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Zäziwil - Nervenkitzel und Brauchtum pur

Quelle
Wochen-Zeitung

Ruedi Herrmann aus Zäziwil ist begeisterter Hornschlittler. Vor vier Jahren hat er den Hornschlittenklub Zäziwil gegründet. Diesen Winter haben er und sein Beifahrer Adrian Stucki das erste Rennen gewinnen können.

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Während einer schwungvollen Plauschfahrt vor sechs Jahren hat ihn dieses besondere Fieber gepackt. Der Zäziwiler Ruedi Herrmann machte sich auf die Suche nach einem Beifahrer. Doch das sei gar nicht so einfach gewesen, erzählt er. Niemand habe in rasantem Tempo die Piste hinunter sausen wollen. Schliesslich habe sein damaliger Lehrling, Adrian Stucki, zugesagt. Die beiden nahmen gleich an etlichen Hornschlitten-Rennen teil.

Verein gegründet

Die Kombination aus Sport, Nervenkitzel und Brauchtum fasziniert Herrmann. Zwei Jahre später hat er doch noch einige Kollegen zu einer Probefahrt in Linden überreden können. Von Fahrt zu Fahrt sei mehr Gas gegeben worden, schliesslich sei die Begeisterung übergesprungen. Kurze Zeit später wurden die ersten Schlitten angefertigt, und im Frühling 2006 gründeten 15 Mitglieder den Hornschlittenklub Zäziwil. Mittlerweile gehören dem Verein 24 Personen an. Als Präsident amtet Ruedi Herrmann. Nicht nur die winterlichen Rennen gehören ins Jahresprogramm. Am 6. Dezember sind die Hornschlittler als Samichlous und Schmutzli unterwegs, zudem führen sie ab und zu bei Anlässen eine Vereinsbar. Es müsse etwas fürs Kässeli getan werden, erklärt der Präsident. Mittlerweile tragen die Vereinsmitglieder einheitlich blaue Jacken. Sechs Schlitten sind bereits hergestellt worden.

Zum Trainieren fahren die Hornschlittler zwei-, dreimal pro Winter nach Linden. Die Übung kommt jedoch mit den Rennen. Zum ersten Mal starten heuer auch Frauenteams unter Zäziwiler Flagge.

Erfolgreiche Rennen in Adelboden

Insgesamt zehn Zäziwiler Schlitten nahmen Mitte Februar am Hornschlittenklassiker in Adelboden teil. Für Ruedi Herrmann und Adrian Stucki bleibt dieser Anlass unvergessen. Die beiden feierten dort ihren ersten Sieg. Bereits sechs Jahre sitzen sie nun zusammen auf dem Holzschlitten – das heisst Ruedi Herrmann sitzt vorne, Adrian Stucki liegt hinten und steuert und bremst nach Kommando. Eigentlich beginnt das Rennen aber bereits am Vorabend: In der Schmiede von Ruedi Herrmann werden die Schlitten gewachst. Ob mit Kaltwachs oder Heisswachs, mit Bügeleisen oder Gasbrenner – jeder hat da seine eigene Technik. Die Rennstrecke besichtigen die Hornschlittler zu Fuss und besprechen dabei die Fahrweise. Die rasante Fahrt mit bis zu 80 Stundenkilometern dauert unterschiedlich lang. Beim Rennen auf der grossen Scheidegg sind die Schlittler fast zehn Minuten unterwegs.

In Adelboden durften sich zwei weitere Zäziwiler Schlitten über einen Podestplatz freuen: Kathrin Schmied und Barbara Schenk belegten in der Kategorie Damen den zweiten Rang. Bei den Herren wurden Jürg Keller und Ueli Grunder dritte.
Die verschiedenen Hornschlittenklubs organisieren an einer Koordinationssitzung im Frühling die knapp 20 Rennen des nächsten Winters. Ein Reglement legt fest, wie die Schlitten aussehen dürfen, empfehlen das Tragen von Helmen und regeln den Sieg bei Zeitgleichheit: Das höhere Alter der Schlittenbesatzung bekommt in diesem Fall den Vorzug.

Wandel vom Arbeits- zum Sportgerät

Auch die heutigen Hornschlitten werden aus Holz gebaut. Nur wurden früher keine Rennen gefahren sondern Heu und Holz durch den Schnee transportiert – was anstrengend und mitunter gefährlich war.

Hornschlitten sind Zeitzeugen harter Arbeit: Früher wurde mit ihnen Holz aus dem Wald oder Heu vom Berg ins Tal transportiert. Mit Lederriemen trugen die Bauern ihre Schlitten durch den Wald oder den Tiefschnee. Selbst wenn es bergab ging, war diese Arbeit keine einfache. Heute ersetzen Maschinen den Hornschlitten. Als Arbeitsgerät ist der Schlitten in Vergessenheit geraten, als Sportgerät erfreut er sich jedoch zunehmender Beliebtheit. Seinen Namen hat der Schlitten von den vorne nach oben verlängerten Kufen, den so genannten Hörnern.
Die Schlitten sind aus Eschenholz gefertigt, das elastisch, zäh und fest zugleich ist. Früher hat man entweder in aufwändiger Sucharbeit nach Eschen Ausschau gehalten, die sich an Waldsäumen oder an steilen Hängen durch den Druck des Schnees verbogen und nach Jahren wieder senkrecht aufgerichtet hatten. Oder man hat der Esche die Krone abgesägt; wenn der Baum im Frühling wie beginnt zu wachsen, entsteht an der Stelle eine Astgabel. Diese wurde dann beim Bau der Schlitten für die Hörner verwendet.

Der Schreiner hat getüftelt

Schreiner Frank Hofer gehört ebenfalls dem Zäziwiler Hornschlittenklub an. Ein Jahr lang habe er die Schlitten genau gemustert. In der Werkstatt zuhause hat er anschliessend getüftelt und mit viel Handarbeit und Erfindergeist zwei Schlitten nachgebaut. Die Kufen seiner Hornschlitten bestehen aus einem Stück. Dünnes, verleimtes Eschenholz macht die Biegung möglich.

Damit der Schlitten beweglich und gut steuerbar bleibt, werden die Teile nicht verleimt sondern mit Zapfen und Schlitz zusammengesteckt. Für schnelle Kufen sorgt Schmiedemeister Ruedi Herrmann.

Autor:in
Sandra Joder / Wochen-Zeitung
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Erstellt: 04.03.2010
Geändert: 04.03.2010
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