamen die Männer aus dem Emmental dazu, eine solche Randsportart zu betreiben? «Es brauchte ein paar Spinner, die etwas wagten», antwortet Grunder. In Aarberg habe es bereits einen ersten Schweizer Club gegeben. Und bei Seefahrernationen wie England, Irland und Holland habe Seilziehen als Sportart Tradition. «Entstanden ist unsere Gruppe aus der Landjugend», erklärt der Landwirt. «Nachdem wir an einem Plauschturnier an der BEA teilgenommen hatten, sind wir regelmässig an solche Wettkämpfe gefahren.» In Engelberg sei dann 1976 die Entscheidung zur Clubgründung gefallen: «Wir waren uns einig, dass wir entweder aufhören wollten oder seriöser trainieren mussten.» Die Gruppe wählte die sportliche Variante und legte sich mächtig ins Seil. Sieg um Sieg folgte.

Gekrönt wurde das Ganze mit dem Weltmeistertitel. «Vor den Europa- und Weltmeisterschaften trainierten wir sechsmal wöchentlich. Das schaffte grosse Verbundenheit», sagt Grunder.

Fehlender Nachwuchs

Bis 2011 hat diese Verbundenheit nicht gereicht. Die Mannschaft ist älter geworden, die meisten Mitglieder liessen das Seil fahren. Auch an jüngeren Sportlern fehlt es dem Club. «Wir verpassten den richtigen Zeitpunkt für die Nachwuchsförderung», sagt der heutige Präsident, Rolf Zaugg, selbstkritisch. Es sei einfach niemand da gewesen, der die nötige Zeit und das Flair für diese Arbeit gehabt habe. «Nicht alle sind bereit, eine so hohe Verbindlichkeit, wie es sie im Seilziehsport braucht, einzugehen», ergänzt Grunder. Die acht Leute am Seil seien nicht beliebig austauschbar, weder beim Training noch bei den Turnieren. Die Grösse, das Gewicht, der Gleichschritt, alles muss stimmen.

Nun wird sich der Seilziehclub Zäziwil wie vorher schon die anderen Clubs im Bernbiet auflösen. «Den Zeitpunkt haben wir noch nicht festgelegt. Wir trainieren aber bereits nur noch das gesellige Zusammensein», sagt Zaugg. Die Seile und die Spezialschuhe haben die Clubmitglieder vor geraumer Zeit weggeräumt. Grunder muss allerdings nicht weit gehen, um seine Schuhe hervorzuholen. In seiner Stube in Zäziwil zeigt er die Spezialanfertigungen dem heutigen Präsidenten. Die beiden fachsimpeln. Schuh ist im Seilziehsport nicht einfach Schuh. Die Sohle muss glatt und mit einer Metallplatte versehen sein. Bei den Schuhen von Grunder ist die Platte noch in Hufeisenform gefertigt, Zaugg zog grossflächige Metallplatten vor. «Die Auswahl des Harzes sorgte auch immer für Diskussionen», sagt Grunder. Harz sei als Hilfsmittel für einen besseren Griff am Seil zugelassen. «Die Engelberger reisten nie ohne ihren Bunsenbrenner an», erinnert sich Grunder. «Sie haben auf frisch aufgetragenen Harz geschworen.» Für den Weltmeistertitel hat es ihnen dennoch nicht gereicht.

Seilziehen

Für starke Männer. Der Sport Seilziehen wird auch Tauziehen genannt und war zwischen 1900 und 1920 eine olympische Disziplin. Nachdem die Anzahl der Disziplinen massiv reduziert und das Tauziehen gestrichen worden waren, erlebte diese Sportart einen Einbruch. Seefahrernationen wie England, Irland und Holland gründeten als Folge und zur Stärkung nationale Verbände und schlossen sich auf internationaler Ebene zusammen. 1975 fand die erste Weltmeisterschaft im Seilziehen statt. In der Schweiz existieren aktuell noch 14 aktive Seilziehclubs. Für die EM- und WM-Kämpfe wird jeweils ein Nationalteam zusammengestellt. Der nächste WM-Austragungsort wird Appenzell sein. Im September 2012 werden sich hier Sportmannschaften aus der ganzen Welt einen Wettkampf der besonderen Art liefern.

Mehr Informationen auf der Homepage des Verbandes: www.seilziehen.ch

 


Autor:in
Ursula Grütter, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 18.01.2011
Geändert: 18.01.2011
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